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Friedrichs Plauderei

Jeanette Seiffert26. Februar 2014

Die Affäre um den SPD-Politiker Edathy hat nun auch für Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ein juristisches Nachspiel: Gegen ihn wird offiziell wegen Geheimnisverrats ermittelt. Was steckt hinter dem Vorwurf?

Hans-Peter Friedrich am Handy - Foto: Wolfgang Kumm (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Hat der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im Oktober Dienstgeheimnisse verraten, als er den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel informierte, dass gegen den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy ermittelt wird? Mit dieser Frage befasst sich nun ganz offiziell die Berliner Staatsanwaltschaft.

Eigentlich genießt Friedrich als Bundestagsabgeordneter Immunität: Das heißt, er ist gegen Strafverfolgung geschützt. Wenn dieser Schutz aufgehoben werden soll, muss darüber in aller Regel der sogenannte Immunitätsausschuss entscheiden, ein spezielles Gremium des Bundestages. Im aktuellen Fall wurde die Immunität gegen Friedrich allerdings nicht explizit von diesem Gremium aufgehoben, sondern indirekt: Die Staatsanwaltschaft Berlin hat Bundestagspräsident Norbert Lammert Anfang der Woche darüber informiert, dass sie gegen Friedrich ermitteln will. Und weil Lammert nicht innerhalb von 48 Stunden widersprochen hat, haben die Ermittler nun freie Hand.

Minister sind nicht immun

Ein ganz normaler Vorgang, so Staatsrechtler Christian Pestalozza von der Freien Universität Berlin: "Man einigt sich in aller Regel zu Beginn der Legislaturperiode pauschal darauf, dass man aus Gründen der Einfachheit das Verfahren auf diese Weise verkürzt." Er gehe davon aus, dass Lammert den Immunitätsausschuss dazu befragt habe. "Da der Ausschuss offenbar keine Einwände hatte, ist die Immunität automatisch aufgehoben", sagte Pestalozza der DW. Da es in diesem Fall um Friedrichs Arbeit als Minister geht, spielt seine Immunität als Bundestagsabgeordneter aber ohnehin nur eine untergeordnete Rolle: Denn Minister genießen in Deutschland keine Immunität. "Vermutlich hat man das vorsorglich getan", glaubt Staatsrechtler Pestalozza.

Friedrich als unschuldiges Opfer?

Noch viel komplexer sind allerdings die Fragen, die sich auf politischer Ebene stellen: Warum musste mit Hans-Peter Friedrich ein CSU-Minister zurücktreten? Schließlich drehte sich die eigentliche Affäre doch um einen SPD-Abgeordneten, der sich möglicherweise kinderpornografisches Material besorgt hat. Und warum ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen Friedrich, der mit seinem Vorgehen nur Schaden von der neuen Bundesregierung abwenden wolle, die damals im Entstehen war? Denn Edathy galt als möglicher Kandidat für einen Regierungsposten. Der Fall und die Konsequenzen für den CSU-Mann Friedrich haben zu einer handfesten Koalitionskrise geführt.

Wer durfte wann mit wem über was sprechen? Hans-Peter Friedrich mit Thomas Oppermann (SPD)Bild: picture-alliance/dpa

Vor allem die Christsozialen zeigen sich verärgert darüber, dass einer ihrer Minister ausbaden muss, was ihnen Sozialdemokraten eingebrockt haben sollen. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer schäumte vor Wut - und nahm Friedrich nach dessen Rücktritt mit den Worten "Du hast die Solidarität der gesamten Partei" öffentlich in Schutz. Einige CSU-Politiker forderten, dass im Gegenzug Thomas Oppermann von der SPD zurücktreten müsse - weil er die Öffentlichkeit über Friedrichs Vorgehen informiert hatte.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sah sich daraufhin gezwungen, den Friedrich-Rücktritt wortreich zu bedauern: "Er hat mit Sicherheit das Beste gewollt, und er hat auch uns einen Gefallen getan. Deshalb ist das bitter heute." Doch wenn eigentlich alle richtig fanden, was er getan hat - warum wird nun gegen Friedrich ermittelt?

Ein "erschreckender Mangel an Rechtsverständnis"?

Der Grund findet sich im Bundesministergesetz: Dort steht unter Paragraf 6, dass ein Minister grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Er muss also alles vertraulich behandeln, was er im Rahmen seiner Amtsgeschäfte erfährt. Der Berliner Staats- und Verwaltungsrechtsexperte Ulrich Battis jedenfalls hält es für eindeutig rechtswidrig, dass Friedrich der SPD-Parteispitze die brisanten Informationen mitgeteilt hat. Er frage sich, woher Friedrich "die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nimmt, um das Amtsgeheimnis in diesem konkreten Fall aufzuheben", so Battis in der ARD.

Scharfe Kritik an Ex-Innenminister Friedrich: Linken-Politikerin Ulla JelpkeBild: Deutscher Bundestag / Lichtblick/Achim Melde

Die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion Ulla Jelpke hält die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft deshalb für eine logische Konsequenz: "Hans-Peter Friedrich bekommt jetzt die Quittung für sein Verhalten." Indem er ständig erkläre, richtig gehandelt zu haben, offenbare er einen "erschreckenden Mangel an Rechtsverständnis", so Jelpke.

Was wiegt schwerer: Verschwiegenheit - oder das Ansehen des Landes?

Doch auch unter Juristen ist man sich in dieser Frage keineswegs einig: Eine völlig andere Meinung vertritt der Verfassungsrechtler Joachim Wieland, Rektor der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaft in Speyer. Friedrich habe seiner Ansicht nach korrekt gehandelt, indem er vor der Personalie Edathy gewarnt hat: "Es wäre für das Ansehen der Bundesrepublik schädlich gewesen, wenn man dann einige Monate später vom Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Nutzung von Kinderpornographie erfahren hätte." In dieser Situation sei es das pflichtgemäße Ermessen des Ministers gewesen, die Verantwortlichen der SPD ins Vertrauen zu ziehen.

Das sehen offenbar auch viele Menschen in Deutschland so: Laut einer aktuellen Forsa-Wahlumfrage schadet die Edathy-Affäre vor allem den Sozialdemokraten. Der Rücktritt von Hans-Peter Friedrich dagegen hat die Werte der Unionsparteien CDU und CSU sogar leicht nach oben steigen lassen.

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