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Politik

Frustrierte Agenten und bedrohte Wale

Helena Kaschel
25. Januar 2019

Rund 800.000 US-Regierungsmitarbeiter bekommen im Zuge der Haushaltssperre keinen Lohn - seit mehr als einem Monat. Die Auswirkungen des sogenannten Shutdown sind dramatisch bis skurril. Eine unvollständige Auswahl.

Shutdown in den USA
Bild: picture-alliance/AA/Y. Ozturk

Im US-Etatstreit ist auch nach der Senatsabstimmung über zwei Kompromissvorschläge keine Lösung in Sicht: Weder der Entwurf der Demokraten noch der Vorschlag der Republikaner konnte eine Mehrheit erzielen. Nun wollen die Mehrheitsführer beider Parteien in der Kammer, Mitch McConnell und Chuck Schumer, gemeinsam einen Ausweg aus der Krise suchen, in dessen Zentrum die Forderung von US-Präsident Donald Trump nach 5,7 Milliarden Dollar für eine Mauer an der Grenze zu Mexiko steht. Unterdessen sind die Effekte des längsten "Shutdown" der US-Geschichte, der rund ein Viertel der Bundesbehörden lahmgelegt hat, immer stärker zu spüren. 

FBI-Agenten schlagen Alarm

Für die rund 800.000 Mitarbeiter der betroffenen Bundesbehörden, von denen ein Großteil ohne Lohn weiterarbeiten muss, wird die Lage immer prekärer. Auch 13.000 FBI-Agenten bekommen seit Wochen kein Geld. Zwar wird Regierungsmitarbeitern mit Vollzeitstellen das Gehalt nachträglich ausgezahlt, aber für Angestellte ohne Rücklagen wird die finanzielle Belastung zunehmend untragbar.

Der Shutdown beeinträchtige auch die Moral der Bundespolizisten, warnt FBIAA-Präsident Thomas O'ConnorBild: Getty Images/AFP/J. Watson

"FBI-Agenten sollten nicht im Supermarkt Regale einräumen müssen, weil sie mit ihrer Regierungsstelle ihre Familie nicht ernähren können", schimpfte der Präsident des Bundesverbandes der FBI-Agenten (FBIAA), Tom O'Connor, am Mittwoch.

Zudem schade die Haushaltssperre den weltweiten Anti-Terrorismus-Aktivitäten der Bundespolizei sowie der Abwehr geheimdienstlicher Operationen anderer Staaten, so O‘Connor. Darüber hinaus beklagten anonyme FBI-Mitarbeiter laut einer Mitteilung der FBIAA, derzeit könne die Behörde weder Informanten und Übersetzer bezahlen noch Drogen für verdeckte Einsätze kaufen.

Einladung an Hacker

Mit jedem Tag, an dem die Haushaltssperre nicht aufgehoben wird, wächst in Washington auch die Sorge über Angriffe auf die digitale Infrastruktur. Die für Cyber- und Infrastruktur-Sicherheit zuständige Abteilung des US-Heimatschutzministeriums gab vergangene Woche bekannt, dass beinahe die Hälfte ihrer Belegschaft beurlaubt worden sei. Das restliche Personal arbeite ohne Lohn. "Dies gefährdet unser Land", twitterte der für Heimatschutz zuständige Ausschuss im Repräsentantenhaus.

Vergangene Woche berichtete das britische Cybersicherheits-Unternehmen Netcraft, seit Beginn der Haushaltssperre seien mehr als 80 von Regierungswebseiten verwendete Verschlüsselungszertifikate abgelaufen und nicht erneuert worden, darunter auch die des Justizministeriums. Eine Sprecherin der US-Gerichte widersprach allerdings der Darstellung. Keine Webseite eines Bundesgerichts, auch nicht die des von Netcraft als Beispiel angeführten Berufungsgerichts, sei vom Shutdown betroffen.

Flughafenpersonal bleibt zu Hause

US-Medienberichten zufolge melden sich immer mehr Mitarbeiter der nationalen Transportsicherheitsbehörde (TSA) krank. Sie gehören zu den mehr als 400.000 Bundesbediensteten, die trotz Lohnausfalls arbeiten müssen. Die Gewerkschaft AFGE, die rund 670.000 Regierungsmitarbeiter vertritt, darunter mehr als 40.000 TSA-Angestellte, hat wegen der Haushaltssperre gegen die Regierung Klage eingereicht. Der Shutdown sei ein "massives Sicherheitsrisiko", hieß es in einer Mitteilung. Zahlreiche TSA-Mitarbeiter hätten bereits ihre Kündigung eingereicht, andere hätten angekündigt, dies zu tun.

Doch nicht nur das Sicherheitspersonal an Flughäfen leidet unter dem Streit in Washington. In einem offenen Brief warnten die Gewerkschaften der Fluglotsen, Piloten und Flugbegleiter, man könne das mit dem Shutdown verbundene Risiko "nicht einmal kalkulieren". Es sei nicht absehbar, "an welchem Punkt das gesamte System zusammenbricht". Bei der Luftverkehrskontrolle ist der Personalstand demnach so niedrig wie seit 30 Jahren nicht mehr.

Mitglieder der Gewerkschaft AFGE bei einer Demonstration gegen den Shutdown am 10. Januar in MinneapolisBild: picture-alliance/Zuma Press/Star Tribune/L. Navidi

Dass zwei Washingtoner Universitäten den vom Regierungsstillstand betroffenen Mitarbeitern kostenlose Tickets für Basketballspiele anbieten und der Zoo in Oregon mit freiem Eintritt für Regierungsmitarbeiter wirbt, dürfte nur ein schwacher Trost sein.

Gerichtsverfahren liegen auf Eis

Die Finanzierungsblockade hat auch das US-Justizsystem lahmgelegt. Wie die "Washington Post" berichtete, verzögern sich alle Zivilprozesse auf Bundesebene, darunter etwa solche zu Whistleblower-Fällen. Zu den Betroffenen gehören unter anderem alle beim Justizministerium angestellten Staatsanwälte. "Es ist ein wenig demoralisierend, und je mehr Zeit vergeht, desto schlimmer wird es", zitiert der Radiosender NPR den Präsidenten der Nationalen Vereinigung der stellvertretenden Staatsanwälte.

Einige Gerichtsverfahren werden auch durch indirekte Folgen des Shutdown verzögert. So laut können NPR Anwälte mitunter ihre Mandanten nicht im Gefängnis besuchen, da auch dort Personalmangel herrscht. Nach US-Medienberichten sind zudem seit dem Beginn der Haushaltssperre mehr als 40.000 Anhörungen vor sogenannten Einwanderungsgerichten verschoben worden.

Rückschlag für die Forschung

Wie CNN berichtet, haben zahlreiche Wissenschaftler ihre Arbeit an Forschungsprojekten für  US-Bundesbehörden wie die NASA oder die National Science Foundation unterbrechen müssen.

Wegen des Shutdown fehlten der NASA zudem die Mittel, um Mitarbeiter zur wichtigsten Astronomie-Konferenz des Landes in Seattle schicken zu können. Zudem berichteten mehrere US-Medien Anfang Januar, das von NASA und ESA entwickelte, beschädigte Weltraumteleskop Hubble könne vorerst nicht repariert werden, da die dafür ausgebildeten Mitarbeiter beurlaubt worden seien. Nach rund einer Woche wurde die ausgefallene Kamera jedoch wieder in Stand gesetzt.

Entgegen erster Medienberichte konnte das defekte Hubble-Weltraumteleskop trotz des Shutdowns repariert werdenBild: NASA and The Hubble Heritage Team

"Jeder Regierungsstillstand kann Forschungsprojekte stören oder verzögern, zu Unsicherheit gegenüber neuer Forschung führen und den Zugang von Wissenschaftlern zu Daten und Infrastruktur von Behörden verringern", hatte die American Association for the Advancement of Science (AAAS), die weltweit größte wissenschaftliche Gesellschaft, schon im Dezember gewarnt. "Das US-amerikanische Innovationssystem ist auf solide Investitionen in Wissenschaft und Technik angewiesen, um der Öffentlichkeit gut dienen zu können", hieß es in einer Mitteilung

Rettet die Wale! Solange es noch geht

Zu den eher kuriosen Folgen des partiellen Regierungsstillstands gehört die Klage von Tierschützern, der Shutdown beeinträchtige Rettungsaktionen im Meer. Wie die Nachrichtenagentur AP meldete, können Mitarbeiter eines US-weiten Netzwerks von Tierschutzgruppen in Not geratene Wale, Robben und andere Meeressäuger nur noch unzureichend helfen. Grund dafür sei die Kürzung von Mitteln für die zuständige Wetter- und Ozeanografiebehörde (NOAA).

Erst vor kurzem wurden 100 der nur noch 411 lebenden Atlantischen Nordkaper vor der US-Ostküste gesichtetBild: picture-alliance/ZUMAPRESS.com

So sei eine Untersuchung zu aktuellen Beständen und Aufenthaltsorten des Atlantischen Nordkapers, eines vom Aussterben bedrohten Glattwales, im Zuge des Shutdowns unterbrochen worden, zitiert AP die Meeresbiologin Regina Asmutis-Silvia. Die Studienergebnisse seien aber wichtig, um entsprechende Rettungsaktionen durchführen zu können.

Shutdown oder: Wenn die Hochzeit warten muss

Auch vor zukünftigen Ehepaaren machen die Folgen des Tauziehens zwischen Republikanern und Demokraten nicht Halt. Weil auch das vom Kongress finanzierte Oberste Gericht in der Hauptstadt betroffen ist, stellt es Paaren derzeit keine Heiratserlaubnisse aus.

Nachdem ein solcher Fall im Dezember durch US-Medienberichte für Aufsehen sorgte, unterzeichnete Washingtons Bürgermeisterin Muriel Bowser ein Notfallgesetz, das es ihrem Büro vorübergehend erlaubt, Heiratserlaubnisse auszustellen. Der Name des Gesetzes lautet - kein Witz - "Let Our Vows Endure (LOVE) Emergency Amendment Act of 2019".

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