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Fremdenfeindlichkeit im Internet

Wolfgang Dick1. September 2015

Im Internet häufen sich fremdenfeindliche Äußerungen gegenüber Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund. Immer mehr Bürger erstatten Anzeige. Führt das zu Urteilen und Strafen?

Daumen-runter-Symbol bei Facebook
Bild: Colourbox/Maxx-Studio

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Menschenverachtende Sprüche der letzten Monate waren vor allem in den sozialen Medien zu finden. Die folgenden Beispiele beschäftigten allein die Staatsanwaltschaft im bayerischen Passau.

"Da müssen wir ja wieder die ganzen Öfen anheizen in Dachau", schrieb ein 20-jähriger Mann auf Facebook in Anspielung auf das Konzentrationslager der Nazi-Zeit. Der Täter konnte ermittelt werden und erhielt eine Geldstrafe von 2000 Euro. Angesichts der zunehmenden Flüchtlingsströme schrieb eine 26-jährige Frau ebenfalls "Heizt den Ofen schon mal vor." Auch sie wurde verurteilt: 100 Tagessätze zu je 30 Euro.

7500 Euro Strafe erhielt ein 25-Jähriger für den Satz im Internet, er habe für Asylbewerber noch eine Gasflasche und eine Handgranate, die er liefern könnte. Seine Entschuldigung, er habe diese Bemerkung aus einer "Bierlaune" heraus gemacht, führte vor Gericht nicht zu mildernden Umständen. Die Höhe der Geldbuße machte für den Schreiber fünf volle Monatsgehälter aus. "Sprengt die Turnhalle, aber erst, wenn sie drin sind" - für solche Gewaltaufrufe und rassistische Bemerkungen gibt es in Deutschland mehrere Gesetze im Strafgesetzbuch, die helfen sollen, die Täter zu verurteilen.

Die Strafen

Urteile werden häufiger durch Anzeigen der BürgerBild: Fotolia/Gina Sanders

Gefängnishaft zwischen drei Monaten und fünf Jahren oder eine Geldstrafe sieht der wichtigste relevante Paragraph 130 des Strafgesetzbuches für alle Handlungen vor, die den "öffentlichen Frieden" oder die Sicherheitslage stören. Volksverhetzung und Anstachelung zum Hass auf bestimmte Bevölkerungsgruppen im Internet zählen aber meist zum Bereich "unterer Kriminalität", wie Juristen das nennen, und werden meistens lediglich mit Geldbußen geahndet. Diese richten sich beim Täter nach seinem monatlichen Nettoeinkommen, so er überhaupt eines hat. Das Nettoeinkommen wird durch 30 Tage eines Monats geteilt, und das Gericht bestimmt die Anzahl der als Strafe zu zahlenden Tagessätze. Haft droht dann nur, wenn nicht gezahlt wird.

Polizei und Staatsanwaltschaften sind angehalten, gegen fremdenfeindliche Hetze schnell vorzugehen. Eigene Recherchen sind selten zeitlich möglich. Aufmerksame Bürger kommen ihnen entgegen. Die Anzahl ihrer Anzeigen mit Fotos (Screenshots) der Internetäußerungen als Beweismittel haben seit 2014 zugenommen. Im mittleren, zweistelligen Bereich, wie eine Sprecherin der Polizeibehörde in Köln bestätigt. "Ich bin mir sicher, dass das auch zu vielen Strafverfahren führen wird", erklärt Bundesjustizminister Heiko Maas dazu gegenüber der Deutschen Welle. Inwieweit die Anzahl der Verurteilungen tatsächlich zugenommen hat, kann niemand in Deutschland genau sagen: "Über diese Verfahren führt niemand Buch, und es ist regional auch völlig unterschiedlich", erklärt die Passauer Staatsanwältin Ursula Raab-Gaudin.

Brandstiftung mit Worten folgen häufig Taten. In Nauen brannte eine Turnhalle, in der Flüchtlinge unterkommen solltenBild: picture-alliance/dpa/reportnet24.de

Das Grundproblem der Bestrafung von Internethetze

Rechtsanwalt Jens Ferner hat sich mit dem grundsätzlichen Problem der Verurteilung von Internethetze besonders eingehend beschäftigt. Der Paragraph 130 sei zwar überarbeitet worden, um gegen Fremdenfeindlichkeit im Netz vorzugehen, aber, so Ferner: "Die Probleme bestehen weiter. Es ist nicht immer ganz klar, was Hetze und was Meinungsäußerung ist." Auf diese Abwägung komme es aber entscheidend vor Gericht an. Das Recht auf freie Meinungsäußerung als Freiheitsrecht genieße in Deutschland einen sehr hohen Schutz. Das gelte selbst für Meinungen, mit denen nur wenige einverstanden seien. Die Bemerkung, alle Flüchtlinge sollten besser wieder nach Hause gehen, falle zum Beispiel unter die Meinungsfreiheit, urteilte sogar das höchste deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht.

Auch der Facebook-Kommentar unter einem Aufruf für kostenfreie Flüchtlingshilfen - "das einzige, was ich denen schenke, ist ein One-Way-Ticket zurück in die Heimat" - blieb straffrei. Es müsse schon mehr an Verletzung der Menschenwürde, Aufruf zu Willkürmaßnahmen gegen ethnische Gruppen oder falsche Behauptungen über bestimmte Bevölkerungsgruppen hinzukommen, dass der Staat einschreiten könne, so Fachanwalt Ferner.

Bei der Staatsanwaltschaft im baden-württembergischen Esslingen laufen zum Beispiel Ermittlungen gegen einen Schreiber bei Facebook, der behauptet hatte, Flüchtlinge hätten Autos angehalten und Insassen ausgeraubt. Die Polizei fand aber keine Hinweise für diese offensichtliche Falschbehauptung und Schmähung. Absender von Hass-Postings unter Pseudonym können in den meisten Fällen aufgedeckt werden, zeigen die zur Anklage gelangten Fälle. Anwalt Ferner dazu: "Wenn es mal vor Gericht ist, dann sehe ich keine verharmlosende Rechtsprechung in Deutschland". Auch Staatsanwaltschaften, die unterschiedlich hart durchgriffen, seien ihm nicht bekannt. Die einzige Schwierigkeit sei eben, die Internethetze außerhalb von Meinungsäußerungen erst einmal vor Gericht zu bringen.

Reaktion der Politik

Betreiber von Internetplattformen wie Facebook oder Twitter stammen aus den USA, einem Land, das der Freiheit von Meinungen aller Art sehr liberal gegenübersteht. Daher reagierten diese sozialen Medien noch nicht auf den Wunsch der Bundesregierung, bestimmte fremdenfeindliche Äußerungen im Netz zu löschen – so wie es manchmal bei sehr freizügigen Fotos geschieht, die entfernt werden. Jetzt wird quer durch die Parteien diskutiert, inwieweit das Strafmaß für Volksverhetzung erhöht werden solle. Mitte September will Bundesjustizminister Heiko Maas sich mit den Betreibern von Facebook in seinem Ministerium treffen, um Abhilfen zu besprechen. Im DW-Interview erklärt Maas aber auch: "Alleine mit dem Strafrecht ist das Problem nicht zu lösen. Jeder ist gefordert, Gesicht zu zeigen und zu beweisen, dass Deutschland anders ist."

Justizminister Heiko Maas will GegenwehrBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm
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