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Friedensprozess zwischen Indien und Pakistan in Gefahr

Thomas Bärthlein20. Juli 2006

Einen Tag nach den Anschlägen in Bombay am 11. Juli versicherte ein indischer Regierungsvertreter noch, die vertrauensbildenden Maßnahmen mit Pakistan würden fortgesetzt. Doch nun scheint der Friedensprozess in Gefahr.

Die Anschlagsserie in Bombay kostete mindestens 182 Menschen das LebenBild: AP

Am Donnerstag (20.7.2006) hätten sich Indien und Pakistan in Neu-Delhi treffen sollen, um die vergangene Runde des indisch-pakistanischen Experten-Dialogs zu unterschiedlichen Aspekten des bilateralen Verhältnisses zu bilanzieren und die nächste Runde einzuläuten. Doch nun hat Indien das Treffen ohne neuen Termin abgesagt und den Friedensprozess damit vorläufig auf Eis gelegt. Der ist damit noch nicht am Ende, aber er bräuchte dringend eine breitere Grundlage.

Nach dem Erdbeben in Pakistan im Oktober 2005 rückten Indien und Pakistan für kurze Zeit zusammenBild: dpa - Bildfunk

Man merkt wohl erst, wie schmal der Grat ist, auf dem man balanciert, wenn der Absturz droht. Derzeit findet eine neue Entwicklung in den indisch-pakistanischen Beziehungen statt, die seit Beginn der Annäherung vor gut drei Jahren eigentlich nur positive Nachrichten produzierten. Eine ähnliche Anschlagsserie im Herbst 2005 in Neu-Delhi förderte sogar noch die gemeinsame Erdbebenhilfe in Kaschmir - man wollte es den Terroristen erst recht zeigen. Doch nun ist der öffentliche Druck in Indien, besonders in den Medien, plötzlich zu stark für die Regierung geworden, um einfach weiter zu machen.

Noch keine Ermittlungsergebnisse nach Bombay-Anschlägen

Dabei hat es nicht den Anschein, als wüsste jemand in Neu-Delhi, wie es nach dieser populistischen Geste jetzt weitergehen soll. Indien wird konkrete Bedingungen an Pakistan formulieren müssen, unter denen es an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Und das ist nicht einfach, wenn man bedenkt, dass es in Bombay noch nicht einmal Ermittlungsergebnisse gibt, die wirklich die Terror-Organisation Lashkar-e-Tayyaba überführen, die wiederum - so sieht man es in Neu-Delhi - von Pakistans Establishment zumindest geduldet wird.

Unabhängig davon lässt die aktuelle Krise die Schwächen des bisherigen Friedensprozesses klarer zutage treten - wobei die Erfolge nicht vergessen werden sollen: Vor allem der Waffenstillstand in Kaschmir, aber auch eine ganze Menge im Bereich der zwischenmenschlichen Kontakte, zum Beispiel Reise-Erleichterungen, die bis zur Öffnung der De-Facto-Grenze in Kaschmir reichten.

Verpasste Chancen

Und dennoch sind es Vorsicht und Mutlosigkeit, die als Gesamteindruck der vergangenen drei Jahre zurückbleiben. Man konnte nie den Eindruck gewinnen, als ob der große Durchbruch auch nur im entferntesten absehbar wäre. Das Misstrauen war am Ende wohl doch zu groß, um einander wirkliche Zugeständnisse anbieten zu können. Das könnte sich jetzt rächen, denn es ist wohl gerade diese Halbherzigkeit, die den Prozess anfällig macht für Störfeuer.

Ein paar Beispiele für verpasste Chancen der vergangenen drei Jahre: Wenn es ein Problem gibt, von dessen Lösung nun wirklich alle profitiert hätten, dann ist es das des Siachen. Auf dem Gletscher stehen sich indische und pakistanische Truppen in 6000 Meter Höhe gegenüber - weil der Grenzverlauf umstritten ist. Der sinnlose Streit im ewigen Schnee kostet jedes Jahr Menschenleben und Millionen. Trotz gezielter Verhandlungen gibt es bisher keine Einigung, die Region einfach zu entmilitarisieren.

In Kaschmir hat die jetzige indische Regierung sich zu Gesprächen mit von Pakistan geförderten Separatisten bereit erklärt. Das ist zunächst anerkennenswert, denn sie hat sich damit über Bedenken von Hardlinern im eigenen Lager hinweggesetzt. Noch mehr Vertrauen bei der Bevölkerung in Kaschmir hätte ein konsequentes Durchgreifen gegen Menschenrechtsverletzungen durch die indische Armee geschaffen. Der halbherzige Ansatz lässt in Kaschmir die Zweifler nicht verstummen, die Indien nur ein Täuschungsmanöver vorwerfen.

Ähnlich ist es mit der Terror-Bekämpfung in Pakistan. Sicher, eine Organisation wie Lashkar-e-Tayyaba ist dort verboten worden. Aber ein systematisches Vorgehen sieht anders aus, ganz zu schweigen von einer Bildungspolitik, die den radikalen Koranschulen endlich den Boden entzieht.

Anstoß von außen nötig

Wenn der Friedensprozess weitergehen und wirklich etwas erreichen soll, müssen deutliche Zeichen und Zugeständnisse von beiden Seiten kommen, die endlich Vertrauen schaffen. Leider ist derzeit nur Rechthaberei zu hören.

Ein Anstoß kann auch diesmal wieder von außen kommen. Es waren nicht zuletzt die USA, die Inder und Pakistaner 2003 an den Verhandlungstisch zurückgebracht hatten - aufgeschreckt durch das nukleare Säbelrasseln 2002 und im Bestreben um gute Beziehung mit beiden Ländern, um einerseits den Terrorismus zu bekämpfen und andererseits den chinesischen Einfluss in Asien zu begrenzen. Erste Reaktionen aus Washington signalisieren, dass die Administration nicht glücklich ist über den Stillstand in Südasien.

Doch Frieden zwischen Indien und Pakistan werden die Amerikaner nicht schaffen können. Jetzt wäre die Stunde der Zivilgesellschaften in beiden Ländern, die den Scharfmachern in Medien und Politik widersprechen und für mehr Mut und Konsequenz im Friedensprozess werben müssten.

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