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Führerschein: Wird Autofahren in Deutschland unbezahlbar?

19. April 2025

Der Führerschein ist für viele junge Menschen in Deutschland kaum noch zu bezahlen. Die Politik will nun gegensteuern. Kann das gelingen?

Ein deutscher Führerschein, ein Autoschlüssel und eine Zulassungsbescheinigung liegen auf einem Portemonnaie.
Der deutsche Führerschein wird immer teurer. Derzeit kostet er zwischen 2.500 und 3.500 Euro. Bild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Wer in Deutschland heute Autofahren lernen will, braucht nicht nur gute Nerven, sondern mittlerweile auch viel Geld. Zwischen 2.500 und 3.500 Euro kostet der Führerschein laut Verkehrsverband ADAC - in manchen Fällen sogar deutlich mehr. Für junge Menschen, die gerade in der Ausbildung sind oder studieren, wird der Führerschein damit zunehmend zum Luxusgut.

Während man einen in Europa erworbenen Führerschein auf dem ganzen Kontinent nutzen kann, ist der Weg dorthin weiter Ländersache. Jedes Land hat seine eigenen Fahrschulkonzepte, die wiederum den Preis bestimmen.

In Deutschland ist die Fahrschulausbildung umfangreich und gesetzlich geregelt. Mindestens 14 Doppelstunden Theorie und 12 Praxisfahrten muss ein Fahrschüler absolvieren. Zum Vergleich: Im Nachbarland Polen ist die Fahrausbildung deutlich kompakter und weniger reglementiert. Fahrschüler zahlen für einen Führerschein zwischen 600 bis 900 Euro.

Immer mehr junge Menschen in Deutschland fallen durch die praktische Fahrprüfung. Alleine die Nachprüfung kostet derzeit rund 130 Euro. Bild: Antje Kunde/dpa/DEKRA/picture alliance

Stimmen aus der Politik, wie der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Florian Müller, fordern daher eine "zeitgemäße und moderne Fahrausbildung", die einerseits bezahlbar ist und anderseits den veränderten Bedingungen im Straßenverkehr Rechnung trägt. Denn das Auto "ist weiterhin Verkehrsmittel Nummer 1" in Deutschland und viele seien auf einen Führerschein angewiesen, erklärt er im Interview mit der DW.

"Fahren in Deutschland ist ein Privileg"

Das weiß auch Varsha Iyer, die 2018 für das Studium aus Indien nach Deutschland kam. Für sie war der Führerschein ein steiniger Weg - finanziell und emotional. Gleichzeitig war er unvermeidbar, denn die Anbindung von ihrem Wohnort Kronenberg zu ihrem Studienort Wuppertal war ohne Auto schwer zu bewerkstelligen.

Um sich neben ihrem Studium die Fahrstunden leisten zu können, arbeitete sie in einer Bäckerei. Während sie die Theorieprüfung im ersten Anlauf meisterte, musste sie zur praktischen Prüfung insgesamt fünf Mal antreten.

"Das Hauptproblem waren die strengen Prüfungsbedingungen", sagt Iyer im Interview mit der DW. "Ich verstehe die Bedeutung von strengen Prüfungen, aber sie spiegeln meiner Meinung nach nicht wirklich wider, wie im Alltag tatsächlich gefahren wird."

Insgesamt kostete sie der Führerschein über 5.000 Euro - ihre gesamten Ersparnisse.

Zu schwierig? Die Führerscheinprüfung in Deutschland

05:31

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Besonders schwierig sei es für Migranten wie sie, die Sprachbarrieren hätten und aus Ländern mit anderen Verkehrssystemen kämen. "Fahren in Deutschland ist ganz klar immer noch ein Privileg. Die Wenigsten haben unbegrenzte Mittel, um für eine solche Fahrausbildung zu zahlen", so Iyer.

Führerschein im Ausland - auch keine wirkliche Option

Immer mehr Menschen in Deutschland denken deswegen darüber nach, den Führerschein stattdessen in Nachbarländern wie Polen zu machen.

Doch ganz so einfach sei dieser Umweg nicht, weiß ADAC-Sprecherin Katharina Lucà. "Viele vergessen, dass man mehr als ein halbes Jahr, genau genommen 185 Tage, in dem Land gelebt haben muss. Und da kommen dann Kosten für Unterkunft und Anreise obendrauf", erklärt sie im Gespräch mit der DW. Es brauche daher langfristig Lösungen, den Führerschein auch hier in Deutschland günstiger zu machen und das Fahrschulwesen zu reformieren.

Für den CDU-Verkehrsexperten Müller ist der Ausbildungsverlauf ein Anhaltspunkt: "Wir sehen, dass der Weg für die Fahrschüler zum erfolgreich bestandenen Führerschein deutlich länger geworden ist." Laut dem TÜV-Verband ist die Durchfallquote bei der theoretischen Prüfung auf Rekordniveau: Fast jeder zweite Prüfling scheitert. Bei der praktischen Prüfung sind es derweil über ein Drittel.

Die Praxis treibt den Preis

Die deutschen Verkehrsminister fordern deshalb unter anderem, den theoretischen Teil der Führerscheinausbildung zu entschlacken. Ob das jedoch den Führerschein billiger macht, bezweifelt Kurt Bartels, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Nordrhein. Denn die Anmeldung zur Theorieprüfung koste gerade einmal 25 Euro. "Was den Führerschein wirklich teuer macht, ist die gestiegene Anzahl an Fahrstunden", erklärt er im Gespräch mit der DW.

"Unsere Klientel hat sich verändert. Die jungen Leute schauen nicht mehr auf die Straße, sondern auf das Smartphone. Sie kommen zu uns und haben keine Verkehrswahrnehmung mehr", so Bartels.

Die Verkehrssituation sei in den letzten Jahren zudem deutlich komplexer geworden. Der Umgang mit neuen Verkehrsteilnehmern wie E-Scootern oder Fahrerassistenzsystemen - all das müsse heute in der Ausbildung berücksichtigt werden. Das koste Geld. Hinzu kämen für die Fahrschulen gestiegene Miet- und Fahrzeugkosten und ein zunehmender Fahrlehrermangel, so Bartels.

Lernen am Simulator als Lösung?

Ein weiterer Vorschlag, um die Ausbildung effizienter und günstiger zu machen, ist der Einsatz von Fahrsimulatoren. Damit könnten Grundtechniken wie Schalten oder der Schulterblick virtuell trainiert werden.

Besonders im Hinblick auf den Fahrlehrermangel biete der Simulator eine Hilfestellung für Fahrschulen, findet Florian Müller. Man könne überlegen, was Dinge sind, die "nur der Fahrlehrer leisten kann - und was wiederum Dinge, die auch eine Maschine ein bisschen übernehmen kann."

Mit einem Fahrsimulator können Fahranfänger virtuell Schalten, Anfahren und Bremsen lernen. Doch kann er die Fahrausbildung wirklich realistisch ergänzen?Bild: Vivek Sharma/DW

In anderen europäischen Ländern wie Frankreich sind Fahrsimulatoren bereits ein fester Bestandteil der Fahrausbildung. In Deutschland warten sie weiterhin auf ihre Anerkennung.

Kurt Bartels bleibt jedoch skeptisch: "Wenn ein Simulator eingesetzt wird, dann muss der vom Fahrlehrer betreut werden. Zudem kann der Simulator die Fahrschulen im Realverkehr, besonders bei Autobahnfahrten oder Nachtfahrten, niemals ersetzen."

Zwischen Anspruch und Realität

Ein Antrag von Florian Müller für einen bezahlbareren Führerschein wurde zuletzt im Bundestag abgelehnt. Dabei ist der Handlungsdruck groß: Seit 2020 sind die Kosten für Fahrschule und Prüfung um 38 Prozent gestiegen - deutlich mehr als die Inflation.

"Vielleicht ist unsere Fahrausbildung teuer, aber auch besonders gründlich", meint ADAC-Sprecherin Lucà und ergänzt: "Gleichzeitig sehen wir auch, dass in anderen Ländern mit günstigeren Führerscheinpreisen die Unfallzahlen nicht automatisch höher sind."

In Österreich etwa sei es möglich, private Übungsfahrten mit Fahrschülern zu machen. Dadurch könne man sich einige Fahrstunden sparen. In Deutschland hingegen bleibt der Führerschein weiter "ein Privileg, das andere Privilegien mit sich bringt", findet Varsha Iyer.

Wer es sich leisten kann, ist im Vorteil. Für alle anderen bleibt das Lenkrad vorerst außer Reichweite.

Enno Hinz Multimedia-Journalist mit Fokus auf Politik, Klimawandel und konstruktiver Berichterstattung.
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