Das Mullah-Regime in Iran plant offenbar die Hinrichtung des Fußballprofis Amir Nasr-Azadani. Auch Ashkan Dejagah sitzt in Iran wegen seiner Solidarisierung mit den Protestlern fest.
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Während die massive Protestbewegung der Menschen in Iran gegen die theokratisch-diktatorische Staatsführung des Landes inzwischen im vierten aufeinander folgenden Monat kontinuierlich voranschreitet, schraubt das Regime unaufhörlich weiter an der brutalen Unterdrückung der eigenen Bürger.
Das immense Ausmaß der Repressionen gegen die Freiheitsbewegung spiegelt sich auch durch Formulierung unnachvollziehbarer Anklagen nebst grausamen Justizurteilen gegen politische Inhaftierte wider. Unter den schätzungsweise 20.000 Gefangenen, die wegen ihrer Teilnahme an Demonstrationen gegen das Mullah-Regime während der letzten drei Monate festgenommen worden sind, befinden sich auch zahlreihe namhafte Sportler.
Nach der öffentlichen Hinrichtung des 23-jährigen Ringers Madschidreza Rahnavard (Anm. d. Red.: durch Erhängen an einem Baukran in der Großstadt Maschhad am 12. Dezember), ist nun auch der Profifußballer Amir Nasr-Azadani (26) vom gleichen Schicksal bedroht. Dem ehemaligen U21-Nationalspieler Irans, der zuletzt beim iranischen Zweitligisten Iranjavan FC unter Vertrag stand, wird unter anderem "Aufruhr gegen die Behörden" und "Krieg gegen Gott" vorgeworfen.
Die Auslegung des in der Islamischen Republik herrschenden Strafgesetztes sieht hierfür die Todesstrafe vor. Die Urteilsverkündung erfolgte nur wenige Tage nach der Verhaftung des Fußballers am 18. November und jenseits rechtstaatlicher Prinzipien. Der Profifußballer hatte zudem keinen rechtlichen Beistand. Menschenrechtsaktivisten zufolge errang die Mullah-Justiz unter Folter Zwangsgeständnisse von Nasr-Azadani.
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Weltweite Solidarität mit Nasr-Azadani
Die Gewerkschaft der Berufsfußballer, FIFPro, reagierte empört auf die mögliche Hinrichtung von Amir Nasr-Azadani. Das Urteil habe FIFPro "schockiert und angewidert", denn Nasr-Azadani habe sich "für die Rechte der Frauen und die grundlegenden Freiheiten in seinem Land eingesetzt".
Unterdessen hat der Bundestagsabgeordnete Andreas Larem die politische Patenschaft für Amir Nasr-Azadani übernommen. Aus der Sicht des SPD-Politikers solle "offensichtlich ein Exempel statuiert werden, um die Protestbewegung zum Erliegen zu bringen."
Der Darmstädter Politiker betont: "Wir können nicht eine ganze Generation, die für Menschenrechte und Freiheit eintritt, im Gefängnis verrotten lassen oder zusehen, wie einer nach dem anderen hingerichtet wird." Larem fordert "die sofortige Freilassung von Amir Nasr Azadani und der anderen Verurteilten".
Auch zahlreiche Profifußballer aus aller Welt solidarisieren sich mit Nasr-Azadani. Bekannte Unterstützer sind unter anderem die Nationalspieler Uruguays Luis Suarez, Ronald Araujo und Diego Godín, der kolumbianische Nationalfußballer Radamel Falcao und der spanische Profi Marc Barta.
Ebenfalls bekundet die internationale Musikszene ihre Unterstützung für Nasr-Azadani. Die Pop- und Rock-Sängerin Shakira unterstreicht in einem Tweet: "Der Kampf für Gleichheit und Menschenrechte muss gewürdigt und nicht bestraft werden. Ich stehe solidarisch hinter Amir Nasr-Azadani."
Ashkan Dejagah in Iran festgehalten
Die Welle der Unterdrückung der Sportler in Iran hat unlängst auch den ehemaligen deutschen U21-Nationalspieler Ashkan Dejagah mit voller Wucht erfasst. Der U21-Europameister von 2009 steht in dieser Saison beim iranischen Verein Foolad FC Khuzestan unter Vertrag. Gegen den Deutsch-Iraner wurde im November ein Ausreiseverbot aus dem Iran verhängt, weil er einige Tage zuvor an einer Freiheitskundgebung von Protestierenden gegen die iranische Staatsmacht am Brandenburger Tor in Berlin teilgenommen hatte.
Zudem teilte sein Berater Reza Fazeli via Twitter mit, dass sein Klient wegen des Ausreiseverbots nicht am Trainingslager seiner Mannschaft in Dubai teilnehmen dürfe, da er den Angehörigen der zuletzt durch das Regime Getöteten sein Beileid bekundet haben soll.
Dem regimenahen Nachrichtendienst mashreghnews zufolge soll der ehemalige Profi der Berliner Hertha und des VfL Wolfsburg festgenommen worden sein und gegenwärtig in Haft sitzen.
Doch was bezwecken die Diktatoren im Mullah-Regime mit der weiteren Eskalation der Repressalien im Land? Der in Berlin lebende iranische Taekwondo-Profi Kasra Mehdipournejad erkennt im Gespräch mit der Deutschen Welle dafür plausible Hintergründe: "Die Islamische Republik will mit der Festnahme nebst Hinrichtung von Sportlern Angst und Schrecken unter der Bevölkerung verbreiten. Kritik an der Staatsführung wird als Feindschaft gegenüber Gott eingestuft und mit Hinrichtung bestraft."
An die Adresse von Staatschef Ali Khamenei richtet Mehdipournejad die süffisante Frage: "Seit wann haben Sie denn eigentlich Gottesstatus, woraus Sie solche Befähigungen ableiten Justizurteile dieses Kalibers auszustellen?"
Wie kann jedoch andererseits die internationale Weltgemeinschaft angemessen auf den vorherrschenden Terror im iranischen Mullah-Staat reagieren und der willkürlichen Gewalt der islamischen Machthaber Einhalt gebieten? Der iranisch-stämmige Mainzer Menschenrechtsaktivist Mehdi Jafari Gorzini erklärt hierzu gegenüber der Deutschen Welle: "Die Liste der verhafteten und hingerichteten Sportler:innen in Iran ist lang. Die gesamte Sportwelt sollte sich mit bedrohten Sportlerinnen und Sportlern in Iran solidarisieren."
Aus der Sicht des Mainzers habe zudem eine nachhaltige "Boykottierung aller iranischen Sportverbände - als Zeichen der Solidarität - eine Signalwirkung".
"Frau, Leben, Freiheit" - drei Monate Proteste im Iran
Der gewaltsame Tod von Jina Mahsa Amini löste im Iran die größte Protestbewegung seit Jahrzehnten gegen das repressive Herrschaftssystem der Islamischen Republik aus. Der Staat reagiert mit aller Härte. Eine Chronologie.
Bild: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images
Gesicht einer Revolution
Sie ist das Gesicht des Widerstands im Iran: Am 13. September 2022 wird Jina Mahsa Amini in Teheran von der Sittenpolizei verhaftet, weil ihre Kleidung und ihr Kopftuch nicht den offiziellen Regeln der Islamischen Republik entsprechen. Drei Tage später ist die 22-jährige Kurdin tot - höchstwahrscheinlich infolge der Behandlung der Sicherheitsbehörden. Ihr Tod löst eine Revolution im Land aus.
Bild: Kenzo Tribouillard/AFP
„Frau, Leben, Freiheit!“
Am 17. September beginnt der Aufstand gegen das Mullah-Regime: Bei der Beerdigung Aminis in ihrem kurdischen Heimatort Saghes nehmen Frauen ihre Kopftücher ab, schwenken sie in der Luft und rufen "Jin, Jiyan, Azadî" - zu deutsch "Frau, Leben, Freiheit". Der Ruf wird zum Slogan der neuen iranischen Revolution. Am 40. Tag nach Aminis Tod kommen Tausende zum Friedhof.
Bild: UGC/AFP
Aufstand gegen die Ajatollahs
Aminis Tod ist der Auftakt zu einer historischen Bewegung: Seither erschüttern Proteste gegen die repressive Regierung alle Regionen des Irans, so wie hier Ende September in Teheran. Nicht nur Frauen nehmen an den Demonstrationen teil, sondern Menschen jeden Alters und aller Ethnien und Geschlechter. Es ist der größte Aufstand gegen das Regime seit Ausrufung der Islamischen Republik Iran 1979.
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Ohne Hidschab - und mit viel Mut
Eine von vielen: Immer mehr Frauen, wie diese in der kurdischen Stadt Sanandaj, gehen ohne den obligatorischen Hidschab auf die Straße. Sie beweisen damit großen Mut: Wer gegen die Zwangsverschleierung verstößt, riskiert Peitschenhiebe und Haft. Und wie Verhaftungen im Iran enden können, hat der Fall Amini gezeigt.
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Haare zeigen - und Haltung
Doch Frauen und Mädchen lassen sich nicht einschüchtern: Diese Schülerinnen haben ihre Kopftücher abgenommen und rufen "Tod dem Diktator!" - gemeint ist Ajatollah Ali Chamenei. An den Universitäten kommt es zu Massenprotesten. Außerdem wird im ganzen Land gestreikt: Lehrkräfte, Studierende, aber auch Ölarbeiter legen die Arbeit nieder. In Kurdistan findet Anfang Dezember ein Generalstreik statt.
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Schlagstöcke gegen Protestierende
Das Regime reagiert mit massiver Gewalt: Polizei und die berüchtigten Basidsch-Milizen versuchen, die Proteste niederzuschlagen. Auf dem Foto ist zu sehen, wie sich Polizisten mit Schlagstöcken einer Gruppe fliehender Demonstrierender nähern. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass mehr als 400 Menschen von Sicherheitskräften getötet wurden, darunter zahlreiche Kinder und Jugendliche.
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Wer Widerstand leistet, wird weggesperrt
Willkür und Brutalität: Augenzeugenberichten zufolge schlagen Polizei und Milizen Demonstrierende brutal zusammen, einige sollen teilweise von hinten erschossen worden sein. Zudem kommt es zu Massenverhaftungen: 14.000 Menschen sollen wegen ihrer Teilnahme an Protesten inhaftiert sein - so wie diese in einen Polizeiwagen gesperrten Frauen in Teheran.
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Die Hölle der Häftlinge brennt
Die Gefängnisse füllen sich mit politischen Gefangenen. Besonders das berüchtigte Evin-Gefängnis in Teheran ist ein Symbol für Repression: Hier wird die politische und intellektuelle Opposition unter katastrophalen Bedingungen eingesperrt, Überlebende berichten von Folter. Mitte Oktober brennt es in Evin; wie viele Gefangene sterben oder verschleppt werden, bleibt unklar.
Bild: UGC
Klettern ohne Kopftuch
Prominente aus Kunst, Kultur und Sport schließen sich den Protesten an. Das Team der Fußball-Nationalmannschaft weigert sich, bei der WM in Katar die iranische Nationalhymne mitzusingen. Die Kletterin Elnaz Rekabi tritt bei einem Wettkampf in Seoul ohne Hidschab an, die Bilder gehen um die Welt. Sie wird jedoch schnell zum Schweigen gebracht: Rekabi muss eine Entschuldigung abgeben.
Bild: Rhea Kang/AFP
Meine Haare, mein Leben
Weltweit erfährt die Protestbewegung viel Unterstützung: Tausende demonstrieren von Paris bis San Francisco für einen Regimewechsel in Teheran. In Istanbul schneidet sich diese Exil-Iranerin vor dem iranischen Konsulat aus Solidarität mit den unterdrückten Frauen in ihrem Heimatland die Haare ab. Prominente Frauen - und auch Männer - überall auf der Welt ahmen die Geste nach.
Bild: YASIN AKGUL/AFP/Getty Images
Leuchtende Solidarität
Das Schicksal der drangsalierten Frauen im Iran berührt die Welt - und der Aufstand der Bevölkerung erfährt viel Solidarität: Das Brandenburger Tor in Berlin wird mit den kurdischen Worten "Frau, Leben, Freiheit" angestrahlt. Das US-amerikanische Time Magazine kürt die iranischen Frauen zu den "Heldinnen des Jahres 2022“.
Bild: Markus Schreiber/AP/picture alliance
"Nein zur islamischen Republik"
Die weltweiten Proteste - hier eine Demonstration in Toronto - setzen die Regierung in Teheran unter Druck. Die zusätzlichen Sanktionen belasten die Wirtschaft des Landes massiv. Der Währungskurs des Rial ist seit September im Vergleich zu Euro und Dollar um mehr als 20 Prozent gesunken - ein Rekordtief. Schon vor Beginn der Demonstrationen befand sich das Land in einer akuten Finanzkrise.
Bild: Creative Touch Imaging Ltd/NurPhoto/IMAGO
Galgen für "Gottes Feinde"
Teheran reagiert auf die Proteste mit noch mehr Härte. Zwei inhaftierte Demonstranten wurden bereits hingerichtet: Der Rapper Mohsen Schekari und der hier auf einem Handy-Display zu sehende Majidreza Rahnavard. Mindestens 38 weiteren inhaftierten Demonstranten droht die Exekution wegen "Feindschaft gegen Gott". Sogar Kinder können im Iran exekutiert werden.
Bild: AFP/Getty Images
"Wer Wind sät, wird Sturm ernten"
Blutige Tränen: Eine Demonstrantin protestiert bei einer Partie des Irans während der Fußball-WM in Katar. Im Ausland herrscht Entsetzen über die Hinrichtungen: Die EU-Staaten verurteilen sie geschlossen und verhängten weitere Sanktionen. Die Proteste im Iran gehen indes weiter: "Wer Wind sät, wird Sturm ernten", kündigen die Regimegegner an. Jina Mahsa Amini soll nicht umsonst gestorben sein.