Fußball-Länderspiel nach Terroralarm geplatzt
17. November 2015Es sei "bis zum jetzigen Zeitpunkt" kein Sprengstoff gefunden worden, erklärte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius in Hannover. Gerüchte, Sprengstoff sei in einem Krankenwagen deponiert worden, ließen sich "bislang nicht bestätigen". Darüber hinaus habe es keine Festnahmen gegeben.
Die Menschen in Hannover rief der Minister zur Ruhe auf. "Wir werden über Nacht mit starker Polizeipräsenz im ganzen Stadtgebiet zugegen sein", erklärte er. Im U-Bahn-Verkehr kam es zu Einschränkungen. An einigen Haltestellen in der Innenstadt hielten die Bahnen nicht mehr. Dies sei auf Wunsch der Polizei angeordnet worden, sagte der Sprecher der Nahverkehrsbetriebe.
Hinweise auf geplanten Terrorakt
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bestätigte, dass ein ausländischer Geheimdienst die Landesregierung über ein mögliches Attentat informiert habe. Am Dienstagmittag sei der Hinweis eingegangen, dass "innerhalb der nächsten 48 Stunden ein Anschlag auf ein Sportereignis in Deutschland stattfinden sollte oder könnte", erklärte der CSU-Politiker im Bayerischen Fernsehen. "Aber mich hat die Absage auch überrascht", fügte Herrmann hinzu.
Die "Bild"-Zeitung hatte zuvor berichtet, es habe Auskünfte gegeben, dass eine Gruppe um einen namentlich bekannten Nordafrikaner einen Anschlag planen könne. Es sei konkret von Sprengmitteln, Sprengstoffgürteln, automatischen Waffen und Sprengsätzen an den Zufahrtswegen die Rede gewesen. Daraufhin habe der französische Geheimdienst auf einen irakischen Terroristen hingewiesen, der einen Anschlag auf das Freundschaftsspiel geplant haben solle. Der Bericht wurde von offizieller Seite nicht bestätigt.
De Maizière: "Die Lage ist Ernst"
Innenminister Thomas de Maizière betonte in einer Pressekonferenz, die Entscheidung, das Länderspiel abzusagen, sei nicht leicht gefallen. Sie sei aber auch nicht früher möglich gewesen. Woher die Hinweise stammten und wie sie im Einzelnen lauteten, könne er nicht sagen. Andernfalls würde das Handeln der Sicherheitsbehörden für die Zukunft erschwert. Dennoch erklärte der CDU-Politiker: "Die Lage ist ernst." Die Gefährdung bleibe weiterhin hoch. Viele Fragen zu den Hintergründen und Gründen der Absage könne er nicht konkret beantworten. "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern."
National-Elf in Sicherheit
Zuvor hatte die Polizei mitgeteilt, es gebe entsprechende Hinweise auf einen Anschlag, der von islamistischen Gefährdern geplant sei. Hannovers Polizeipräsident Volker Kluwe sagte, die Polizei sei informiert worden, dass jemand im Stadion einen Sprengsatz zünden wollte. Das sei erst geschehen, nachdem um 18.45 Uhr die Tore für die Besucher geöffnet worden seien.
Man habe rasch beschlossen, keine weiteren Menschen einzulassen, so Kluwe. Sowohl die Mannschaften als auch die Betreuer sowie die Offiziellen befänden sich in Sicherheit. Den Fans riet er, nach Hause zu gehen und sich ruhig zu verhalten. Für Anwohner in der Nähe des Stadions bestehe keine konkrete Gefährdung.
Die Evakuierung des Stadionbereiches verlief offenbar ohne Zwischenfälle. Die Polizei hatte die Zuschauer, die in langen Schlangen auf Einlass warteten, gebeten, "das Stadiongelände so schnell wie möglich" zu verlassen. Auf den Abfahrtswegen führte die Polizei Fahrzeugkontrollen durch.
Der niederländische Fußballbund reagierte schockiert auf die Absage des Länderspiels. "Es ist sehr traurig, dass unsere Gesellschaft als Folge von 'Paris' und früherer Terroranschläge so alarmiert sein muss, wie es jetzt der Fall ist", erklärte KNVB-Direktor Bert van Oostveen. Die niederländische Nationalmannschaft hatte noch am Abend mit dem Bus Hannover verlassen.
Bundesliga trotz Terrorangst
Wie DFB-Interimspräsident und Ligapräsident Reinhard Rauball mitteilte, soll am Wochenende trotz der Vorfälle Bundesliga-Fußball gespielt werden. Die Absage der Testpartie der deutschen Weltmeister gegen die Niederlande habe aber Folgewirkungen bei den nun zu klärenden Sicherheitsfragen, sagte Rauball der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte Rauball betont: "Mein Eindruck ist, dass der Fußball in Deutschland mit dem heutigen Tage in allen Facetten eine andere Wendung genommen hat."
Am vergangenen Freitag hatten Attentäter während der Begegnung von Deutschland bei EM-Gastgeber Frankreich schwere Terroranschläge verübt. Vor dem Stadion in Saint-Denis sowie in der Innenstadt von Paris kamen mindestens 129 Menschen ums Leben. Die deutsche Mannschaft hatte das Stade de France erst in den frühen Morgenstunden verlassen und war mit Polizeieskorte zum Flughafen gebracht worden. Die Partie gegen die Niederlande war als Jahresabschluss für die DFB-Elf geplant.
uh/nin/qu (dpa,rtr)