Froome schockt die Konkurrenz
14. Juli 2015Die hohen Berge trennen bei der Tour de France die Spreu vom Weizen - diese Regel gilt bei der Frankreichrundfahrt schon seit langer Zeit. Dass aber bereits der erste ernsthafte Anstieg der diesjährigen Tour das Feld der Favoriten derart durcheinanderrütteln würde, damit war so nicht zu rechnen. Nach 167 Kilometern lag das Ziel der 10. Etappe, der ersten Pyrenäen-Etappe, in La Pierre Saint-Martin auf 1610 Metern Höhe. Der Schlussanstieg zog sich über 15,5 Kilometer, auf denen mehr als 1100 Höhenmeter zu bewältigen waren. Dort wuchs ein Mann über sich hinaus und wies alle anderen Favoriten in die Schranken.
Mit einem Antritt wenige Kilometer vor dem Ziel zog der Gesamtführende Chris Froome vom Team Sky davon und legte den Grundstein für den Etappensieg. Viele der anderen Topfahrer waren zu diesem Zeitpunkt bereits hinter Froome zurückgefallen, weil sie dem hohen Tempo des Briten nicht folgen konnten. Einzig der Kolumbianer und Bergspezialist Nairo Quintana blieb einige hundert Meter lang in Sichtweite des Mannes in Gelb, dann musste auch er abreißen lassen.
Doppelsieg für Team Sky
So kam es, dass Tagessieger Froome mit 59 Sekunden Vorsprung auf seinen wichtigsten Helfer, den Australier Richie Porte, das Ziel erreichte. Porte bis zum Antritt Froomes Führungsarbeit geleistet, war dann hinter seinem Team-Kapitän und Quintana zurückgeblieben, holte den Kolumbianer auf den letzten Metern aber noch ein. Quintana kam mit 1:04 Minuten Rückstand auf Froome ins Ziel.
Der Zweitplatzierte der Gesamtwertung, Tejay van Garderen vom BMC-Team, kein ausgewiesener Kletterspezialist, erreichte das Ziel 2:30 Minuten hinter Froome. Noch schlimmer lief es für Giro d'Italia-Sieger Alberto Contador, der einen schlechten Tag am Berg erwischte und 2:50 Minuten hinter Froome oben ankam. Bereits verloren ist die Tour für Vorjahressieger Vincenzo Nibali, der schon früh im Anstieg nicht mehr folgen konnte und sich mit 4:25 Minuten Rückstand ins Ziel quälte.
"Ich bin so happy. Es war ein historischer Tag für unser Team", sagte Froome im Ziel. "Manche Konkurrenten sind nach dem Ruhetag wohl aus dem Rhythmus gekommen" In der Gesamtwertung hat der Tour-Sieger von 2013 nun 2:52 Minuten Vorsprung vor van Garderen und 3:09 Minuten vor Quintana. Vierter ist der Spanier Alejandro Valverde (+4:01). Contador ist Sechster (+4:04), Nibali nur noch Zehnter (+6:57).
Das Dach der Tour wartet
Grund zur Freude hatte auch der Deutsche André Greipel vom Team Lotto-Soudal. Der Sprinter eroberte das Grüne Trikot des punktbesten Fahrers zurück. In Bergklassement führt nun auch Froome. Das gepunktete Trikot des besten Kletterers trägt auf der 11. Etappe allerdings der Zweitplatzierte in dieser Wertung, Richie Porte.
Für das Peloton geht es dann über noch schwierigeres Terrain als am Dienstag. Einmal quer durch die Pyrenäen führt die Strecke von Pau über 188 Kilometer nach Cauterets. Dabei müssen die Fahrer den 1490 Meter hohen Col d'Aspin und das sogenannte "Dach der Tour", den 2115 Meter hohen Col du Tourmalet, bewältigen. Das Etappenende in Cauterets ist erneut ein Anstieg, allerdings ein einfacherer als am Dienstag in La Pierre Saint-Martin.
Hacker-Angriff auf Team Sky
So schön der Tag für Tagessieger Froome und sein Sky-Team endete, so unerfreulich hatte er begonnen. Denn offenbar sind der Brite und seine Mannschaft Opfer eines Hacker-Angriffs geworden. "Wir glauben, dass jemand unsere Trainingsdaten gehackt hat und die Dateien von Froome besitzt. Wir haben Anwälte eingeschaltet", sagte Teamchef Dave Brailsford am Vormittag. Spekulationen darüber, wer hinter dem Angriff steckt, wollte Brailsford allerdings nicht anstellen. "Ich würde niemals Namen nennen, aber vom ethischen oder moralischen Standpunkt her sage ich: Wenn du jemanden des Dopings beschuldigst, dann betrüge nicht selbst."
In den sozialen Netzwerken sind offenbar Leistungsparameter aufgetaucht, die das Team streng unter Verschluss hält. Unter anderem ist ein Video von Froomes famosem Sieg 2013 auf dem Mont Ventoux zu sehen - unterlegt mit zahlreichen Leistungsdaten wie Herzrate, Trittfrequenz oder Geschwindigkeit. Froome muss sich - wie eigentlich jeder Toursieger der vergangenen Jahre - mit Verdächtigungen auseinandersetzen. Brailsford kennt das aus der Vergangenheit.
"Es ist doch Teil des Spiels. Fährt Chris stark, kommen die Fragen nach Doping." Statistisches Material veröffentlichen, um möglichen Anschuldigungen zuvorzukommen, will Sky aber nicht, weil "die Daten schnell falsch interpretiert werden", erklärte Brailsford. Sein Schützling Froome wurde deutlicher: "Ich sehe wie einige Clowns die Werte analysieren und sagen: 'Du hast über zehn Minuten diese Leistung erbracht. Du musst dopen.' Das hilft uns nicht weiter und es zeichnet ein falsches Bild."