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Friedliche Revolution in Deutschland und Europa

21. März 2024

Geschichte im Klassenzimmer: eine neue Wanderausstellung über die jüngere deutsch-europäische Vergangenheit – nicht nur für deutsche Schülerinnen und Schüler.

Jubelnde Menschen stehen 1989 auf der Berliner Mauer am Brandenburger Tor, dem Symbol der Deutschen Einheit. Sie schwenken die schwarz-rot-goldene Deutschland-Fahne und halten ein Transparent mit der Aufschrift Deutschland einig Vaterland" in den Händen.
Jubelnde Menschen auf der Berliner Mauer am Brandenburger Tor im Winter 1989Bild: dpa/picture alliance

Die Ausstellung "Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" ist ein kompakter Rückblick auf eine Epoche, in der ein Land und ein ganzer Kontinent geteilt waren. Ost und West waren Synonyme für den Systemkampf zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Es geht um eine Zeit, in der mitten durch Deutschland und Europa trennende, unüberwindbar scheinende Grenzen verliefen.

Sie wurden niedergerissen, als sich 1989/90 Millionen mutige Menschen in der damaligen DDR, in Polen, Ungarn und vielen anderen Ländern friedlich ihre Freiheit und die Demokratie erkämpften. Konzipiert wurde die Ausstellung von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Das Kürzel SED steht für Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die das Machtzentrum der DDR war.

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Die wichtigste Zielgruppe der Ausstellung: junge Menschen. Deshalb fand die Präsentation in einer Berliner Oberschule statt. Teenager des Heinrich-Hertz-Gymnasiums tauchten in die Geschichte ihrer Eltern oder Großeltern ein. Denn die haben das Ende dieser als Kalter Krieg bezeichneten Ära hautnah miterlebt.   

Der letzte Mauertote war fast noch ein Schüler

Historische Ereignisse sind auf sechs großflächigen Plakaten dargestellt – in Form von Fotos, Kalenderblättern, kurzen Texten und QR-Codes für weiterführende Videos. Darunter ist natürlich der 9. November 1989, als die Berliner Mauer fiel. Aber auch der 5. Februar desselben Jahres – der Tag, an dem Chris Gueffroy von Grenzsoldaten bei einem Fluchtversuch von Ost- nach West-Berlin erschossen wurde.

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Der 20-Jährige war das letzte Opfer des DDR-Schießbefehls an der innerdeutschen Grenze. Jön Zenner vom Heinrich-Hertz-Gymnasium ist 17 und hat sich mit der deutschen Teilung so richtig erst im Geschichtsunterricht auseinandergesetzt. "In der Familie habe ich zu dem Thema eher weniger Gespräche geführt", erzählt er.

Es habe lange keinen Anlass gegeben, darüber zu reden. Jöns Vater stammt aus dem Westen Deutschlands, die Mutter aus Hongkong. "Das ist also nicht so, dass wir in Berlin leben und der eine aus dem Osten und der andere aus dem Westen kommt", sagt der angehende Abiturient. 

Ost und West spielen keine große Rolle mehr

Gemeinsam mit Marla Böhme hat er sich im Politikunterricht besonders mit dem chronologisch letzten Thema der Ausstellung beschäftigt: Jugend im vereinten Deutschland. Über sie heißt es in der Shell-Jugendstudie von 2019: "Die Unterschiede zwischen Ost und West, zwischen männlichen und weiblichen Jugendlichen, sowie zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund, werden eher kleiner als größer."

Jön Zenner (l.) und Marla Böhme erleben Ost und West als Einheit, nicht als GegensatzBild: Marcel Fürstenau/DW

Eine neue Generation von Jugendlichen

Die 16-jährige Marla kann das aus ihrer Sicht bestätigen: "Ich hatte vorher schon das Gefühl, dass in unserer Generation nicht mehr die größten Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Jugendlichen auftreten. Und das Plakat hat es mir nur noch verdeutlicht."

Mit Jön ist sie sich einig, dass die Ausstellung sehr gut für den Schulunterricht geeignet ist. "Ich finde es schon sinnvoller, als es zum Beispiel auf dem Handy darzustellen", sagt Marla. Der Grund: Auf dem Handy bestehe nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. "Und ich glaube, dass die Leute sich nicht wirklich darauf konzentrieren würden. Wenn es ausgestellt ist, hat man mehr den Fokus darauf."

Der Lehrer ist von seinen Schülerinnen und Schülern begeistert

Ihr Lehrer, Alexander Buchholtz, ist beeindruckt vom Interesse seiner Schülerinnen und Schüler. "Die haben diese Plakate bekommen und sollten dazu recherchieren und sie dann hier vorstellen", beschreibt der 42-Jährige die von ihm gestellte Aufgabe. "Die hatten tolle Ideen", schwärmt Buchholtz, der Geschichte, Politik und Sport unterrichtet.

Geschichtslehrer Alexander Buchholtz (l.), Anna Kaminsky von der Stiftung Aufarbeitung (6.v.l.) und der Politik-Kurs des Heinrich-Hertz-Gymnasiums präsentieren die Ausstellung "Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" Bild: Uli Mählert/Bundesstiftung Aufarbeitung

Als Beispiel nennt er das Plakat, auf dem es um den Vergleich zwischen Jugendlichen in Ost und West geht. Da hätten sie sich mehr als die eine Shell-Jugendstudie gewünscht. Die Begründung: "Wenn man eine Entwicklung nachzeichnen möchte, wäre es sinnvoll, wenn man verschiedene Jugendstudien miteinander vergleichen würde." Und davon abgeleitet ließen sich Fragen wie diese beantworten: "Ist es vielleicht im Jahr 2019 anders als im Jahr 2009?"

Hoffnungen und Befürchtungen der Eltern

Die Bundestiftung Aufarbeitung freut sich über die positive Resonanz auf ihr neustes Bildungsangebot. Natürlich sei das Thema für die heutige Schüler-Generation unendlich weit weg, sagt Direktorin Anna Kaminsky. "Aber es ist genau das, woran sich ihre Eltern erinnern, als sie jung waren." Und sie würden erzählen, welche Hoffnungen man damals hatte oder welche Befürchtungen. 

Bild: Bundesstiftung Aufarbeitung

Das gilt auch für Menschen in anderen Ländern, die sich in den 1980er Jahren den Weg in die Freiheit erkämpft haben. Ein Plakat der Ausstellung heißt "Ostmitteleuropa befreit sich". Darauf ist ein grafisch hervorgehobenes Zitat zu sehen: "Die erste Mauer, die fiel, wurde 1980 auf den Danziger Werften eingerissen. Später kamen dann die symbolischen Mauern an die Reihe, und die Deutschen brachten in Berlin die richtige Mauer zum Einsturz."

Lech Wałęsa und Solidarność waren frühe Wegbereiter

Diese Sätze stammen von dem Elektriker Lech Wałęsa, der im kommunistischen Polen von 1980 bis 1990 Vorsitzender der Gewerkschaft Solidarność war und danach bis 1995 Staatspräsident des demokratischen Polens. Für seine Verdienste um Freiheit und Demokratie wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

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Gut drei Jahrzehnte nach dem Umbruch in Deutschland und Europa versucht Russland, mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine das Rad der Geschichte gewaltsam zurückzudrehen. Das zeigt, wie fragil und gefährdet Demokratien sein können. Weil sie von machthungrigen, skrupellosen Machthabern wie Wladimir Putin bekämpft werden oder von Rechtsextremisten.

Wie kann man die Demokratie vor ihren Feinden schützen?

Die Ausstellung "Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" lässt sich auch vor diesem Hintergrund betrachten. Und sie kann zum Nachdenken anregen: Wie konnte es dazu kommen? Was kann man tun, um die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen?

Das Interesse an der Ausstellung ist groß: Schon über 500 Schulen, Bibliotheken und Archive haben das kompakte Poster-Set mit sechs Plakaten bestellt. Darunter sind auch Anfragen aus Frankreich, Großbritannien und den USA. Die Text-Tafeln gibt es auf Deutsch, Englisch und Französisch.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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