Friedrich Merz rückt dem Kanzleramt näher - mit Hürden
23. Februar 2025
Hitziges Scheinwerferlicht, Jubel, anhaltender Beifall. In der CDU-Zentrale in Berlin feierten Parteimitglieder und -anhänger das Abschneiden der Union. Mit 28,5 Prozent aller Stimmen bei den vorgezogenen Bundestagswahlen an diesem Sonntag wird sie stärkste Fraktion im 21. Deutschen Bundestag.
Aber der Spitzenkandidat Friedrich Merz, der als Bundeskanzler die nächste Bundesregierung anführen will, wurde dann ganz schnell ernst. Nun gehe es vor allem darum, "eine handlungsfähige Regierung zu schaffen, so schnell wie möglich, mit einer guten parlamentarischen Mehrheit". Denn "die Welt da draußen wartet nicht auf uns." Und sie warte auch nicht auf langatmige Koalitionsgespräche und Verhandlungen.
"Rambo-Zambo machen"
Aber, so der CDU-Chef, an diesem Abend werde man feiern. Das Adenauer-Haus sei so voll wie nie. Die Parole für diesen Abend hatte Merz bereits zwei Tage zuvor beim CDU-Wahlkampfabschluss im nordrhein-westfälischen Oberhausen ausgegeben.
"Rambo Zambo gibt es erst am Sonntagabend, liebe Freundinnen und Freunde", verkündete er da vor jubelnden Anhängern. "Dann wird kurz gefeiert. Und dann geht's, Ärmel aufkrempeln, an die Arbeit." Das griff er nun nach der Wahl selbst auf. "Jetzt darf auch mal Rambo-Zambo gemacht werden."
Dabei ist der Ausgang der Bundestagswahl für Merz gewiss kein Grund zu ausgelassenem Jubel. Die Unionsfraktion, das Bündnis der beiden C-Parteien CDU und CSU, wird zwar stärkste Fraktion im neuen Parlament, dem 21. Deutschen Bundestag, doch das Ergebnis entspricht nicht den Erwartungen. Immer wieder war von der Partei, und auch von Merz, ein Ergebnis über 30 Prozent angepeilt worden. Nun wird es das zweitschlechteste Ergebnis seit 1949, allein 2021 war es nach einem Pannen-Wahlkampf noch schwächer.
Bei der nachmittäglichen Ankunft der Parteigrößen aus den Bundesländern verschwanden die meisten mit ihren Dienstwagen in der Tiefgarage des Adenauer-Hauses. Thomas Strobl, Innenminister in Baden-Württemberg, stieg - da waren es bis zur Schließung der Wahllokale noch 30 Minuten - aus dem Auto aus und sagte auf die Frage, ob das ein schöner Tag sei, vielsagend einsilbig "noch". Und bald nach der Prognose äußerte sich Unions-Fraktionschef Thorsten Frei vor der DW-Kamera sichtlich enttäuscht.
Der lange Weg des Friedrich Merz
Und doch ist dieser Abend der späte Triumph des CDU-Politikers Merz. Einst, bei der Bundestagswahl 1994, war er als Hoffnungsträger ins Parlament gestartet. In der Fraktion fiel er rasch als guter und scharfer Redner auf. Seit dem Jahr 2000 war er Fraktionschef der Union im Bundestag und damit Oppositionsführer.
Doch dieses Amt musste Merz 2002 an die damalige CDU-Vorsitzende Angela Merkel abgeben, die ihn ausbootete und drei Jahre später Bundeskanzlerin wurde. Ihr Aufstieg bedeutete seinen Abstieg und Ausstieg. Merz blieb, ohne große Rolle, bis 2009 im Bundestag und kandidierte dann nicht mehr. Sein Abschied aus der Politik wurde zu einem Aufstieg in der freien Wirtschaft. Von 2005 bis 2021 gehörte er einer internationalen Anwaltskanzlei an und übernahm Spitzenposten in Aufsichts- und Verwaltungsräten. Von 2016 bis 2020 war er Aufsichtsratsvorsitzender des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock in Deutschland. Merz ist Millionär und reist zu Terminen gelegentlich als Pilot im eigenen kleinen Flugzeug an.
Aus dem Sauerland nach Berlin
Erst 2021 kehrte Friedrich Merz in den Bundestag zurück und schaffte es 2022 auch an die Spitze der CDU. Der Westfale aus dem Sauerland - ein Mittelgebirge im Westen Deutschlands - ist Jurist wie schon sein Vater, Katholik, Fan von Borussia Dortmund. Bis heute lebt er nicht weit entfernt von seinem Geburtsort im Sauerland.
Auf der improvisierten Bühne in der völlig überfüllten Parteizentrale umringten fast nur jüngere Mitstreiter ihren Spitzenmann, den Kanzlerkandidaten. Im Fall seiner Wahl wäre der 69-Jährige der bei Amtsantritt älteste Bundeskanzler seit Konrad Adenauer, dem ersten Regierungschef von 1949-1963.
Merz hofft darauf, noch vor der Osterpause Mitte April eine Koalition bilden zu können. "Wir müssen schnell handlungsfähig werden", sagte er. Klar ist: Er will einen "Politikwechsel" in der Wirtschafts- und der Migrationspolitik in Deutschland. Er strebt eine Steuerreform und einen Bürokratieabbau an, um das Wirtschaftswachstum im Land anzukurbeln.
Außenpolitisch setzte er bereits während der letzten Tage vor der Wahl Zeichen. Einerseits ging er deutlich auf Distanz zur EU-kritischen Rede des US-Vizepräsidenten JD Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz, mit dem er sich am Rande der Konferenz austauschte.
Merz kritisierte Trumps Abkehr von der Unterstützung der Ukraineangesichts des russischen Angriffskriegs. Er signalisierte Kyiv weitere Unterstützung und will dafür die Europäer einen. Falls er zum Kanzler gewählt wird, will er an seinem ersten Arbeitstag Paris und Warschau besuchen und damit das besondere Verhältnis der drei Länder betonen und wieder stärken.
Merz und die harten Worte
Wenn er denn Kanzler ist. Noch bis zum Tag vor der Wahl sorgte Merz bei den möglichen Koalitionspartnern links von der Union für Verärgerung und Empörung. Dafür sorgte zunächst Ende Januar sein Kurs bei Abstimmungen im Bundestag, durch den erstmals überhaupt ein Antrag mit den Stimmen von Union und der in Teilen rechtsextremen AfD beschlossen wurde.
Einen Tag vor der Wahl legte Merz nach. Beim Abschluss des Wahlkampfes in München bezeichnete er Demonstranten gegen Rechtsextremismus als "Spinner". Und dann beschrieb jene, für die er Kanzler werden wolle: "… für die Mehrheit, die gerade denken kann. Und die auch noch alle Tassen im Schrank haben ..." Der Saal in München jubelte.
Einen Tag später, gut 30 Minuten nach Schließung der Wahllokale, wandte er sich an "die politischen Mitbewerber": "Wir haben einen sehr harten Wahlkampf geführt." Das sei "wichtig gewesen für die Auseinandersetzung mit Themen". Nun gelte es, nach vorn zu schauen.