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Kein Rückgang der Flüchtlingszahlen in Sicht

Kay-Alexander Scholz, Berlin23. Februar 2016

Einen Überblick über die aktuelle Migrationssituation an der Außengrenze der Europäischen Union, vor allem in Griechenland, gab Frontex-Chef Fabrice Leggeri in Berlin. Der Berg an Problemen ist ziemlich hoch.

Flüchtlingsboot im Mittelmeer (Foto: picture-alliance/dpa/Italian Navy)
Bild: picture-alliance/dpa/Italian Navy

Die Situation in Zahlen: Seit Jahresbeginn habe es 140.000 irreguläre Grenzübertritte in die Europäische Union gegeben. Das seien rund ein Drittel weniger als im Dezember, aber 600 Prozent mehr als zu Jahresbeginn 2015. Die meisten Fälle, nämlich 82.000, wurden an der türkisch-griechischen Grenze registriert. 6000 Übertritte gab es von Libyen aus nach Süditalien. So Fabrice Leggeri, der Direktor der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - kurz: Frontex.

Der Anteil der syrischen Flüchtlinge in der Türkei betrage aktuell rund 40 Prozent, so Leggeri weiter. Die meisten kämen derzeit aus Afghanistan, dem Irak, Pakistan, Iran und dem afrikanischen Kontinent. Auf der Italien-Route gebe es eine Verschiebung weg von den Staaten am Horn von Afrika hin zu Flüchtlingen aus westafrikanischen Staaten wie Senegal oder Gambia und zu den Maghreb-Staaten.

1000 Frontex-Beamte in Griechenland

Die Hauptaufgabe von Frontex, die EU-Außengrenze zu sichern, steht derzeit im Zentrum der Flüchtlingsdebatte in der EU. Auch Kanzlerin Angela Merkel erhofft sich von besser gesicherten Außengrenzen sinkende Flüchtlingszahlen. Und dass die anderen Staaten dann doch noch "Ja" sagen zu einem europäischen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge. Was viele ablehnen, eben weil die Außengrenzen so löchrig sind.

Ende 2015 hat Frontex - mit 775 Beamten - eine neue Mission in Griechenland gestartet. Sie arbeiten an der Grenze, auf Schiffen und Flugzeugen oder als "Experten für gefälschte Dokumente", so Leggeri.

Frontex-Chef Fabrice LeggeriBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Schon seit 2014 hat Frontex in einer anderen Mission 283 Beamte vor Ort im Einsatz. Sie helfen vor allem bei der Registrierung der Flüchtlinge. Auch 15 Boote zur Seenot-Rettung gehören dazu.

Probleme, Probleme, Probleme

Die Frontex-Beamten entscheiden zusammen mit den griechischen Behörden, ob jemand Aussicht hat, als Flüchtling in Europa bleiben zu können. Wer keine Aussicht auf Asyl hat, darf nur noch einen Monat in Griechenland bleiben und muss zurück in die Türkei - eigentlich.

Die EU hat mit der Türkei ein sogenanntes Rückübernahmeabkommen vereinbart. Doch die Umsetzung sei schwierig, so der Frontex-Direktor. "Praktisch können keine Migranten in die Türkei zurückgeführt werden." Auch die Rückführung in andere Länder sei nicht einfach, "weil Drittstaaten manchmal nicht so willig sind" - wohl nicht aus operativen, sondern aus politischen Gründen, vermutet Leggeri. 3500 Rückführungen habe es durch Frontex im vergangenen Jahr gegeben, bezifferte er die Folgen dieser Situation. Letztendlich blieben deshalb viele in Griechenland.

Ganz generell könne die EU von der Türkei wohl "mehr erwarten", kritisierte Leggeri. Vor allem auch bei der Bekämpfung der Schmuggler.

Ein weiteres Problem: Die Registrierung funktioniert noch längst nicht lückenlos. Immerhin aber sei die Lage seit dem Sommer schon viel besser geworden, so Leggeri. Auch weil Frontex Griechenland geholfen hat, die nötigen Geräte zu kaufen, mit denen Fingerabdrücke genommen werden. Wirklich einfacher werde die Situation wohl erst werden, wenn die sogenannten Hotspots als zentrale Registrierungs- und Verteilungszentren fertig sind.

Mehr Etat, aber zu wenig Personal

Frontex hat für die vielen neuen Aufgaben im "wohl größten Einsatz seiner Geschichte" im vergangenen Jahr deutlich mehr Geld bekommen: Der Etat stieg von 94 auf 142 Millionen Euro. Allein die Seenotrettung aber koste derzeit 100 Millionen pro Jahr, so Leggeri. Für 2016 steigt der Etat auf eine viertel Milliarde. 2017 könnten es 320 Millionen Euro sein. Die Zentrale der Agentur ist übrigens in Warschau, wo derzeit 320 Mitarbeiter arbeiten.

Die Beamten vor Ort sowie die Schiffe und Flugzeuge im Mittelmeer bekommt Frontex von den EU-Staaten gestellt. Das heißt: Selbst wenn Frontex - wie derzeit - mehr Geld bekommt, ist die Agentur trotzdem auf Mithilfe der EU-Staaten angewiesen. Und da hakt es momentan. Es fehlt an ausreichendem Nachschub für den Beamten-Pool, so Leggeri. Allerdings habe er dafür auch Verständnis, denn die Staaten bräuchten ihre Beamten wohl gerade selber.

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Zäune helfen nicht

Und wie geht es weiter? Wenn der Ansturm auf die Grenzen so bleibe wie zuletzt, dann wäre das "schon nicht schlecht", sagte Leggeri. So lange die Krisenherde in Syrien und Libyen bestehen blieben, so lange werde sich die Lage nicht entspannen. 2015 seien nach Schätzungen von Frontex insgesamt 1,8 Millionen irreguläre Einreisen in den Schengen-Raum vollzogen worden, in der Zahl seien
aber Mehrfach-Registrierungen enthalten.

Das heißt: Mit sinkenden Flüchtlingszahlen rechnet Frontex nicht - es könnten sogar noch mehr Flüchtlinge werden. Irgendwelche Zäune würden die Ströme nicht stoppen können, sondern nur zu anderen Routen führen. Nationale Lösungen würden nicht helfen, stattdessen müssten alle EU-Staaten mitmachen. Einen wirksamen "Plan B" kann sich der Frontex-Direktor jedenfalls nicht vorstellen.

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