1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Friedrich Merz prescht beim Thema Asyl vor

22. November 2018

Speed-Dating mit der Basis, Wettkampf oder Erklär-Abend? Die Vorstellungsrunden der Kandidaten für den CDU-Vorsitz sind ein eigenes Format. Beim dritten Aufeinandertreffen stellt Merz das Grundrecht auf Asyl infrage.

Thüringen Hessen - CDU-Regionalkonferenz
Die aussichtsreichsten Kandidaten für den künftigen CDU-Vosritz: Jens Spahn (links), Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich MerzBild: picture-alliance/dpa/arifoto UG/M. Reichel

"Diese Veranstaltung ist befreiend." Eigentlich will Wilhelm Gebhard, Bürgermeister des Städtchens Wanfried in Osthessen, den drei Kandidaten für die Merkel-Nachfolge an der CDU-Spitze nur eine Frage stellen. Aber er ist nicht der einzige unter 500 Teilnehmern an diesem kalten Novemberabend in Thüringen, für den die Konkurrenz von drei Spitzenleuten schon ein Zeichen von Aufbruch ist. "Wir haben ja nun neue Zeiten", sagt ein anderer bei dem Treffen im Klubhaus von Seebach.

Die Regionalkonferenz bleibt ein eigenes Format. Schaulaufen, Wettkampf, Rallye, Speed-Dating mit der Basis, hieß es vor dem Auftakt in Lübeck. Im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein sprach der Moderator von einer "Gameshow", und die "Bild"-Zeitung von einem "Zirkus". Dabei stehen Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn zwar als Konkurrenten auf der Bühne. Aber zumeist reden sie nicht gegeneinander, sondern sie erläutern einer gespannten, aufmerksamen Basis Politik zwischen Wünschen und Realitäten. Auch in Seebach sprechen die drei nicht selten von "wir" oder "uns", wenn sie reden.

Flüchtlinge und Sicherheit

Während das Thema Flüchtlinge, das die Unionsparteien so umtreibt, bei den ersten beiden Treffen nicht zu den Kernthemen zählte, ändert sich das in Thüringen. Nach 75 Minuten fragen zwei Frauen, wann es wieder Sicherheit gebe auf deutschen Straßen. Man höre von so vielen Vorfällen. Ein dritter Fragesteller legt nach.

Bild: picture-alliance/dpa/arifoto UG/M. Reichel

"Die CDU muss wieder die Partei des Rechtsstaats und der Rechtstreue werden", sagt Merz, der als Erster antwortet und lange spricht. Man hätte doch nationale Grenzen "nur aufgeben" dürfen, wenn die europäischen Außengrenzen geschützt worden wären. So müsse man "wenigstens für eine gewisse Zeit" die Grenzen kontrollieren, "damit wir wissen, wer in das Land kommt". Daneben fordert der Politik-Rückkehrer eine konsequentere Abschiebepraxis, verpflichtendes Erlernen der deutschen Sprache im Kindesalter, mahnt Muslime, im eigenen Lager mehr für Religionsfreiheit einzutreten.

Werkstatt und Abschiebungen

Kramp-Karrenbauer verquickt ihre knappere Antwort mit der Diesel-Krise und kündigt erneut an, den Umgang mit der Flüchtlingskrise Anfang nächsten Jahres bei einem großen CDU-Werkstattgespräch aufarbeiten zu wollen. Auch sie mahnt die strikte Abschiebung von Straftätern an.

Spahn schaut - wie Merz - auf Religion und politisches Handeln. Die "größte Aufgabe, die wir in den nächsten Jahren vor uns haben", sei die Rückführung von Hunderttausenden Ausreisepflichtigen. Man müsse das "Recht durchsetzen" und "Abschiebungen durchführen". Und Spahn kritisiert, dass der türkische Präsident Erdogan die Moschee in Köln eröffnete. Wenn, dann komme dies dem deutschen Bundespräsidenten zu.

Aber Merz geht noch weiter, in der Frage des UN-Migrationspaktes. Da geht es um sehr aktuelle Politik - am 7. Dezember will die CDU die Merkel-Nachfolge klären, vier Tage später muss Kanzlerin Merkel in Marokko den Pakt unterzeichnen. Am Vorabend hatte Mitbewerber Spahn die bisherige Debatte über die Grundsätze zum Umgang mit Flüchtlingen und Migranten kritisiert. Als Kanzlerin Merkel dann am Mittwochmorgen im Bundestag den weltweiten Vertrag vehement verteidigte, wirkte das auch wie ein Rüffel gegen Spahn.

Um ihre Nachfolge wird konkurriert: Am 7. Dezember stimmt die CDU über Merkels Nachfolger/in abBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Individualrecht auf Asyl abschaffen?

Nun, in der beschaulichen Thüringer Idylle ist Berlin weit weg, Berliner Politik dann aber doch sehr nah. Denn plötzlich rüttelt Merz, wieder in ruhig-nachdenklichem Ton, an einer fest verankerten Vorgabe der deutschen Politik. Vom Migrationspakt kommt er auf das deutsche Asylrecht, das im Grundgesetz verankerte Individualrecht auf Asyl. "Ich bin schon seit langem der Meinung, dass wir darüber nachdenken müssen", sagt er. Sonst werde ein europäisches Asylrecht nicht gelingen.

Was Merz formuliert, zielt auf eine Änderung des Asylrechts, wie es die Väter und wenigen Mütter des Grundgesetzes nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus formuliert hatten. Sein Vorstoß steht im Raum. Er hat das Zeug dazu, parteiübergreifend zu polarisieren - aber keiner der beiden Mitbewerber geht in den verbleibenden 60 Minuten darauf ein. Aber seit diesem Moment ist klar, dass Merz sich in einem wichtigen Punkt inhaltlich von Kramp-Karrenbauer und auch Spahn unterscheidet.

Minuten später stellte übrigens Bürgermeister Wilhelm Gebhard aus Wanfried seine Frage. Seiner Sachfrage zu einem kommunalpolitischen Thema schloss Gebhard, gewiss spontan, noch eine Frage an, die bei keiner der bisherigen Regionalkonferenzen, weder in Lübeck noch in Idar-Oberstein, aufkam. Ob denn, fragte er, künftig alle Parteimitglieder und nicht nur ein Bundesparteitag den neuen Vorsitzenden wählen könnten? Eine Antwort bekam er darauf allerdings nicht.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen