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Fußballsponsor stellt die Machtfrage

Alina Schwermer
4. Juni 2021

Sponsor "Flyeralarm" hat den DFB in der abgelaufenen Saison wegen Schiedsrichterentscheidungen in der 2. Liga massiv unter Druck gesetzt. Im Frauenfußball aber engagiert er sich weiter - es nützt dem Image.

Deutschland Frauenfussball VfL Wolfsburg gegen FC Bayern München
Bild: Sebastian Priebe/regios24/imago images

Wenn an diesem Wochenende die Frauen-Bundesliga ihren letzten Spieltag austrägt, wird der Name des Titel-gebenden Sponsors wieder omnipräsent sein: "Flyeralarm Frauen-Bundesliga". Seit 2019/20 ist die Online-Druckerei Namensgeberin der Liga - und sie wird es bleiben. So viel steht fest nach einem kuriosen PR-Stunt im April gegen den DFB. Ein Lehrstück über den Fußball und die Rolle der Frauen.

Flyeralarm hat ein Herz für Frauenfußball. So behauptet es das Unternehmen selbst. Seit 2013 ist es Premiumpartner der Frauen-Nationalelf. Und seit 2019 gibt der Sponsor das hauseigene Frauenfußball-Magazin "Elfen" heraus, passend zum Namens-Sponsoring der Liga. Optisch soll es nach dem Magazin "11Freunde" aussehen. Aber inhaltlich gibt es beim Magazin "Elfen" einen feinen Unterschied: Es wird von Flyeralarm finanziert. Es entsteht nach eigenen Angaben in enger Zusammenarbeit mit dem DFB. Damit ist es weit entfernt von Unabhängigkeit. Für das Unternehmen sei "Frauenfußball eine Herzenssache", wird die Sponsoring-Beauftragte Amelie Schneider zitiert - und er ist gleichzeitig auch eine nützliche Plattform.

Sport-Sponsoring als Marketingkonzept

Flyeralarm hat aber nicht nur ein Herz für Frauenfußball. Die expandierende Druckerei sponsert auch die Männer-Nationalelf. Und die Würzburger Kickers, denen sie den Weg in die 2. Liga der Männer mitfinanzierte. Sie hat auch ein Herz für den österreichischen Verein Admira Wacker Mödling, der seit einigen Jahren den Vornamen FC Flyeralarm trägt. Es profitierten auch schon der FC St. Pauli, die Basketballer des FC Bayern und einige andere von den Sponsoring-Aktivitäten des Unternehmens. "Flyeralarm sieht Sport-Sponsoring seit jeher als wichtigen Bestandteil des Marketingkonzepts", schreibt das Unternehmen. Und wollte auch Einfluss auf das Spiel haben.

 

Stuttgarts Stürmer Sasa Kalajdzic (r.) kam vom "Flyeralarm-Klub" Admira aus Österreich Bild: Herbert P. Oczeret/APA/picturedesk.com/picture-alliance

Im April drohte Gründer Thorsten Fischer an, alle Werbeverträge mit dem DFB kündigen zu wollen - wegen Schiedsrichter-Fehlentscheidungen gegen die Würzburger Kickers. "Ich habe den Glauben wie die Hoffnung an eine Gleichbehandlung und seriöses Geschäftsgebaren verloren", sagte Fischer damals. Es folgten große mediale Aufregung und eine Welle der Kritik, mit der Fischer offenbar nicht gerechnet hatte. Einen Vertrag mit dem DFB hatte Flyeralarm allerdings ausdrücklich davon ausgenommen: den der Frauen. "Weil die Frauen in dieser männerlastigen Domäne DFB überhaupt nichts dafür können. Flyeralarm hat weiterhin ein großes Herz für den Frauenfußball."

Schiefe Argumentation

Fischers Argumentation erscheint allerdings eher als infantilisierend und auch als schief, schließlich kann auch die Nationalelf der Männer nichts dafür, welche Schiedsrichterentscheidungen getroffen werden. Die Vereinigung der Schiedsrichter ist sogar eine der wenigen, in denen Frauen auch im Männerbereich auf höchsten Niveau aktiv sind. 

Frauenfußball bekommt dadurch, dass er weniger kommerziell ist als der Männerfußball, sehr viel häufiger eine positive Berichterstattung. Unternehmen erhalten viel öffentliches Lob, wenn sie Frauensport finanzieren - etwa Nike für seine Kampagnen. Kritik am Unternehmen kann dahinter verschwinden.

Flyeralarm-Geschäftsführer und Gründer Thorsten FischerBild: Daniel Karmann/dpa/picture alliance

Gegenüber der DW wollte Flyeralarm sich nicht äußern. Ein Sprecher verwies darauf, dass aufgrund der Urlaubszeit die Reaktionszeit "etwas länger als üblich" sei und deshalb kurzfristig keine Fragen beantwortet werden könnten. Generell verhielt sich das Unternehmen im Nachgang still. In der "Süddeutschen Zeitung" erschien kurz nach Fischers Kündigungsdrohung ein Text, der die Vorwürfe erneuerte, die die Gewerkschaft Verdi seit langem gegen die Druckerei äußert: Beschäftigte sollen dort mit Niedriglöhnen bezahlt werden, bis zu 50 Prozent geringer als marktüblich. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden ausgebeutet, Betriebsrats-Arbeit verhindert, so lauten die Vorwürfe seit vielen Jahren. Im Frauenfußball gibt es dennoch keinerlei Debatte über den Unterstützer. Im Verband ist man offenbar froh, wenn jemand Geld gibt. Für Flyeralarm wiederum dürften die Frauen eine wichtige Funktion erfüllen: Sie polieren das Image auf.

Einflussnahme läuft oft subtiler

Dann ist da noch zweite Ebene: die der versuchten Einflussnahme auf die Schiedsrichterinnen und die Schiedsrichter. Transparency International kritisierte das Vorgehen von Flyeralarm scharf. Die Organisation fordert einen Kodex für das Verhalten von Sponsoren im Sport und mögliche Vertragsstrafen. "Am besten wäre es natürlich, wenn es kein solches Doppel-Sponsoring wie bei Flyeralarm gäbe", sagt Sportexpertin Sylvia Schenk gegenüber der DW, in Anspielung auf die Rolle des Unternehmens bei einem deutschen Verein und dem deutschen Verband. "Aber das lässt sich wahrscheinlich nicht ausschließen." Also fordert Transparency Grundentscheidungen darüber, was zulässig ist. "Wir beteiligen uns gerne an der Entwicklung eines Kodex", sagt Schenk. Mit dem DFB stehe man in Kontakt und werde das Thema bei passender Gelegenheit wieder aufgreifen. Flyeralarm habe auf die Kritik nicht reagiert.

 

Flyeralarm warf dem DFB systematische Benachteiligung des Zweitliga-Absteigers Würzburger Kickers vorBild: Timm Schamberger/dpa/picture alliance

Schenk weist auch darauf hin, dass diese versuchte Einflussnahme oft subtil läuft. "Es kann vielfach auch nur gefühlter Druck sein. So gibt es auf der Vereinsebene Eltern, die ein Jugendteam sponsern, in dem das eigene Kind spielt. In welcher Situation sind dann Trainer oder Trainerinnen bei der Mannschaftsaufstellung?" Und: "Wir wissen aus der Korruptionsbekämpfung, wie stark solche tatsächlichen oder subjektiv gefühlten Drucksituationen und finanzielle Abhängigkeiten die Betroffenen beeinflussen. Das läuft oft unterschwellig ab."

Die DW hat den DFB gefragt, was er künftig unternehmen will, um versuchte Einflussnahme zu beschränken? Und auch, ob er plant, die Vorschläge von Transparency International umzusetzen? Der Verband geht nicht darauf ein. Zur Frage nach dem derzeitigen Stand mit Flyeralarm schreibt der Verband: "Eine Kündigung der Partnerverträge hat nicht stattgefunden. Vielmehr werden wir die konstruktive und vertrauliche Zusammenarbeit mit Flyeralarm weiter fortführen, sowohl rund um die Nationalmannschaften des DFB als auch für die verbesserte Sichtbarkeit der Flyeralarm Frauen-Bundesliga." Man sei sehr froh und stolz über einen Partner, der sich "so konsequent im Frauenfußball engagiert".