An der Fußball-WM 2018 in Russland wird China wahrscheinlich nicht teilnehmen. Die Nationalelf der Männer konnte bisher kein einziges Qualifikationspiel gewinnen, trotz üppiger Sponsorengelder für die Vereine.
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Nach der 0:2-Niederlage der chinesischen Nationalmannschaft am vergangenen Dienstag im usbekischen Taschkent zog der chinesische Trainer Gao Hongbo die Konsequenz. Der Rücktritt war anscheinend schon vorher beschlossene Sache. "Ich habe schon gestern Abend mit den Verantwortlichen des Verbands gesprochen", sagte Gao auf der PK, "sie glauben, dass der Nationaltrainer für die schlechten Resultate Verantwortung übernehmen muss. Ich habe meinen Rücktritt angeboten." Noch ehe seine Stellungnahme ins Englische übersetzt werden konnte, verließ Gao den Raum.
Bye bye WM 2018?
China startete dieses Jahr besonders schlecht in die WM-Qualifikation. Die Mannschaft konnte bisher kein einziges Spiel gewinnen und verlor zuletzt gegen Syrien im Heimspiel 0:1 und gegen Südkorea 2:3. Nur gegen den Iran konnte China durch ein 0:0 einen einzigen Punkt sichern. Damit steht China auf dem letzten Platz in der Gruppe A und hat nur noch theoretisch eine Chance zur Teilnahme an der WM 2018.
"Meine liebe Nationalelf, wie soll ich das kommentieren?", schrieb der Autor der Volkszeitung nach der Niederlage gegen Syrien. "Liebe Fans, bitte seid nicht so traurig, dass Ihr vor Verzweiflung krank werdet."
Bisher hat China nur einmal an der Fußballweltmeisterschaft teilgenommen. 2002 waren die Gastgeber Japan und Südkorea automatisch qualifiziert, gegen die China kaum eine Chance gehabt hätte. 32 Jahre lang konnte China kein einziges Spiel gegen Südkorea gewinnen können. Nur einmal, bei der Ostasiatischen Fußballmeisterschaft 2010, hat China gegen Südkorea gewonnen, mit 3:0.
Erfolglos trotz reichlich Geld
Der Profifußball in China hat kein Geldproblem. Die 16 Mannschaften der chinesischen Superliga CSL haben Insidern zufolge ein Mindestetat von umgerechnet 140 Millionen Euro - pro Club wohl gemerkt. Zum Vergleich: der deutsche Bundesligist Hertha BSC plant für die kommende Spielzeit mit einem Budget von 102 Millionen Euro.
Die Sponsoren schätzen die riesige Fangemeinde in China und sind bereit, Geld in die Mannschaften zu stecken. Guangzhou Evergrande, die seit 2011 fünf Jahre in Folge die Meisterschaft gewann, war auch international erfolgreich. Zweimal war der Verein Gewinner der asiatischen AFC Champions League.
Chinas Profiliga lockt mit astronomischen Gehältern. So verdient der ehemalige Nationaltrainer Brasiliens, Luiz Felipe Scolari, seit 2015 Trainer bei Guangzhou Evergrande, fünf Millionen Euro zuzüglich Boni. Bei Thomas Tuchel, dem Trainer vom deutschen Bundesligist Borussia Dortmund (BVB), soll das Fixgehalt bei vier Millionen liegen. Der deutsche Trainer Felix Magath kassiert bei chinesischen Proficlub Shandong Luneng 3,5 Millionen Euro.
Doch China konnte bisher keine starke Nationalmannschaft zusammenstellen - trotz einer Vielzahl an hoch dotierten und international erfahrenen Trainern aus verschiedenen europäischen Ländern, die seit 2000 allesamt in China gescheitert sind. Im Fußball ist China statistisch gesehen das Reich des Mittelmaßes: Auf der Männer-Weltrangliste des Weltfußballverbands FIFA steht China derzeit auf Platz 78 von 205, noch hinter Ländern wie Libyen, Burkina Faso oder Trinidad und Tobago.
Xi lässt sich Enttäuschung nicht anmerken
ObwohlStaatspräsident Xi Jinping öffentlich noch nie die Leistung der chinesischen Nationalelf kommentiert hat, dürfte er schmerzlich enttäuscht sein. Denn er ist großer Fußballfan, 1983 soll er wütend das Stadion verlassen haben, als Chinas Nationalmannschaft in einem Freundschaftsspiel gegen ein englisches Team fünf Tore kassierte. Es heißt, er schaue gern bis tief in die Nacht Live-Übertragungen. 2014 schaute er sich am Rande des Staatsbesuchs in Deutschland mit großem Interesse ein Freundschaftspiel zwischen der U13 des VfL Wolfsburg und einer chinesischen Jugendauswahl an. In der Halbzeitpause begrüßte Xi jeden Spieler per Handschlag. Xi will, dass China eines Tages die Fußballweltmeisterschaft veranstaltet und - noch besser - den Titel holt.
Verbandschef desinteressiert
In China konzentriert sich die Kritik von Fans und Sportexperten angesichts des Dauermisserfolgs auf den Verbandsvorsitzenden Cai Zhenhua. Der gilt als erfolgreichster Trainer in der Sportgeschichte Chinas, allerdings für Tischtennis. Jetzt ist er Vorsitzender der Verbände für Fußball, Tischtennis und Badminton in Personalunion. Fußballfans werfen ihm Desinteresse vor. Eine Videoaufnahme zeigt, dass Cai im Stadion mit dem Handy gespielt und nicht mal gejubelt hat, als Guangdong Evergrande im Finale der Asiatischen Champions League 2015 das erste Tor schoss.
Prominente Fußballer in China
Fernost ruft und die Fußballstars kommen. Warum? China ist kein traditionelles Fußballland. Aber das Interesse seitens der Bevölkerung und der Wirtschaft ist riesig. Und die letztere lockt mit astronomischen Gehältern.
Bild: Marco Longari/AFP/Getty Images
Graziano Pelle
Der Italiener gehört zu den Entdeckungen der EM. Der Mittelstürmer überzeugt mit starken Leistungen und zwei Toren. Das weckt Begehrlichkeiten: Angeblich wollen der FC Chelsea, Besiktas Istanbul und West Ham United den 32-Jährigen. Aber Pelle unterschreibt beim chinesischen Erstligisten Shandong Luneng. Sein Jahresgehalt: Umgerechnet etwa 16 Millionen Euro.
Bild: Reuters/D. Staples
Papiss Demba Cissé
Pelles neuer Teamkollege bei Shandong Luneng Taishan ist der 31-jährige Senegalese Papiss Demba Cissé. Der Verein, zur Halbzeit der Meisterschaft im Tabellenkeller, will mit Cissés Erfahrungen in Frankreich (FC Metz), England (Newcastle United) und Deutschland (FC Freiburg) punkten. Und hofft natürlich auf viele Tore des Stürmers.
Bild: picture-alliance/dpa
Felix Magath
Auch der Trainer des letztjährigen Meisterschaftsdritten ist neu. Es ist ein Deutscher: Felix Magath, ehemaliger Meistertrainer beim VfL Wolfsburg. Sein letzter Job beim englischen Zweitligisten FC Fulham ist schon zwei Jahre her. Jetzt erklärt er auf seiner Facebook-Seite, er sei "sehr interessiert am großen Aufbruch" in der kaufkräftigen chinesischen Super League (CSL).
Bild: picture-alliance/dpa/P. Powell
Anthony Ujah
Der Bundesligaspieler verlässt auf eigenen Wunsch Werder Bremen und verdient nun beim chinesischen Erstligisten Liaoning FC sein Geld. Dessen Ligarivale Guangzhou Evergrande wollte den Nigerianer bereits im Winter verpflichten. Damals aber steckte Bremen noch im Abstiegskampf. Ujah spielt nun mit seinem Ex-Kollegen Assani Lukimya, der bereits seit Anfang des Jahres in China sein Geld verdient.
Bild: picture-alliance/dpa/C. Jaspersen
Hulk
Das bisher meiste Geld für einen Spieler blättert Shanghai SIPG hin: 56 Millionen Euro zahlt der Verein für Hulk - das ist Rekord auf dem asiatischen Markt. Der Brasilianer ist ein Weltenbummler, der bullige Stürmer spielt mal in Japan, Portugal, Russland und nun eben China. Sein Coach ist auch ein Altbekannter: Sven-Göran Eriksson, seinerzeit englischer Nationaltrainer.
Bild: picture-alliance/dpa/M. de Almeida
Renato Augusto
Renato Augusto (r.) - ja, den kennen wir auch aus der Bundesliga, im Trikot von Bayer Leverkusen. Er war auch bei Schalke 04 im Gespräch. Aber selbst der von Gazprom gesponserte Klub kam an ein Jahresgehalt von neun Millionen nicht ran. Also heißt jetzt sein Klub: Beijing Guoan. Weil man, so Augusto,"als Fußballer nur zehn Jahre Zeit hat, um Geld zu verdienen."
Bild: Bongarts/Getty Images
Alex Teixeira
Auch die Vereine profitieren von den unglaublichen Transfersummen: Schachtar Donezk kaufte 2009 Alex Teixeira für neun Millionen Euro. Nun überweist Jiangsu Suning dem ukrainischen Klub mal eben 50 Millionen. Liverpool war auch interessiert, bot jedoch "nur" 36 Millionen Euro. Auch Teixeira selbst wird fürstlich entlohnt: Sein Jahresgehalt liegt bei zehn Millionen.
Bild: picture-alliance/dpa/N.Potts
Jackson Martínez
Für schlappe 42 Millionen Euro lässt Atletico Madrid Jackson Martínes zu Guangzhou Evergrande ziehen. Einst wegen seiner vielen Tore für den FC Porto einer der begehrtesten Spieler Europas, enttäuschte der Kolumbianer beim spanischen Hauptstadtklub. Martinez war gerade sechs Monate dort. Trotzdem macht Atletico einen Gewinn von sieben Millionen Euro.
Bild: Reuters&/R. Marchante
Ramires
Dem einen oder anderen scheint es aufgefallen zu sein: Brasilianische Fußballspieler stehen in China besonders hoch im Kurs. Ramires sitzt beim FC Chelsea zuletzt mehr auf der Ersatzbank, als dass er in der Startelf steht. Er geht dorthin, wo ihm Anerkennung entgegengebracht wird und er noch Geld für die Rente beiseite legen kann: zu Jiangsu Suning. Chelsea freut sich über 28 Millionen Euro.
Bild: Getty Images
Gervinho
Sind sie in China aufgrund seines verschossenen Elfmeters beim Afrika Cup 2012 auf ihn aufmerksam geworden oder weil er als Flügelspieler unter anderem bei so renommierten Klubs wie dem FC Arsenal und dem AS Rom spielte? Wir wissen es nicht. Was wir wissen: Der Nationalspieler der Elfenbeinküste kickt jetzt bei Hebei China.
Bild: picture-alliance/dpa/B. Aldworth
Fredy Guarin
Der kolumbianische Nationalspieler kickte bei Inter Mailand im zentralen Mittelfeld. Doch seine Einsätze wurden immer kürzer, und dann hatte er bald kaum mehr welche. Bei Shanghai Greenland Shenhua ist Fredy Guarin dagegen Stammspieler. Und er war dem Klub immerhin noch zwölf Millionen Euro Ablöse wert.
Bild: picture alliance/dpa/C. Diaz
Paulinho
Und noch ein Brasilianer: Durch die Erfolge mit den Corinthians in São Paulo wurden auch die europäischen Vereine auf den zentralen Mittelfeldspieler aufmerksam. Aber nach nur zwei Jahren bei Tottenham Hotspur wechselte er für 14 Millionen Euro zu Guangzhou Evergrande. Dort traf er auf seinen ehemaligen Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari.
Bild: Marco Longari/AFP/Getty Images
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Ein Startrainer sei kein Allheilmittel, Cai habe nichts getan, um die strukturbedingten Missstände im Verband zu beseitigen und chinesischen Nachwuchs in der Profiliga CSL zu fördern, so die Kritik. In der vergangenen Saison 2015/16 waren unter den 20 besten Torschützen in der CSL nur zwei Chinesen. Die Männer müssten sich vielleicht mal bei den Frauen umsehen. Die chinesische Frauenmannschaft kann mit nämlich mit Erfolgsstatistiken aufwarten: WM-Zweite 1999, im WM-Viertelfinale 2015, Silber bei Olympia 1996, sieben Mal Sieger bei der Asien-Meisterschaft in Folge seit 1986, zuletzt Platz 3 im Jahr 2014.