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Politik

Joe Biden - eine Herausforderung für Mexiko

9. November 2020

Nach dem Wahlsieg Joe Bidens in den USA erwarten Experten in Mexiko nur beim Thema Migration Entspannung. Die meisten anderen Themen werden zur Herausforderung für Präsident López Obrador. Aus Mexiko-City Sandra Weiss.

Migrant mit Kappe mit US-Flagge an der Grenze USA-Mexiko
Bild: Getty Images/AFP/E. Jaramillo Castro

Im US-Wahlkampf hatte Mexikos Regierung klar Stellung bezogen für Donald Trump. Präsident Andrés Manuel López Obrador war im Juli ins Flugzeug nach Washington gestiegen - seine bisher einzige Auslandsreise -, um den damals in Umfragen deutlich zurückliegenden US-Präsidenten über den grünen Klee zu loben.

Das sind nicht gerade optimale Voraussetzungen für einen harmonischen Start mit dem demokratischen Wahlsieger Joe Biden. Dennoch erwarten Beobachter keine direkten Repressalien aus Washington gegen den Freihandelspartner - wohl aber neue Akzente, die für López Obrador, den Linksnationalisten mit populistischer Tendenz, unbequem werden könnten.

Wirtschaftlich verflochten wie siamesische Zwillinge

Mexiko und die USA sind wirtschaftlich mittlerweile so eng zusammengewachsen wie siamesische Zwillinge, zunächst über die 1994 in Kraft getretene Freihandelszone NAFTA und nun über das 2018 unter Trump neu ausgehandelte Freihandelsabkommen, das in Mexiko T-Mec genannt wird. Viele Firmen unterhalten binationale Lieferketten und Niederlassungen beiderseits der Grenze. Über 38 Millionen Mexikaner leben in den USA. Waren im Wert von 1,6 Milliarden US-Dollar überqueren tagtäglich die Grenze in beide Richtungen.

Enge Beziehungen: Lastwagen transportieren Fahrzeuge aus Mexiko in die USABild: Frederic J. Brown/AFP/Getty Images

Rund 13 Millionen US-Amerikaner machen jedes Jahr in Mexiko Urlaub, lassen sich wegen der geringeren Kosten dort ärztlich behandeln oder haben in Mexiko ihren Zweit- oder Alterswohnsitz. Eine derart starke Verflechtung hat zur Folge, dass auch in strategischen Fragen wie Migration und Sicherheit beide Länder auf eine enge Zusammenarbeit angewiesen sind.

Druck in Sachen Umweltschutz und Menschenrechte

"Für die mexikanische Außenpolitik bedeutet der Sieg Bidens eine 180-Grad-Wende", sagt die Politologin Lila Abed gegenüber der DW. "Die Demokraten werden sich zwar nicht direkt rächen, aber sie werden Druck machen in Sachen Demokratie, Menschenrechte, Transparenz und Einhaltung von Arbeits- und Umweltstandards, die auf Beharren der Demokraten in den neuen Freihandelsvertrag (T-Mec) aufgenommen wurden", so die Professorin an der Universität von Georgetown und dem Boston College. "Das kann für López Obrador unangenehm werden."

Gutes Verhältnis: Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador (l) mit US-Präsident Donald Trump (r) im Juli 2020Bild: picture-alliance/A. Drago

In dem Punkt gibt ihr Jose Antonio Crespo recht, Historiker und Politikwissenschaftler am Zentrum für Wirtschaftslehre und -forschung (CIDE). "Arbeiterrechte und Umweltschutz sind für Demokraten wichtige Themen, bei denen sie die Daumenschrauben anziehen werden", betont er im Gespräch mit der DW. "Aber ich sehe auch Konfliktpotenzial in der Energiepolitik. Biden sorgt sich um den Klimawandel, und er setzt auf erneuerbare Energien. Das ist ein Gegenpol zu López Obrador, der auf fossile Energieträger setzt." Mexikos Regierung hat den Ausbau erneuerbarer Energien vorerst gestoppt und damit zahlreiche ausländische Investoren verärgert.

Ein erhöhter Druck aus Washington hinsichtlich Transparenz und Rechtsstaat, da sind sich Abed und Crespo einig, könnte auch innenpolitisch Auswirkungen haben und der Opposition in die Hände spielen. Diese wirft dem Präsidenten seit geraumer Zeit autoritäre Tendenzen, Zentralismus und Versagen bei Umwelt- Sicherheits- und Gesundheitspolitik vor. Bisher konnte sie den Präsidenten aber nicht stoppen. Gestützt auf seine hohe Popularität baute López Obrador seinen Einfluss in Legislative und Judikative aus und grub unabhängigen Institutionen oder rebellischen Gouverneuren durch den Entzug staatlicher Transferzahlungen finanziell das Wasser ab. "Wenn es ein Gegengewicht gibt, das López Obrador fürchtet, dann sind es die USA", meint Crespo.

Sanfte Töne bei Migration, harte Worte in Sachen Sicherheit

In Sachen Migration erwartet Carlos Heredia, außenpolitischer Experte und Mitbegründer des Mexikanischen Rates für Internationale Angelegenheiten (COMEXI), von Biden sanftere Töne und einen menschlicheren Umgang. Praktiken wie das Einsperren von Kindern in Käfigen oder die Trennung von aufgegriffenen Eltern und ihren Kindern habe Biden versprochen zu beenden.

Steht auch für Joe Biden nicht zur Debatte: Grenzsicherung zwischen Mexiko und den USA in TijuanaBild: NGO Al otro lado

Auch die von Trump eingeführte Politik des "Remain in Mexico" dürfte Biden beenden. Sie verpflichtet Mexiko, in den USA um Asyl bittende Personen auf mexikanischem Boden zu beherbergen, bis die US-Behörden eine Entscheidung fällen. Als Folge hatten sich auf der mexikanischen Seite der Grenze in den vergangenen Jahren große Zeltlager mit derzeit 80.000 Flüchtlingen gebildet - unschöne Abbilder einer "humanitären Katastrophe", so Heredia, der auch im Beirat des US-amerikanischen Thinktanks Woodrow Wilson Center sitzt. Dass Mexiko auf Druck der USA seine Südgrenze abschottet und Migranten aus Drittländern verstärkt abschiebt - daran wird sich Heredia zufolge aber wenig ändern. "Bidens Team fürchtet, dass eine Lockerung die Migranten zu neuen Karawanen ermutigen könnte."

Ein Bereich, in dem Mexikos Regierung sowohl aus Sicht der Republikaner als auch der Demokraten versagt, ist die Sicherheitspolitik. "Bei diesem Thema ist das Vertrauen zerrüttet", urteilt Heredia und führt als Beweis die überraschende Festnahme des ehemaligen Verteidigungsministers General Salvador Cienfuegos in den USA an. Ihm wird Geldwäsche und Bestechung durch Drogenkartelle vorgeworfen. López Obradors Strategie von Umarmung statt Schüssen habe niemanden in den USA überzeugt, sagt auch Abed: "In diesem Bereich werden die USA Druck machen, dass Mexikos Regierung die Kartelle aktiver bekämpft."

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