1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Fußball-Legende Franz Beckenbauer ist tot

8. Januar 2024

Im Alter von 78 Jahren ist Franz Beckenbauer, Lichtgestalt des deutschen Fußballs, gestorben. Egal was er anpackte, es wurde zu Gold. Erst gegen Ende seines Lebens fiel auch Schatten auf ihn.

Franz Beckenbauer | deutscher Fußballspieler
Der legendäre deutsche Fußballer Franz Beckenbauer ist gestorben, er wurde 78 Jahre altBild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

"Für den deutschen Fußball war und ist er das pure Glück. Nie hat es einen Besseren gegeben. Nie wird es einen Besseren geben." Das schrieb Weggefährte Günter Netzer zum 65. Geburtstag Franz Beckenbauers im Jahr 2010. Damals ahnten weder Netzer noch andere, dass von 2015 an, in Beckenbauers letzten Lebensjahren, Schatten auf die Lichtgestalt des deutschen Fußballs fallen würden.

Als Fußballer war der 1945 in München geborene Beckenbauer unumschränkter Herrscher auf dem Platz. Nicht umsonst wurde er "Kaiser Franz" gerufen. Über den Ursprung seines Spitznamens gibt es unterschiedliche Versionen. Er selbst führte gerne an, dass er 1971 am Rande eines Freundschaftsspiels der Münchener in Wien neben einer Büste des österreichischen Kaisers Franz I. für die Fotografen posiert habe und seitdem den Beinamen "Kaiser" nicht mehr losgeworden sei.

Andere benennen das Pokalendspiel 1969 gegen den FC Schalke als Geburtsstunde von "Kaiser Franz". Beckenbauer sei nach einem Foul an Gegenspieler Reinhard "Stan" Libuda, den man den "König von Westfalen" nannte, von den Schalker Fans mit einem Dauerpfeifkonzert belegt worden. Beckenbauers Antwort: Er jonglierte vor der Schalker Kurve 40 Sekunden lang mit dem Ball. Um diese Provokation nach dem Foul am "König" zu beschreiben, hätten Reporter den Begriff des Kaisers gewählt, heißt es.

"Ich galt als arroganter Pinsel"

Wie kein Zweiter prägte Beckenbauer die Rolle des modernen Liberos vor der Abwehr. Die Brust durchgedrückt, den Kopf oben, organisierte er das Spiel und machte es mit seinen präzisen langen Pässen, oft mit dem Außenrist gespielt, schnell. Allein schon die Körperhaltung wirkte fast schon überheblich, distanziert, eben "kaiserlich". Die Fußballanhänger erkannten an, dass Beckenbauer zu seiner Zeit einer der besten Spieler der Welt war, doch ein Publikumsliebling wurde er nie. "Ich galt als arroganter Pinsel mit einer arroganten Spielweise", erinnerte sich Beckenbauer später.

Beckenbauer mit den Bayern-Legenden Paul Breitner, Gerd Müller, Sepp Maier, Uli Hoeneß und Hans-Georg Schwarzenbeck (v.l.n.r.)Bild: Frinke/IMAGO

Als 13-Jähriger schloss er sich dem FC Bayern an, mit dem er in den späten 1960er und den glanzvollen 70er Jahren seine größten Erfolge auf Vereinsebene feierte. Mit Beckenbauer, der von 1970 bis zu seinem Abschied aus München 1977 auch Kapitän der Mannschaft war, räumten die Bayern einen Titel nach dem anderen ab: viermal deutscher Meister, viermal DFB-Pokalsieger, 1967 Europacupsieger der Pokalsieger, von 1974 bis 1976 dreimal in Serie Europapokalsieger der Landesmeister, Weltpokalsieger 1976.

Welt- und Europameister

Auch in der Nationalmannschaft trug Beckenbauer von 1971 an die Kapitänsbinde. Er war der erste deutsche Nationalspieler, der mehr als 100 Länderspiele absolvierte, insgesamt 103. Der "Kaiser" führte das DFB-Team, das sich um ihn und andere Bayern-Stars wie Sepp Maier, Paul Breitner, Uli Hoeneß und Gerd Müller gruppierte, zum Europameistertitel 1972 und zu seinem größten Erfolg als Spieler, dem Gewinn der Heim-Weltmeisterschaft 1974.

Der Höhepunkt als Spieler: Weltmeister 1974 im eigenen LandBild: Horstmüller/IMAGO

Im Herbst seiner Karriere wechselte Beckenbauer in die US-Liga, wo er an der Seite des brasilianischen Superstars Pelé spielte und dreimal US-Meister wurde. Seinen fünften deutschen Meistertitel holte der "Kaiser" 1982 mit dem Hamburger SV, auch wenn er in jener Spielzeit nur auf wenige Einsätze kam. HSV-Manager Günter Netzer hatte Beckenbauer 1980 zurück in die Bundesliga gelockt. Die letzte Saison seiner Karriere bestritt der Libero erneut bei Cosmos in New York, das verlorene Viertelfinale der US-Meisterschaft im September 1983 war Beckenbauers letztes Pflichtspiel. Die Liste der Ehrungen ist lang: So war Beckenbauer viermal "Fußballer des Jahres" in Deutschland, zweimal in Europa. Der "Kaiser" wurde sogar zu Deutschlands "Spieler des 20. Jahrhunderts" gekürt.

Vom "Suppenkasper" zum Weltmeister-Trainer

Im Grunde sei Beckenbauer schon als Fußballer ein spielender Trainer gewesen, schrieb einmal der bekannte deutsche Sportjournalist Hans Blickensdörfer. Da verwunderte es kaum, dass der "Kaiser" 1984, nur ein Jahr nach dem Karriere-Ende, auf die Trainerbank wechselte - und das gleich als Teamchef der Nationalmannschaft. Diesen Titel musste man beim DFB für Beckenbauer erst erfinden, hatte er doch weder einen Trainerlehrgang besucht, noch auf anderem Wege eine Trainerlizenz erworben. Die erhielt er später ehrenhalber.

1986 in Mexiko wurde das DFB-Team unter Beckenbauer Vizeweltmeister, doch zwischen Teamchef und Mannschaft hatte es ordentlich gekracht. Beckenbauer beschimpfte einige Spieler, die später als vereinbart ins Teamquartier zurückgekehrt waren, als "Idioten". Torwart Uli Stein wurde heimgeschickt, nachdem er den "Kaiser" in Anspielung auf dessen frühere Werbeauftritte für einen Lebensmittelkonzern als "Suppenkasper" verspottet hatte.

Weltmeister-Trainer 1990: Beckenbauer mit seinen Spielern Lothar Matthäus und Andreas Brehme (r.)Bild: Wolfgang Eilmes/dpa/picture alliance

Vier Jahre später war dies alles vergessen. Das Bild Franz Beckenbauers nach dem 1:0-Sieg gegen Argentinien im WM-Finale 1990 in Rom - alleine über den Rasen schreitend, die Hände in den Taschen, in Gedanken vertieft - ging um die Welt. Der Kaiser hatte eine "Pfadfindertruppe", wie es der damalige Kapitän Lothar Matthäus formulierte, zum WM-Titel geführt: "Wir Spieler haben Franz alles geglaubt", sagte Rekordnationalspieler Matthäus.

"Ersatz-Außenminister für Deutschland"

Es schien, als würde alles, was Beckenbauer anfasste, zu Gold. Zweimal sprang er später noch als Übergangstrainer des FC Bayern ein: 1994 sicherte er nach der Entlassung von Erich Ribbek den Meistertitel, 1996 holte er als Nachfolger des glücklosen Otto Rehhagel mit den Münchenern den UEFA-Pokal. Zu diesem Zeitpunkt war Beckenbauer bereits Präsident des FC Bayern, insgesamt 15 Jahre lang stand er an der Spitze des deutschen Rekordmeisters. Und auch auf Funktionärsebene im Deutschen Fußball-Bund (DFB) sicherte man sich die Dienste der Lichtgestalt.

Beckenbauer - hier mit dem damaligen FIFA-Chef Joseph Blatter - war Organisationschef der WM 2006 in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/T. Eisenhuth

Seit 1998 saß der "Kaiser" im DFB-Präsidium. Wenig später wurde er Chef des Bewerbungskomitees um die WM 2006. Dass er sie nach Deutschland holte und dass sie unter ihm als Chef des Organisationskomitees zum "Sommermärchen" wurde, überraschte kaum jemanden. Typisch Beckenbauer, hieß es damals. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" bezeichnete ihn seinerzeit als "nichtstaatstragenden Ersatz-Außenminister für Deutschland", der "genauso unangestrengt Politik zu machen vermag, wie er Fußball spielte".

Beckenbauers Unterschrift unter belastenden Dokumenten

Der "Spiegel" war es dann jedoch auch, der Beckenbauer 2015 vom Sockel seines imaginären Denkmals stieß. Das Magazin deckte eine ominöse Millionenzahlung des deutschen WM-Bewerbungskomitees vor der Vergabe des Turniers auf. Der Verdacht: Mit dem Geld sollten Stimmen gekauft werden. Der DFB wies dies zurück, räumte die Zahlung aber ein. Nach langem Zögern brach Beckenbauer schließlich sein Schweigen: "Für diesen Fehler trage ich als Präsident des damaligen Organisationskomitees die Verantwortung", sagte er. Ein Stimmenkauf habe aber nicht stattgefunden. Dies wiederholte Beckenbauer auch später immer wieder. Doch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten auch gegen ihn. Belastende Dokumente trugen seine Unterschrift. "Ich habe immer blind unterschrieben, sogar blanko", beteuerte Beckenbauer.

Zunehmende gesundheitliche Probleme

Wegen der WM-Affäre zog er sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück, zuletzt lebte er mit seiner dritten Ehefrau überwiegend in Salzburg. Beckenbauer war Vater von fünf Kindern aus verschiedenen Beziehungen. Sein Sohn Stephan starb 2015 im Alter von 46 Jahren an einem Gehirntumor. "Das war der größte Verlust in meinem Leben", sagte Beckenbauer später: "Ich weiß nicht, ob man den Tod seines Kindes jemals verarbeiten kann. Wahrscheinlich nicht."

In den letzten Jahren machte sich Beckenbauer - hier 2019 bei einer Veranstaltung im Deutschen Fußballmuseum - in der Öffentlichkeit rar Bild: Getty Images/A. Rentz

In den vergangenen Jahren nahmen die gesundheitlichen Probleme Beckenbauers zu. 2016 und 2017 musste er am Herzen operiert werden. Außerdem erlitt er einen Augeninfarkt, zuletzt konnte er auf dem rechten Auge nicht mehr sehen. "Er hat schwer daran zu tragen, auch an dem Theater um seine Person", sagte damals Uli Hoeneß, Bayern-Präsident und langjähriger Weggefährte Beckenbauers. "Er hat Unglaubliches geleistet und nichts in seine Tasche gesteckt. Irgendwann muss mal Ruhe sein. Man sollte ihn irgendwann mal in Frieden leben lassen." Im Juli 2019 wurde das Ermittlungsverfahren der Schweizer Bundesanwaltschaft gegen Beckenbauer von den anderen Verfahren zur WM-Affäre abgetrennt - aus Rücksicht auf den sich verschlechternden Gesundheitszustand des "Kaisers".

Bei der Trauerfeier für Uwe Seeler im August 2022 fehlte Beckenbauer ebenso wie bei der Beisetzung der brasilianischen Fußball-Legende Pelé im Januar 2023. "Ich werde meinen Freund im Herzen auf seinem letzten Weg begleiten", sagte Beckenbauer. Ob er irgendetwas in seinem Leben bereue, wurde der deutsche Fußball-"Kaiser" vor einigen Jahren gefragt. Beckenbauer antwortete: "Bereuen? Was denn? Nein!"

Bereits am Sonntag starb Franz Beckenbauer nach Angaben seiner Familie im Alter von 78 Jahren. 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen