1,7 Millionen Menschen haben an der Großkundgebung in Hongkong teilgenommen. Diesmal blieb es bei den Protesten gegen gegen die pekingtreue Regierung friedlich. US-Präsident Trump warnt China vor dem Einsatz von Gewalt.
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Die meist schwarz gekleideten Teilnehmer versammelten sich im strömenden Regen auf Fußballfeldern im ausgedehnten Victoria Park - aber auch in den umliegenden Straßen drängten sich zahlreiche Demonstranten. Sie trugen Transparente mit Aufschriften wie "Freiheit für Hongkong!" und "Demokratie jetzt!". Zu der Kundgebung aufgerufen hat die Menschenrechtsgruppe CHRF.
Die Organisation meidet Konfrontationen mit der Polizei und war die treibende Kraft hinter den Rekord-Kundgebungen im Juni und Juli mit mehreren hunderttausend Teilnehmern. Die Aktivisten wollen mit der Großdemonstration am Sonntag deutlich machen, dass ihre Bewegung trotz zunehmender Gewalt und schärfer werdender Drohungen Pekings immer noch breite Unterstützung in der Öffentlichkeit findet. "Vernünftig" und "gewaltlos" sollte der Protest ablaufen, hatten die Organisatoren im Vorfeld angekündigt.
Terrorismus-Vorwurf aus Peking
Bereits am Samstag waren Tausende von Lehrern auf die Straßen gegangen. Der Marsch war nach den jüngsten Ausschreitungen ungewöhnlich ruhig geblieben. Bei einer kurzen Konfrontation zwischen Polizei und Demonstranten in der Nacht vor einer Polizeiwache wurde kein Tränengas eingesetzt. Zuvor hatte es auch eine deutlich größere Kundgebung zur Unterstützung der Hongkonger Regierung gegeben. Die Organisatoren sprachen von 476.000 Teilnehmern, die Polizei lediglich von 108.000.
Die seit zehn Wochen andauernden Proteste haben die chinesische Sonderverwaltungszone in eine schwere Krise gestürzt. Aus dem Widerstand gegen ein inzwischen ausgesetztes Auslieferungsgesetz, das Überstellungen von Verdächtigen an Festland-China vorsah, hat sich inzwischen eine Massenbewegung für Demokratie entwickelt. Immer wieder kam es dabei zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten. Hongkong gehört seit dem Abzug der Briten 1997 wieder zu China, und hat als Sonderverwaltungszone noch bis 2047 umfangreiche Sonderrechte garantiert bekommen. Viele Hongkonger fürchten nun darum.
Die chinesische Regierung drohte den Demonstranten zuletzt immer unverhohlener. Erst hatte sie die Proteste für mehr Demokratie einfach verschwiegen, dann brachte sie die Demonstranten mit "Terrorismus" in Verbindung und schickte Truppen an die Grenze. Inzwischen wächst die Angst vor einem chinesischen Militäreinsatz.
Mahnung aus Brüssel
Die Europäische Union ist zunehmend besorgt über die Entwicklung in Hongkong. In einer Erklärung der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini heißt es, es müssten dringend und schnell Schritte zur Deeskalation unternommen werden. Zudem sei es wichtig, dass die Konfliktparteien miteinander ins Gespräch kämen.
Die EU mahnt, die rechtlich verankerten Bürgerrechte in Hongkong nicht anzutasten. Das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme", das Hongkong einen hohen Grad an Unabhängigkeit gewähre, müsse erhalten bleiben, erklärte die EU-Außenbeauftragte im Namen aller EU-Außenminister. Europa habe starkes Interesse an Stabilität und Wohlstand in Hongkong.
Trump hofft aus "glückliches Ende"
Nicht nur die Hongkonger Stadtregierung sondern auch die Demonstranten ruft die EU zur Mäßigung auf. In den vergangenen beiden Monaten hätten viele Bewohner der Stadt ihr fundamentales Versammlungsrecht wahrgenommen, schreibt Mogherini. Allerdings habe es zuletzt eine steigende Zahl inakzeptabler gewaltsamer Zwischenfälle mit dem Risiko weiterer Gewalt und Instabilität gegeben.
US-Präsident Donald Trump legte Chinas Präsidenten Xi Jinping nahe, sich mit den Demonstranten in Hongkong zu treffen. Er habe keinen Zweifel daran, dass das "Hongkong-Problem" ein "glückliches" Ende nehmen werde, wenn Xi sich persönlich mit den Demonstranten treffe, schrieb Trump auf Twitter. Später sagte Trump, er sei besorgt über ein mögliches gewaltsames Vorgehen der chinesischen Seite gegen die Demonstranten. Eine Niederschlagung der Proteste wie auf dem Pekinger Tiananmen-Platz 1989 würde die Handelsgespräche zwischen China und den USA schwer belasten, sagte Trump.
pgr/rb/ni (rtr, dpa, afp)
Protest in Hongkong: Was bisher geschah
Aus einem Protest gegen einen umstrittenen Gesetzentwurf wurde ein Volksaufstand gegen die Zentralregierung. Die Lage in Hongkong war in den vergangenen Wochen unruhig. Ein Rückblick in Bildern.
Bild: Reuters/T. Siu
Umstrittener Gesetzentwurf
Im April brachte die Hongkonger Stadtverwaltung einen umstrittenen Gesetzesentwurf ins Parlament ein. Festgenommene Tatverdächtige in Hongkong sollen nach dem Entwurf ans Festlandchina ausgeliefert werden dürfen. Kritiker sehen Hongkongs Autonomie in Gefahr. Am 9.Juni fand die erste große Demonstration statt, an der schätzungsweise über eine Million Menschen teilnahm.
Bild: picture-alliance/AP PHoto/V. Yu
Parlament vertagte Lesung
Am 12. Juni wurde die zweite Lesung des Gesetzentwurfs kurzfristig abgesagt, weil Demonstranten das Parlamentsgebäude umzingelt hatten. Mit Tränengas und Gummigeschossen räumte die Polizei das Gelände. Regierungschefin Carrie Lam verurteilte den "Aufruhr". Dieser Tatbestand ist in Hongkong strafbar. Später zog Lam den Gesetzesentwurf zurück.
Bild: Reuters/T. Siu
Plenarsaal im Parlament gestürmt
Doch dieser Schritt konnte den Unmut nicht besänftigen. Demonstranten fordern die Einstellung des Gesetzgebungsverfahrens, keine Strafverfolgung wegen "Aufruhr" sowie den Rücktritt der Regierungschefin. Am 1. Juli, dem 22. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China, stürmten die Demonstranten den Plenarsaal im Parlament und beschmierten das Wappen von Hongkong (Bild).
Bild: Getty Images/AFP/V. Prakash
Demonstranten fordern Peking heraus
Die chinesische Zentralregierung wird als Drahtzieher hinter dem Gesetzesvorhaben vermutet. Kritiker glauben, dass Peking den demokratischen Prozess in Hongkong absichtlich verhindert wie die Direktwahlen des Stadtverwalters und sämtlicher Parlamentssitze. Am 21.Juli wurde das Verbindungsbüro der Zentralregierung attackiert und Chinas Staatswappen beschmiert.
Bild: picture-alliance/AP Photo/B. Yip
Prochinesische Schlägertruppe
Später am gleichen Tag attackierte eine große Schlägertruppe in einer U-Bahn-Station Teilnehmer der Demonstration, die nach Hause fahren wollten. Die Polizei traf sehr spät ein, so dass der Eindruck entstand, die Polizei möchte gar nicht eingreifen. Augenzeugen berichteten, Polizisten hätten lediglich "zugesehen". Später wächst auch Unzufriedenheit gegenüber den Ordnungshütern in Hongkong.
Bild: Reuters/Stand News/Social Media
Bewegung zivilen Ungehorsams
Die Protestler in Hongkong haben den Geist des indischen Widerstandskämpfers Mahatma Gandhi neu entdeckt und starteten die sogenannte Kampagne der Nichtkooperation. So wurde in Morgenstunden am 30.Juli der öffentliche Verkehr teilweise lahmgelegt, da viele Menschen die Türbereiche in den U-Bahnen nicht frei machten.
Bild: Reuters/T. Siu
Katz-und-Maus-Spiel
Um die Polizei nicht schnell auf den Plan zu rufen, entwickelten die Demonstranten in den sozialen Netzwerken eine Flashmobtaktik. Anonyme und überraschende Versammlungen fanden an mehreren Orten zeitgleich statt. Die Menschen blockierten am ersten Augustwochenende wichtige Verkehrsstraßen sowie einen der drei Unterseetunnel.
Bild: Reuters/K. Kyung-Hoon
Generalstreik
Am 5. August kam es in Hongkong zum Generalstreik. Das öffentliche Leben in der südchinesischen Metropole lag lahm. Zuvor hatten sich auch die Beamten versammelt und kritisch über ihren Dienstherrn, Verwaltungschefin Carrie Lam, geäußert. Lam selbst will nicht zurücktreten und bekräftigt ihre Unterstützung durch die Zentralregierung.
Bild: picture-alliance/AP Photo/V. Thian
Hongkonger Flughafen stellte Betrieb ein
Zwei Tage hintereinander musste der Hongkonger Flughafen aufgrund Massendemonstration im Terminalgebäude den Flugbetrieb am 12. und 13. August teilweise einstellen. 300.000 Passagiere waren gestrandet. Experten bezifferten die Schäden auf zwei Milliarden Euro. Nach einem Gerichtsbeschluss darf im Terminal weiter demonstriert werden, allerdings nur in den ausgewiesenen Flächen.
Bild: REUTERS
Peking schickt Truppen an die Grenze
Zwar darf die Verwaltungschefin Lam bei größeren Unruhe die Zentralregierung um Einsatz chinesischer Soldaten bitten. Aber sie hat mehrfach bekräftigt, dass sie dies nicht tun würde. Um die Demonstranten abzuschrecken, schickt Peking gepanzerte Fahrzeuge an die Grenze zu Hongkong und veröffentlicht Videos von Militärübungen, die zeigen, wie bewaffnete Soldaten gegen Demonstranten vorgehen.