In Italien startet die erste Profiliga für Frauen. In Spanien erkennen TV-Sender das Potential der Liga F und zahlen Millionen. Die Professionalisierung verändert den Markt – und ist vielleicht doch kein Zukunftsmodell.
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Nachzügler Italien beginnt die Aufholjagd
Lange hat das konservative Italien vor allem zugesehen, wie in den anderen westeuropäischen Ländern der Fußball der Frauen sich immer mehr etablierte. Nun, wo vielleicht sogar Geld damit zu machen ist, hat man es auch dort auf einmal eilig. Seit dieser Saison gibt es eine reine Profiliga und damit mehr, als etwa die deutsche Bundesliga vorzuweisen hat - bei der auch noch semi-professionelle Strukturen vorhanden sind. "Die ausländischen Spielerinnen sind jetzt interessiert, hierher zu kommen", sagte Juventus-Trainer Joe Montemurro, während Kapitänin Lisa Boattin schwärmte, dass man lange man für dieses Profitum gekämpft habe.
Die Internationalisierung der italienischen Liga lässt sich gut anhand des spektakulären Spitzenspiels des zweiten Spieltags - ein 3:3 zwischen Juventus Turin und Inter Mailand - beobachten. Denn es sind bereits einige namhafte Spielerinnen dabei. Etwa Ex-Bayern-Profi Lineth Beerensteyn, die in München einst nicht recht glücklich wurde, erzielte nun schon das zweite Tor für "Juve" im zweiten Spiel. Oder auch Sara Björk Gunnarsdóttir, die vom französischen Spitzenteam Olympique Lyon nach Turin wechselte, sendete ein weiteres Signal für die wachsende Attraktivität der italienischen Liga aus. Oder auch Inter Mailands Doppeltorschützin Tabitha Chawinga. Die 26-Jährige stammt aus Malawi und kam aus China auf den italienischen Stiefel.
Das neue Geld, von privaten Investoren zur Verfügung gestellt, verschärft den Wettbewerb. Die Liga hat sich auf zehn Teams verkleinert. Und es war möglich, sich eine Teilnahme zu erkaufen. So wurde kurzerhand der Erstligaplatz der Empoli Ladies an Parma veräußert, einen bisherigen Drittligisten, finanziert von einem Vorstandsmitglied einer US-Supermarktkette. Klubbesitzer Kyle Krause beschrieb den Vorgang so: "Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, muss man sie nutzen."
Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass solche Gelegenheiten genutzt werden: Im Vorjahr hatte Sampdoria Genua den Platz von Florentia San Gimignano erworben. Krause spricht sich derweil vehement für eine gleichere Verteilung des Geldes im italienischen (Männer-) Fußball aus – nicht so sehr aus ethischen Gründen, aber schließlich soll das Produkt ja attraktiv bleiben.
Immerhin, in Empoli protestierten mehrere Fangruppen gegen das Ende des eigenen Frauenteams. In einem offenen Brief sprachen sie von Desinteresse im Klub und rein ökonomischen Motiven beim Verkauf: Seit mehreren Jahren sei schließlich von Professionalisierung der Liga die Rede gewesen. An Zeit, Geld aufzutreiben, habe es nicht gemangelt, sondern am Willen. In Parma ist der Wille da. Dort können Fans der Männer mit ihrer Jahreskarte nun auch kostenlos die Frauenspiele besuchen.
Und die viel gelobte Professionalisierung? Für die Sichtbarkeit und Qualität der Ligen ist sie ein Meilenstein. Und dennoch womöglich ein Auslaufmodell. Können sich die bislang so bodenständigen Spielerinnen ihre Art behalten?
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Spanien greift Englands Vormachtstellung an
Wenn es jüngst Rekorde im Fußball der Frauen zu vermelden gab, kamen diese stets aus England: Der höchste TV-Deal, die höchste Ablösesumme, die einzige Profiliga des Kontinents. Doch die Kräfteverhältnisse ändern sich ab diesem Jahr. Die spanische Liga hat einen 35-Millionen-Deal mit dem Streamingsender Dazn über fünf Jahre abgeschlossen, und ebenfalls eine Profiliga - die Liga F - ausgerufen. Deren Slogan: "Fußball ohne F schreibt sich nicht gleich".
Und gewiss ist es nicht ganz unbedeutend, dass just eine Engländerin für eine Rekord-Summe nach Spanien gelotst werden konnte: Für rund 460.000 Euro wechselt Europameisterin Keira Walsh von Manchester City zum FC Barcelona. Eine freundliche Botschaft der spanischen Liga F an die englische Women's Super League (WSL). Auch Kollegin Lucy Bronze wurde von Barcelona verpflichtet. Mit viel Fleiß haben sich die Spanierinnen in den letzten Jahren von reinen Mitläuferinnen hoch auf Platz zwei in Europa gespielt. Und vielleicht bald darüber hinaus.
Nun gibt es aber gleich zum Start der Liga F Krach. Wegen eines Schiedsrichterinnenstreiks wurde der erste Spieltag verschoben. Beatriz Álvarez, Präsidentin der Liga F: "Wir sind traurig und frustriert. Wir haben viele Monate gearbeitet, aber am Ende hat der Respekt gefehlt." Wirklich fehlender Respekt? Die Schiedsrichterinnen kämpfen für Profiverträge und höhere Gehälter – eine Profiliga, wo Schiedsrichterinnen für Kleckersummen antreten, so argumentieren sie, sei keine.
Álvarez wiederum findet, das Problem seien gar nicht wirklich die Schiris, sondern der spanische Fußball-Verband: Der sei verärgert darüber, dass die Frauenliga sich unabhängig gemacht habe. Der Verband, der die Schiedsrichterinnen unterstützt, versuche, die Liga F zu boykottieren und nutze die Schiris als Mittel zum Zweck, so ihre Anschuldigung. Und die Schiedsrichterinnen (denen inzwischen höhere Gehälter angeboten wurden) sollten gefälligst solidarisch sein. Eine komplexe Gemengelage. Arbeitskämpfe lassen sich nicht einfach mit dem Verweis auf Solidarität abmoderieren.
Die besten Fußballerinnen der Welt
Mit dem Ballon d'Or wird Mitte Oktober die beste Fußballerin der Welt geehrt. Mit Alexandra Popp und Lena Oberdorf sind auch zwei deutsche Spielerinnen unter den heißesten Kandidatinnen auf die Auszeichnung.
Bild: Nico Paetzel/DeFodi Images/picture alliance
Alexandra Popp
Die Stürmerin braucht in der vergangenen Saison lange, um sich von einer Verletzung zu erholen, zeigt dann bei der Euro in England aber, wie wichtig sie für die deutsche Nationalelf ist: "Poppi" trifft in jedem Spiel mindestens einmal, fehlt aber verletzt bei der knappen Finalniederlage gegen England. Mit dem VfL Wolfsburg gewinnt Popp das Double.
Bild: Rui Vieira/AP Photo/picture alliance
Lena Oberdorf
Die defensive Mittelfeldspielerin wird an der Seite Popps Vize-Europameisterin und wird außerdem als beste Nachwuchsspielerin des Turniers ausgezeichnet. Mit dem VfL Wolfsburg gewinnt sie die deutsche Meisterschaft feiert den Sieg im DFB-Pokal. In der Champions League ist für Oberdorf und die "Wölfinnen" dagegen im Halbfinale gegen den FC Barcelona Schluss.
Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance
Lucy Bronze
In der Saison 2021/22 ist die Abwehrspielerin von Manchester City lange verletzt. Mit dem Klub wird sie in der englischen Super League Dritte. Zum krönenden Saisonabschluss wird der Sieg bei der EM im eigenen Land. Bronze wird in allen Spielen eingesetzt, macht ein Tor und gibt zwei Vorlagen. Nach der Euro wechselt sie nach Barcelona.
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Alex Morgan
Bei den Olympischen Spielen in Tokio im vergangenen Jahr will Alex Morgan mit dem US-Team den Olympiasieg holen, scheitert aber im Halbfinale an Kanada und fährt letztlich mit Bronze nach Hause. In der National Women's Soccer League der USA spielt die zweifache Weltmeisterin seit Anfang des Jahres für den San Diego Wave FC und überzeugt dort als regelmäßige Torschützin.
Bild: Aaron Doster/AP Photo/picture alliance
Christiane Endler
Die Chilenin ist die einzige Torfrau auf der zwanzig Namen umfassenden Shortlist der Ballon-d'Or-Kandidatinnen. Nach Stationen unter anderem bei Chelsea, Valencia und Paris St. Germain spielt sie seit Sommer 2021 für Olympique Lyon. Mit OL wird sie 2022 auf Anhieb französische Meisterin und Champions-League-Siegerin. 2021 wird sie von der FIFA als Welttorhüterin des Jahres ausgezeichnet.
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Alexia Putellas
30 Siege in 30 Spielen, 159:11 Tore - Kapitänin Alexia Putellas führt den FC Barcelona überlegen zur Meisterschaft. Sie selbst steuert 18 Treffer und 15 Vorlagen bei. Im Champions-League-Finale gibt es gegen Lyon allerdings eine Niederlage. Kurz vor der EM kommt für Putellas ein weiterer Rückschlag: Kreuzbandriss drei Tage vor Turnierstart.
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Aitana Bonmati
Aitana Bonmati ist die kongeniale Partnerin von Putellas im zentralen und offensiven Mittelfeld - sowohl beim FC Barcelona als auch in der spanischen Nationalmannschaft. Schon im Alter von 13 Jahren kommt sie in die Juniorinnen-Abteilung Barcelonas. Als 17-Jährige debütiert sie in der ersten Mannschaft. Bei der Euro kann sie ohne Putellas das Viertelfinal-Aus gegen England aber nicht verhindern.
Bild: Marco Canoniero/Sportphoto24/picture alliance
Asisat Oshoala
Mit 20 Saisontoren noch erfolgreicher als Putellas ist Asisat Oshoala. Die Nigerianerin teilt sich in der abgelaufenen Saison der Liga Iberdrola mit der Brasilianerin Geyse Ferreira von Real Madrid den Titel als beste Torjägerin. Oshoala wird im Sommer zum fünften Mal in ihrer Karriere zu Afrikas Fußballerin des Jahres gewählt.
Die ehemalige Spielerin des FC Bayern und des VfL Wolfsburg ist eine weitere zentrale Figur in der Offensive der Barça Femeni. Anders als noch in der Bundesliga fällt die Schwedin in Spanien eher als Vorbereiterin auf. Bei der Euro kommt sie mit den Schwedinnen ins Halbfinale, ihr selbst gelingt allerdings nur ein Turnier-Treffer.
Bild: Joan Valls/Urbanandsport/NurPhoto/picture alliance
Millie Bright
Die robuste Abwehrspielerin geht immer dahin, wo es wehtut. Mit Chelsea holt sie 2022 in England das Double aus Meisterschaft und FA-Cup. Wermutstropfen ist das Champions-League-Aus bereits in der Gruppenphase. Doch die Enttäuschung darüber wird mehr als wettgemacht als Bright im Sommer bei der Euro mit England den Titel gewinnt.
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Beth Mead
Während Bright bei der EM hinten die Bälle abräumt, schießt Beth Mead sie vorne ins gegnerische Tor. Sechsmal trifft die Angreiferin des FC Arsenal im Turnierverlauf für die "Lionesses". Sie wird damit beste Torschützin und zur Spielerin des Turniers gewählt. Mit ihrem Klub verpasst Mead einen Punkt hinter Chelsea knapp die Meisterschaft.
Bild: Martin Rickett/PA/AP Photo/picture alliance
Vivianne Miedema
Die Niederländerin ist beim FC Arsenal Meads kongeniale Sturmpartnerin. 14 Mal trifft sie in der abgelaufenen Saison der Women's Super League ins gegnerische Netz. Die Euro in England verläuft für die Ex-Bayern-Stürmerin nicht nach Wunsch. Im ersten Match verletzt sich die Teamkapitänin. Erst beim Viertelfinal-Aus gegen Frankreich kann sie wieder mitwirken, bleibt aber ohne EM-Treffer.
Bild: Mike Egerton/empics/picture alliance
Sam Kerr
Erfolgreicher als Miedema ist in der Scorerliste der Super League nur Sam Kerr. Die Australierin schießt in 22 Spielen für den FC Chelsea 20 Tore und hat damit großen Anteil am Gewinn der Meisterschaft. Im FA-Cup-Finale gegen Manchester City macht Kerr das 1:0 und das entscheidende 3:2 in der Verlängerung. Sie wird zur besten Spielerin der Saison in England gewählt.
Bild: John Walton/empics/picture alliance
Ada Hegerberg
Die Norwegerin ist 2018 die erste Frau, die mit dem Ballon d'Or ausgezeichnet wird. 2022 gewinnt sie mit Olympique Lyon ihre insgesamt siebte französische Meisterschaft und den sechsten Titel in der Champions League. Einzig die Euro wird für Hegerberg und ihr norwegisches Team zum Fiasko. Unter anderem nach einer 0:8-Klatsche gegen England ist in der Vorrunde Schluss.
Bild: Jonathan Moscrop/Newscom/picture alliance
Wendie Renard
Etwas besser läuft es bei der Europameisterschaft für Hegerbergs langjährige Teamkollegin Wendie Renard. Die 1,87 Meter große und stets sehr ernst dreinblickende Abwehrspielerin scheitert mit Frankreich erst im Halbfinale an der deutschen Mannschaft. Renard ist bereits 15 Mal französische Meisterin und hat achtmal die Champions League gewonnen.
Bild: Jonathan Moscrop/Newscom/picture alliance
Marie-Antoinette Katoto
Im EM-Halbfinale gegen Deutschland ist sie nicht mehr dabei. Frankreichs beste Torschützin der vergangenen Monate zieht sich bereits im zweiten EM-Gruppenspiel eine Knieverletzung zu und muss abreisen. Zuvor überzeugt Katoto im Nationaltrikot mit einer beeindruckenden Torquote. Mit ihrem Klub PSG gewinnt sie den Pokal und wird außerdem Torschützenkönigin der französischen Liga.
Bild: Christina Pahnke/sampics/picture alliance
Kadidiatou Diani
Kadidiatou Diani ist bei PSG und in der Nationalmannschaft Sturmpartnerin von Katoto. Frankreichs Spielerin des Jahres 2021 macht schon früh ihren ersten Schritte im Profibereich. Mit 15 Jahren debütiert sie in der ersten Liga. Diani kümmert sich aber auch abseits des Platzes um ihren Sport: Seit November 2020 sitzt sie im Führungsgremium der französischen Profifußballergewerkschaft UNFP.
Bild: Jonathan Moscrop/CSM/Zuma/picture alliance
Selma Bacha
Seit sie acht Jahre alt ist, spielt Selma Bacha für Olympique Lyon. Mittlerweile ist sie 21 und hat mit OL bereits viermal die französische Meisterschaft gewonnen, dazu vier Titel in der Champions League. Bei der Euro 2022 ist für Bacha, die in der Equipe Tricolore die linke Seite beackert, im Halbfinale Schluss. Mit der U19 Frankreichs hat Bacha den EM-Titel aber schon gewonnen.
Bild: Jonathan Moscrop/Newscom/picture alliance
Catarina Macario
Seit Januar 2021 spielt Catarina Cantanhede Melonio Macario, wie die gebürtige Brasilianerin mit vollem Namen heißt, an Bachas Seite im Mittelfeld von Olympique Lyon. Schon als Kind wandert sie mit ihrer Familie in die USA aus, wo sie an der Highschool und am College ihren fußballerischen Feinschliff bekommt. Macario ist mittlerweile US-Bürgerin und -Nationalspielerin.
Bild: Jonathan Moscrop/CSM/Zuma/picture alliance
Trinity Rodman
Für das US-Team läuft auch Trinity Rodman auf, deren Vater Dennis vor allem Basketball-Fans ein Begriff ist. Während der mehrfache NBA-Champion einer der besten Verteidiger war, spielt seine Tochter im Angriff. 2021 steigt sie in den Profifußball ein. Als derzeit bestbezahlte Spielerin der US-amerikanischen National Women's Soccer League NWSL geht sie für Washington Spirit auf Torejagd.