Längst wollte das Kunstmuseum Bern erste Werke aus dem Schwabinger Kunstfund von Cornelius Gurlitt vorführen. Dann machte der Zoll einen Strich durch die Rechnung. Doch jetzt sind sie endlich eingetroffen.
Anzeige
Gurlitt-Besitz in Bern vorgestellt
Im November 2017 sollen sie in der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt. Entartete Kunst" gezeigt werden. Erste Werke des Schwabinger Kunstfundes hat nun das Kunstmuseum Bern ausgepackt. Ein erster Überblick.
Bild: Bundeskunsthalle
August Macke: Landschaft mit Segelbooten
"Er hat vor uns allen der Farbe den hellsten und reinsten Klang gegeben", rief Franz Marc seinem Künstlerfreund August Macke nach, als dieser 1914 im Ersten Weltkrieg fiel. Mackes Segelboot-Bilder entstanden am Tegernsee in Bayern. Die "Landschaft mit Selgelbooten" gehört zum Kunst-Konvolut von Cornelius Gurlitt
Bild: Bundeskunsthalle
Otto Mueller: Liegender weiblicher Akt am Wasser
Schlanke Mädchengestalten sind charakteristisch für Otto Mueller, den berühmten deutschen Expressionisten. Das Modell dieses "Liegenden weiblichen Aktes am Wasser" räkelt sich unbekleidet auf einem wasserumspülten Felsen.
Bild: Bundeskunsthalle
Ernst Ludwig Kirchner: "Melancholisches Mädchen"
Der Maler galt als schwieriger, misstrauischer Mensch. Auch litt der einstige Brücke-Gründer unter Depressionen, was ihm die Malerei erschwerte. Sein Holzschnitt "Melancholisches Mädchen" entstand 1922. Viele seiner Werke wurden von den Nazis aus deutschen Museen entfernt und als "entartet" diffamiert. Der gebürtige Franke liegt heute in der Schweiz begraben.
Bild: Bundeskunsthalle
Otto Dix: Leonie
Schonungslos fixiert der Maler die Frau auf der Leinwand. Als er 1925 - bereits charakterlich und künstlerisch gereift - von Düsseldorf nach Berlin ging, eilte ihm ein gesellschaftskritischer Ruf voraus. "Ich kumm uff keinen grienen Zweich; meine Malereien sind unverkäuflich. Entweder ich werde berühmt oder berüchtigt", verkündete er 1920, kurz bevor dieses Leonie-Porträt entstand.
Bild: Bundeskunsthalle
Emil Nolde: Weite Landschaft mit Wolken
"Gleich einem Märchen war die Heimat mir, das Elternheim im flachen Land, die tausenden Lerchen jubelnd auf- und niederschwebend, mein Wunderland von Meer zu Meer", schwärmte der norddeutsche Maler Emil Nolde. Die weite Ebene, der fließende Übergang zwischen Himmel, Erde oder Wasser - das waren Noldes Motive. Auch seine "Weite Landschaft mit Wolken" zeugt davon.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Franz Marc: Sitzendes Pferd
Kein Motiv und auch kein anderes Tier hat Franz Marc so beschäftigt wie das Pferd. Der expressionistische Maler verstand es als Metapher für kreatürliche Reinheit und Unschuld. Mutig experimentierte er mit der Wirkung von Farben. So entstand um 1910 seine Werkgruppe der Blauen Pferde. Vorläufer war dieses Bild eines "Sitzenden Pferdes", das sich ebenfalls im Konvolut Gurlitt befand.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
6 Bilder1 | 6
Das Berner Kunstmuseum hat zunächst 150 Werke aus dem Konvolut Gurlitt ausgepackt, das vor fünf Jahren in der Münchner Wohnung und einem Salzburger Haus von Cornelius Gurlitt entdeckt und beschlagnahmt worden war. Im November sollen sie in der Doppelausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt. Entartete Kunst" - "Beschlagnahmt und verkauft" in Bern und Bonn gezeigt werden. Bereits im Juni hatte die Bundeskunsthalle in Bonn Einblick in das Aussstellungsvorhaben gegeben und einige ausgesuchte Gemälde und Skulpturen vorgestellt.
Die Arbeiten für Bern waren - nach längeren Auslieferungsschwierigkeiten aus Deutschland - erst am 6. Juli in der Schweiz angekommen. Viele seien in "relativ gutem Zustand", sagte Museumsdirektorin Nina Zimmer. Den Journalisten präsentierte sie sechs Arbeiten der Klassischen Moderne, darunter das Aquarell "Sitzendes Pferd" von Franz Marc, Otto Dix' Lithographie "Leonie", August Mackes Gouache "Landschaft mit Segelbooten", einen "Liegenden weiblichen Akt am Wasser" von Otto Mueller und den eindrücklichen Holzschnitt von Ernst Ludwig Kirchner "Melancholisches Mädchen" und schließlich Emil Noldes "Weite Landschaft mit Wolken", ein Aquarell.
"Anspruchsvolle Ausfuhrformalitäten"
Ein erster Medientermin Ende Juni war geplatzt. Das Museum klagte über unvorhergesehene Schwierigkeiten "bei den anspruchsvollen Ausfuhrformalitäten". Der Hintergrund: Da die Schweiz nicht zur EU gehört, konnte das Erbe von Cornelius Gurlitt nicht so einfach Deutschland verlassen. Deshalb suchte das Kunstmuseum Bern nach einem Rechtsvertreter, der für die kostbare Sammlung das Haftungsrisiko übernahm, wie Nina Zimmer, die Direktorin des Hauses, der DW erläuterte.
Der 2014 verstorbene Cornelius Gurlitt war Sohn von Hildebrand Gurlitt, einem Kunsthändler Adolf Hitlers. Er vermachte sein millionenschweres Kunst-Konvolut überraschend dem Kunstmuseum Bern. Ein längerer Erbstreit wurde im Dezember 2016 zugunsten der Schweizer entschieden. Teile der Sammlung stehen unter NS-Raubkunstverdacht. In der Bonner Ausstellung sollen rund 250 Arbeiten aus dem Besitz Gurlitts gezeigt werden. Die Ausstellungsmacher erhoffen sich, wie Kunsthallen-Chef Rein Wolfs der DW sagte, "unter anderem neue Hinweise über deren bislang ungeklärte Herkunft."