1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Friedrich Merz reist selbstbewusst zu Donald Trump

Veröffentlicht 5. Juni 2025Zuletzt aktualisiert 5. Juni 2025

Bei seinem Antrittsbesuch in Washington will der Bundeskanzler nicht als Bittsteller auftreten. Doch US-Präsident Trump bleibt ein schwieriger Partner für ihn.

USA Washington 2025 | Bundeskanzler Friedrich Merz steigt aus einem Flugzeug der Flugbereitschaft aus
Kanzler Friedrich Merz bei seiner (nächtlichen) Ankunft in WashingtonBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Sie haben inzwischen die privaten Handynummern des jeweils anderen und reden sich mit Donald und Friedrich an. Aber außer einer flüchtigen Begegnung vor Jahren in New York hat es noch kein Treffen der beiden gegeben. Jetzt macht der neue Bundeskanzler Friedrich Merz von der konservativen CDU seinen Antrittsbesuch bei Donald Trump in Washington. Als besondere Ehre gilt, dass Merz in Blair House direkt neben dem Weißen Haus untergebracht wird. Hier nächtigten schon die britische Königin Elizabeth und Frankreichs Staatschef Charles de Gaulle.

Dabei ist es erst wenige Wochen her, dass sich Merz mächtig über Trump aufgeregt hat. Der hatte zusammen mit Vizepräsident JD Vance den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor den Augen der Weltöffentlichkeit bloßgestellt und ihm eine Mitschuld am Krieg Russlands gegen sein Land gegeben.

Merz zeigte sich entsetzt von der Szene im Weißen Haus im Februar, in der Trump den ukrainischen Präsidenten Selenskyj (r.) abkanzeltBild: Saul Loeb/AFP/Getty Images

Auch dass Vance und andere Trump-Leute Sympathien für die in Teilen rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland gezeigt haben, fand Merz übergriffig.

Merz: "Man muss sich auf ihn einlassen"

Der Bundeskanzler hat kürzlich über seine Empfindungen vor dem Washington-Besuch gesprochen und erzählt, wie sein erstes Telefongespräch mit Donald Trump verlaufen ist. Beim "Europaforum" des Westdeutschen Rundfunks (WDR) sagte er: "Wichtig ist immer, dass man nicht so lange redet, sondern dass man kurz redet und ihn auch reden lässt." Jedes zweite bis dritte Wort des Präsidenten sei "great" gewesen. "Man muss sich auf ihn einstellen und auf ihn einlassen. Und gleichzeitig darf man sich nicht kleiner machen, als wir sind", sagte Merz. "Wir sind da keine Bittsteller."

Zu Selbstbewusstsein für sein Gespräch mit Trump rät auch Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München. Dem Sender NDR info (Norddeutscher Rundfunk) sagte Masala: "Er muss bestimmt auftreten, aber gleichzeitig Trump beständig das Gefühl geben, dass er ein großer Staatsmann ist, der eine richtige Vision hat. Dieses Umschmeicheln mit europäischem Selbstbewusstsein, glaube ich, ist die adäquate Strategie, die allerdings noch kein Garant dafür ist, dass sie letzten Endes Erfolg haben wird."

Deutschland hat einiges an Hausaufgaben gemacht

Es dürfte bei den Gesprächen in Washington um vor allem drei große Themen gehen: den Ukraine-Krieg, den Zollstreit und die Frage des europäischen Sicherheitsbeitrags.

Beim letzten Thema kann Merz inzwischen einiges vorweisen. Trump hat sich wiederholt über zu geringe Verteidigungsausgaben einiger europäischer NATO-Partner, darunter Deutschland, beklagt und gedroht, den Schutz der USA zurückzuziehen. Jetzt kann Merz sagen, dass Deutschland massiv aufrüsten will: Fünf Prozent seiner Wirtschaftsleistung sollen in Zukunft dahin fließen, 3,5 Prozent direkt für das Militär und 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Infrastruktur.

Für die Aufrüstung der Bundeswehr wurde sogar die Schuldenbremse im Grundgesetz gelockertBild: Fabrizio Bensch/REUTERS

Deutschland will außerdem mehr europäische Führung übernehmen. Bester Beweis war der von Merz angeregte gemeinsame Unterstützungsbesuch der Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen in Kyjiw. Auch das kommt der amerikanischen Forderung entgegen, dass sich Europa um seine eigenen sicherheitspolitischen Angelegenheiten kümmern soll. Merz und andere europäische Regierungschefs hoffen im Gegenzug, zusammen mit den USA den Druck auf Russlands Präsident Wladimir Putin zu erhöhen.

Beim Thema Zollstreit hat Merz kein Verhandlungsmandat, weil Handelspolitik Sache der EU ist. Aber Deutschland als Exportnation hat besonders unter Handelsbeschränkungen zu leiden. Noch an Merz' Abreisetag verdoppelten sich die US-Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium auf 50 Prozent. Der Kanzler dürfte sich sowohl bei Trump als auch in Brüssel dafür einsetzen, dass ein sich hochschaukelnder Handelskonflikt vermieden wird, bei dem alle verlieren.

Sind die USA in Europa auf dem Absprung?

Friedrich Merz ist eigentlich Transatlantiker durch und durch. Er dürfte versuchen, Donald Trump davon zu überzeugen, dass es auch im amerikanischen Interesse liegt, wenn die USA in Europa engagiert bleiben. Doch der Politikwissenschaftler Carlo Masala ist pessimistisch: "Ich glaube, die langfristigere Strategie, die man entwickeln kann, basiert auf der Annahme, dass die Vereinigten Staaten die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine verlassen werden und sich auch nicht mehr als europäische Macht definieren." Die Europäer müssten sich überlegen, was sie bereit seien zu leisten, wenn die USA als wichtigster Unterstützer der Ukraine wegfielen. "Und Tempo an den Tag zu legen, wenn es um die Frage der europäischen Verteidigungsfähigkeit und der Souveränität in der europäischen Verteidigungsfähigkeit geht. Das ist die langfristige Strategie."

In Ramstein unterhalten die USA einen ihrer größten ausländischen Militärstützpunkte. Wie lange noch?Bild: Kirill Kudryavtsev/AFP

Die Konflikte zwischen Deutschland und den USA sind vielfältig, und Friedrich Merz und Donald Trump sind sehr unterschiedliche Charaktere. Aber der Bundeskanzler ist entschlossen, dem Präsidenten offen zu begegnen. "Ich brauche keinen Baldrian, um ruhig zu bleiben und mit dem amerikanischen Präsidenten ein vernünftiges Gespräch zu führen", sagte er kürzlich im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF). Er dürfte allerdings auch einige schwierige Themen bewusst meiden, etwa die Sympathien der Trump-Administration für die AfD. Auch Außenminister Johann Wadephul hatte sich Bemerkungen dazu in Washington verkniffen.

Die Trumps aus der Pfalz

Mit der neuen Bundesregierung aus konservativer CDU/CSU und Sozialdemokraten ist auch ein neuer Stil in die Außenpolitik eingezogen. An der früheren grünen Außenministerin Annalena Baerbock wurde mitunter ein moralisierendes, belehrendes Auftreten kritisiert. Jetzt sollen wieder stärker gemeinsame Interessen und die Suche nach Kompromissen auch mit schwierigen Partnern in Vordergrund stehen. Zu denen zählt zweifellos die Regierung Trump.

Überraschungen sind bei Trump aber nie ausgeschlossen, meint Carlo Masala: "Friedrich Merz hat am Wahlabend das Richtige gesagt: Man kann sich auf die USA nicht mehr verlassen. Also, wenn Donald Trump heute das sagt, gibt es keinen Verlass, dass er morgen nicht genau das Gegenteil sagt und macht."

Das Stammhaus der Familie Trump im rheinland-pfälzischen Kallstadt - der Ort versteckt das Erbe eherBild: Michael Bermel/Eibner-Pressefoto/Imago

Noch vor seinem Antrittsbesuch in Washington hat Friedrich Merz den Präsidenten auch schon zu einem Besuch in der Heimat seiner Vorfahren eingeladen. Trumps Großvater Friedrich Trump stammte aus dem Winzerort Kallstadt in der Pfalz und wanderte in die USA aus. Bisher ist nicht bekannt, ob Trump schon zugesagt hat. Vielleicht will er abwarten, wie sein Gespräch mit Merz verläuft.