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Politik

Frostiger Empfang für Netanjahu

11. Dezember 2017

Dem israelischen Premier gegenüber beharrt die EU auf der "Zwei-Staaten-Lösung". Eine eigene Friedensinitiative im Nahost-Konflikt plant sie nicht. Die USA werden trotz allem gebraucht. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Belgien Brüssel - EU-Kommission: Berlaymont-Gebäude in Brüssel im Schnee
Bild: DW/B. Riegert

Dicke Schneeflocken peitschte der kalte Wind um die Gebäudetürme der Europäischen Union in Brüssel, als der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zum Frühstück vorfuhr. Das Wetter passte zu dem überwiegend frostigen Empfang, den die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini dem Regierungschef aus Israel bereitete.

Das Treffen in Brüssel war schon weit vor der Jerusalem-Erklärung der USA geplant worden. Eingeladen hatte ursprünglich nicht Mogherini, sondern der Außenminister Litauens - zu einem informellen Frühstück. Nachdem Benjamin Netanjahu diese morgendliche Mahlzeit vor dem israelischen Parlament zu einem offiziellen Treffen mit der EU aufgeblasen hatte, konnte Mogherini nicht anders und lud den israelischen Gast im Namen aller 28 EU-Staaten zu einer "freimütigen und offenen" Diskussion ein, wie sie in Brüssel sagte.

Die EU-Außenbeauftragte legte Wert auf die Feststellung, dass es das erste Mal seit 22 Jahren ist, dass ein israelischer Premier offiziell mit den EU-Außenministern spricht. Und sie betonte sofort, dass im Januar der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas Gast bei den Ministern in Brüssel sein wird. "Sie will auf jeden Fall die Neutralität der EU wahren und nicht zu proisraelisch erscheinen", hieß es dazu von EU-Diplomaten aus ihrer Umgebung.

Herzliche Differenzen: Israel Premier Netanjahu (li.) und EU-Außenbeauftragte MogheriniBild: Reuters/F. Lenoir

Mogherini: Jerusalem Haupstadt zweier Staaten

Trotz der Erklärung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, beharrte die EU-Außenbeauftragte darauf, dass Jerusalem nur die Hauptstadt zweier Staaten, nämlich eines jüdischen und eines palästinensischen, sein könne. Israel hat den Ostteil Jerusalems annektiert, was von der EU nicht anerkannt wird. Mogherini rief Benjamin Netanjahu auf, den Friedensprozess mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung wieder anzuschieben. Der endgültige Status Jerusalems werde durch Verhandlungen beider Seiten festgelegt, so Mogherini. "Das ist die gemeinsam abgestimmte Position der Europäischen Union", sagte sie ausdrücklich, um gewisse Differenzen in den Haltungen der 28 Mitgliedsstaaten zu überdecken.

EU weitgehend geschlossen

Ungarn hatte sich nach der Jerusalem-Erklärung der USA vergangene Woche geweigert, einer gemeinsamen Ablehnung der Trump-Erklärung zuzustimmen. Mogherini konnte deshalb nicht im Namen aller EU-Staaten, sondern nur als EU-Außenbeauftragte reagieren. Der tschechische Präsident Milos Zeeman hatte sogar angeregt, auch sein Land sollte seine Botschaft nach Jerusalem verlegen. Der tschechische Außenminister Lubomir Zaoralek wiederholte diese Haltung am Montag in Brüssel aber nicht, sondern murmelte nur hastig zur neuen US-Politik: "Dies war nicht besonders hilfreich."

Am Montag waren keine offenen Meinungsunterschiede unter den Außenministern erkennbar, aber unter EU-Diplomaten ist es kein Geheimnis, dass neben Tschechien auch Ungarn, Litauen und Griechenland für engere Beziehungen zu Israel eintreten. Die nordeuropäischen Staaten wie Schweden oder Dänemark sind eher Befürworter palästinensischer Positionen.

Der litauische Außenminister Linas Linkevicius, der das Treffen mit Netanjahu einfädelt hatte, sagte, es müsse direkte Gespräche zwischen den Israels und den Palästinensern geben. "Die EU könnte dabei ein größere Rolle im Nahen Osten spielen als bisher." Das findet auch der belgische Außenminister Didier Reynders, der darauf hinwies, dass die EU nach wie vor der größte Mittelgeber für Hilfen an die Palästinenser sei. Gemessen an dieser Rolle müsse die EU mehr politischen Einfluss geltend machen. "Die Siedlungspolitik in den von Israel besetzten Gebieten muss aufhören. Herr Netanjahu muss sich bewegen und Zugeständnisse machen."

Israels Premier fordert EU auf, Botschaften zu verlegen

Diesen Appell ließ der Frühstücksgast allerding unbeantwortet. Benjamin Netanjahu lächelte bei seiner kurzen Presseerklärung zufrieden und bedankte sich ausdrücklich bei Litauen, nicht aber bei der EU-Vertreterin Mogherini für die Einladung. Netanjahu nahm das Wort von der Zwei-Staaten-Lösung nicht in den Mund. Er begrüßte, dass US-Präsident Trump anerkannt habe, was jedem Besucher Jerusalems offensichtlich sei. "Präsident Trump hat die Fakten auf den Tisch gelegt. Frieden basiert auf der Anerkennung der Realität." Die Palästinenser forderte er auf, die Existenz Israels endlich mit seiner Hauptstadt Jerusalem anzuerkennen, was sie "unglücklicherweise" verweigerten. Das sei die Ursache des ganzen Konflikts im Nahen Osten: "Jede Grenzziehung wurde bislang von unseren Nachbarn zurückgewiesen." Netanjahu forderte die EU-Staaten auf, es Donald Trump gleichzutun. "Am Ende werden die meisten europäischen Länder ihre Botschaften nach Jerusalem verlegen."

Auf Einladung Litauens: Benjamin Netanjahu frühstückt in BrüsselBild: Getty Images/AFP/G. Vanden Wijngaert

Die EU-Außenbeauftragte konterte nach dem zweistündigen Gespräch: "Das wird nicht passieren. Wir sind bemerkenswert geschlossen."

Netanjahu erinnerte daran, dass Israel als stärkster Staat in der Region auch zum Wohl der EU Extremisten und Terroristen in Schach halte, sowohl den sunnitischen IS als auch die shiitischen Terrorgruppen, die vom Iran gestützt würden. "Das ist natürlich auch Selbstschutz für uns, aber wir verhindern so auch Flüchtlingsbewegungen nach Europa." Würden die nahöstlichen Staaten unter dem Druck der Terrorgruppen zusammenbrechen, würden sich Millionen auf den Weg nach Europa machen, orakelte Netanjahu. "Die EU leidet unter denselben Extremisten wie wir."

Israel (orange) und besetzte Gebiete (schraffiert). Gaza (hellgrau) wurde geräumt.

Warten auf konkrete Vorschläge aus Washington

Israels Ministerpräsident mahnte die Europäer zu ein wenig mehr Geduld mit den USA. "Es gibt Anstrengungen in der neuen Administration, einen Friedensvorschlag auf den Weg zu bringen. Geben wir dem Frieden eine Chance und schauen wir, was vorgeschlagen wird. Die Anerkennung Jerusalems ist ein Anfang." Eine eventuelle Rolle der EU bei der Vermittlung von Gesprächen erwähnte Netanjahu nicht. Die EU-Beauftragte Federica Mogherini möchte das "Nahost-Quartett" wieder beleben, in dem neben den USA, Russland, und den Vereinten Nationen auch die EU vertreten wäre. "Auf konkrete Vorschläge aus Washington warten wir nun schon sehr lange", meinten EU-Diplomaten. "Eine eigene Initiative planen wir aber nicht", stellte Mogherini klar. "Wir werden eine konstruktive Rolle spielen."

Einen Schritt kam Mogherini dem Gast aus Jerusalem dann doch noch entgegen. "Ich verurteile auf Schärfste jegliche Gewalt gegen Juden oder israelische Einrichtungen überall auf der Welt", sagte sie. Netanjahu hatte sich am Wochenende beim Besuch in Paris beklagt, dass niemand die Raketen-Angriffe auf Israel verurteile, die es nach der Trump'schen Jerusalem-Erklärung gegeben habe. Aus Mogherinis Worten könnte man auch die Verurteilung der Verbrennung der israelischen Flagge in Berlin herauslesen. Denn sie schloss Angriffe "auch in Europa ausdrücklich" mit ein. In Brüssel gab es anlässlich des Besuchs von Benjamin Netanjahu eine kleinere Protestkundgebung, die friedlich blieb.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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