Willem Dafoe verwandelt sich bei Regisseur Julian Schnabel in Vincent van Gogh. Jetzt startet der Film in den deutschen Kinos. Wir blicken zurück: 10 Filme über Künstler, die in die Kinogeschichte eingegangen sind.
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Kunst auf der Kinoleinwand: 10 bildgewaltige Künstlerfilme
Vincent van Gogh erscheint nicht zum ersten Mal als "Hauptdarsteller" in einem Kinofilm. Zum Filmstart von Julian Schnabels Film "At Eternity's Gate" stellen wir Ihnen zehn weitere Filme über Kunst und Künstler vor.
Bild: La Belle Company
Kirk Douglas als van Gogh: "Lust for Life" (1956)
"Lust for Life" hieß der Film von Regisseur Vincente Minnelli. Der deutsche Titel "Vincent van Gogh - Ein Leben in Leidenschaft" brachte es auf den Punkt: Das Leben des berühmten Malers war geprägt von künstlerischen Höhepunkten und psychischen Zusammenbrüchen. Kirk Douglas lieferte eine viel gelobte Leistung als van Gogh ab, Anthony Quinn wurde als Paul Gauguin sogar mit dem Oscar ausgezeichnet.
Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
Charlton Heston als Michelangelo: "The Agony and the Ecstasy" (1965)
Knapp zehn Jahre später drehte der britische Regisseur Carol Reed in Hollywood einen ebenso dramatischen Künstlerfilm: "Michelangelo - Inferno und Ekstase" (dt. Titel) zeigte den künstlerischen Kampf Michelangelos um sein wohl berühmtestes Bild - das Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan. Charlton Heston legte einen für ihn so typischen Auftritt hin - voller Pathos und Drama.
Bild: picture-alliance/dpa/United Archives/IFTN
Russisches Gegenbild: "Andrej Rubljow" (1966)
Um Religion und Kunst, Glaube und schöpferische Ausdruckskraft ging es auch in Andrei Tarkowskis Film "Andrej Rubljow" über den berühmten Ikonenmaler. Das über dreistündige Epos schilderte Episoden im Leben Rubljows (ca.1360-1430). Tarkowski, in seiner Heimat künstlerisch drangsaliert, erzählte in dem bildgewaltigen Historienfilm auch von einem Künstlerleben in einem schwierigen Umfeld.
Bild: picture-alliance/akg-images
Filmdebüt eines Malerstars: "Basquiat" (1996)
Der US-amerikanische Künstler Julian Schnabel war Mitte der 1990er Jahre schon ein Star in seinem Metier, als er mit seinem Filmdebüt überraschte. In "Basquiat" erzählte Schnabel vom Leben und Leiden des 1960 als Sohn eines Haitianers und einer Puertoricanerin geborenen Künstlers, den die Welt heute als Basquiat kennt. Jeffrey Wright überzeugte in der Titelrolle als junger Graffiti-Künstler.
Wohl selten hat man in einem Film einen überzeugenderen Auftritt als Maler gesehen: Das, was der Brite Timothy Spall in dem filmischen Künstlerporträt "Mr. Turner - Meister des Lichts" (dt. Titel) leistete, war phänomenal. Spall spielte den englischen Landschaftsmaler als grummelndes, ewig nörgelndes Malergenie - und erhielt dafür zu Recht den Europäischen Filmpreis als bester Hauptdarsteller.
Die Kunstgeschichte ist (vordergründig) eine Geschichte männlicher Künstler.Erst seit dem 20. Jahrhundert hat sich an dieser Schräglage etwas getan. Dazu trug wesentlich auch die Mexikanerin Frida Kahlo bei, die ab Mitte der 1920 die Kunstwelt eroberte. Salma Hayek spielte sie kongenial im Film "Frida" im Jahre 2002.
Bild: picture alliance/dpa
Naturliebe: "Séraphine" (2008)
Dem Leben der französischen Malerin Séraphine Louis widmete sich vor zehn Jahren die gleichnamige filmische Biografie von Martin Provost. Die im Hauptberuf als Putzfrau arbeitende Séraphine (im Film: Yolande Moreau) wurde vom deutschen Kunstsammler Wilhelm Ude (Ulrich Tukur) entdeckt und gefördert und später mit ihren Blumen- und Früchtebildern als führende Vertreterin der naiven Malerei berühmt.
Bild: Arsenal Filmverleih
Malerei im Verborgenen: "Maudie" (2016)
Auch der kanadisch-irische Spielfilm "Maudie" stellte vor zwei Jahren eine Künstlerin vor, die lange im Schatten der Öffentlichkeit gewirkt hatte. Maud Lewis (1903 - 1970) ging - wie Séraphine - in die Kunstgeschichte als Meisterin naiver Malerei ein. In der Filmbiografie von Aisling Walsh spielte Sally Hawkins die früh an einer schweren Arthritis erkranke Frau mit beeindruckender Präsenz.
Bild: Imago/ZUMA Press/Entertainment Pictures
Maler und Model: "La Belle Noiseuse" (1991)
Einer der schönsten und intensivsten Filme über Kunst überhaupt entstand 1991 in der Regie von Jacques Rivette. Angelehnt an die Erzählung "Das unbekannte Meisterwerk" von Honoré de Balzac entwickelte der Franzose ein hypnotisches Bild einer Beziehung zwischen einem (fiktiven) Maler und seinem Aktmodel. Michel Piccoli und Emmanuelle Béart zeigten beeindruckend, wie Kunst überhaupt entstehen kann.
Bild: picture alliance/kpa
Gemalte Kinokunst: "Loving Vincent" (2017)
Zum Schluss noch einmal Vincent van Gogh: Das Regieduo Dorota Kobiela und Hugh Welchman unternahm 2017 den kühnen Versuch, Kunst im Kino auf der Leinwand quasi noch einmal ganz neu zu erfinden. In einer Mischung aus Inszenierung mit realen Schauspielern und animierten gemalten Szenen schafften es die beiden Filmemacher, die Gemälde van Goghs in "Loving Vincent" im Kino neu zum Leben zu erwecken.
Bild: La Belle Company
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Ist Julian Schnabel eigentlich ein verhinderter Filmemacher, besser auf dem Regiestuhl als vor der Leinwand? Ist der schwergewichtige amerikanische Künstler, der ja seit vielen Jahren eine große Nummer in der Kunstwelt ist, nicht vielleicht talentierter als Filmregisseur denn als Malerfürst, als der er sich so gerne inszeniert?
Kategorien wie "besser" oder "talentierter" sind in der Welt der Künste natürlich kein ernst zu nehmendes Kriterium. Eines steht aber fest: Schnabels Werke als bildender Künstler verkaufen sich zwar gut, unumstritten als Maler ist der 1951 in New York geborene Schnabel aber keineswegs. Sein künstlerischer Rang wird von Experten immer mal wieder in Zweifel gezogen.
Mit seinem Kinodebüt begeisterte Julian Schnabel die Kritiker
Als Filmregisseur wird Julian Schnabel aber wieder zu Recht gerühmt. Ob sein schwungvolles Debüt "Basquiat" (1996), sein treffendes Schriftstellerporträt "Before Night Falls" (2000), der ungemein bewegende "Le scaphandre et le papillon" ("Schmetterling und Taucherglocke", 2007) oder sein neuer Film "Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit" (Originaltitel "At Eternity's Gate", unser Foto oben, 2018), der jetzt in Deutschland in die Kinos kommt, stets ernteten die Filme positive bis enthusiastische Besprechungen.
Ein Künstler sollte Filme über Künstler machen, weil der das viel besser könne, sagte Schnabel in Zürich, wo er "Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit" beim "Zurich Film Festival" im vergangenen Jahr vorstellte. Die früheren Versuche von Regisseuren, sich dem Oeuvre van Goghs anzunähern, seien schrecklich gewesen, so Schnabel, der noch nie an mangelndem Selbstbewusstsein gelitten hat.
Willem Dafoe liefert als depressiver Künstler eine Meisterleistung ab
Doch "Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit", der die letzten Lebensjahre Vincent van Goghs zu einem magischen Film über Kunst und Krankheit verdichtet, verzauberte bei seiner Uraufführung beim Festival in Venedig 2018 Publikum und Presse. "The Guardian" meinte damals, dass es dem Regisseur gelungen sei, die Kraft der van Gogh'schen Malerei einzufangen. "The Hollywood Reporter" lobte - wie die versammelte Weltpresse - insbesondere die Auftritte der Schauspieler: Willem Dafoe in der Hauptrolle, aber auch Oscar Isaac als Paul Gauguin.
Wer war Vincent van Gogh?
Früh verstorbenes Genie, wahnsinniger Selbstmörder, Sonnenblumenmaler: Viele Klischees machen die Runde. Nun versucht sich der Künstler und Regisseur Julian Schnabel an einer neuen Deutung des Lebens Vincent van Goghs.
Bild: NBTC Netherlands Board of Tourism & Conventions
Auf den Spuren eines Malergenies
Er malte exzessiv Sonnenblumen, schnitt sich ein Ohr ab und revolutionierte ganz nebenbei die moderne Kunst - Vincent van Gogh. Am 29. Juli vor 125 Jahren nahm sich der Niederländer das Leben. Seine Kunst strahlt bis heute.
Bild: Getty Images/Afp/Koen van Weel
Dunkle Vorzeichen
Vincent van Gogh wird am 30. März 1853 geboren. Er bekommt den Namen des am selben Tag im Vorjahr verstorbenen Sohnes der Familie. Insgesamt hat er fünf Geschwister. Mit seinem vier Jahre jüngeren Bruder Theo wird er regelmäßig Briefe schreiben. Vincent wächst im elterlichen Pfarrhaus im niederländischen Zundert (Bild) auf. Seine Jugend beschreibt er als "düster und kalt".
Bild: NBTC Netherlands Board of Tourism & Conventions
Schwarzes Schaf der Familie
Vincent ist in den Augen seiner Familie ein Versager. Jeden Beruf, den er ergreift - Kunsthändler, Marineoffizier, Laienprediger - schmeißt er nach kurzer Zeit wieder hin. Als er 1879 in die belgische Bergbauregion Borinage zieht, versucht er seine Berufung auszuleben. Er mietet sich bei einer Familie in Cuesmes in diesem Haus ein und fristet ein Dasein in Armut.
Bild: Getty Images/Eric Lalmand
Griff zum Zeichenstift
Das Elend der Bergarbeiter beeindruckt Vincent van Gogh. Mehr noch: Er überidentifiziert sich mit den Menschen in der Borinage, dem Kohlenpott Belgiens. Er schwärzt sich das Gesicht, um einer von ihnen zu sein. Schließlich greift er zum Zeichenstift und hält das Leben der armen Menschen in ungelenken Zeichnungen fest.
Bild: Vincent van Gogh
Auf dem Tiefpunkt
Nur noch Ruinen sind übrig von der Zeche Marcasse in der Borinage. Eine Lore erinnert an die düstere Zeit. Vincent van Gogh fährt hier ein, in 700 Meter Tiefe will er erleben, welche harte Arbeit die Bergarbeiter erleben. Und er ist geschockt von der Enge und der Dunkelheit, wie er an seinen Bruder Theo schreibt.
Bild: DW/Sabine Oelze
Frühe Werke in Holland
Über Umwege landet er in Nuenen. Er kriecht bei seinen Eltern unter, die ihn nur widerwillig in das elterliche Pfarrhaus aufnehmen. In Nuenen bleibt er zwei Jahre: 1883 bis 1885. Er malt in noch düsteren Farben die Felder und Bauern bei der Arbeit. Er malt, ohne irgendetwas zu schönigen auch einfache Kartoffeln.
Bild: Vincent van Gogh Stichting
Einfachheit der Motive
In Nuenen, das heute eher ein Vorort der benachbarten Großstadt Eindhoven ist, erfreut er sich am einfachen Leben. Er entdeckt das Thema der Hauswebereien für sich. Auch einfache kleine Architekturen wie sie typisch sind in Nuenen tauchen auf. Für "Die Kartoffelesser" fertigt er einen Winter lang Skizzen an, bis es fertig ist.
Bild: gemeinfrei
Natur und Bauern
Es entstehen Werke, die voller Schwermut sind. Manche wirken anatomisch noch fehlerhaft. Aber er malt jeden Tag mindestens ein Bild. In Nuenen verfügt er sogar, welch ein Luxus, über ein eigenes Atelier. Vom Gartenzaun des Pfarrhauses (Bild) ist es zu erblicken: ein einfacher Gartenschuppen, in denen er auch "Die Kartoffelesser" malte.
Bild: DW/Sabine Oelze
Inspiration Frankreich
Dass aus diesem Maler einmal einer der wichtigsten Künstler der Welt werden sollte, konnte niemand ahnen. Nach dem Tod des Vaters verlässt Vincent Nuenen. Mit den Kartoffelessern im Gepäck zieht er nach Antwerpen und schließlich nach kurzer Zeit nach Paris. Finanziell unterstützt von seinem Bruder richtet er sich ärmlich in einem Zimmer ein.
Bild: NBTC Netherlands Board of Tourism & Conventions
Farbexperimente
Am 20. Februar 1888 verlässt er die französische Hauptstadt, um in den Süden zu ziehen - auf der Suche nach dem Licht. Die rahmende Kontur lässt alltägliche Dinge zu Symbolen werden. In ständiger Auseinandersetzung mit seinen Künstlerkollegen explodieren in Frankreich die Farben: rot, gelb, grün, blau, violett. Er arbeitet mit Komplementärkontrasten und ausdrucksstarken Linien und Flächen.
Bild: Kröller-Müller Museum/Otterlo
Mysteriöses Ableben
Am 27. Juli 1890 schoss sich van Gogh eine Kugel in die Brust. Es gibt viele Theorien, warum es zu diesem Drama gekommen ist. Zwei Tage später starb Vincent im Beisein seines geliebten Bruders Theo. Dieser folgte ihm nur ein halbes Jahr später. Er starb an einer Syphilliserkrankung. Beide liegen auf dem Friedhof von Auvers begraben.
Bild: NBTC Netherlands Board of Tourism & Conventions
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Aus Deutschland schloss sich die "Süddeutsche Zeitung" den Jubelgesängen in Venedig an - gerade auch im Vergleich zu früheren van-Gogh-Spielfilmen von Vincent Minnelli und Robert Altman: Noch nie, so die "SZ", sei Vincent van Gogh "so sehr als ein Kunststück über Kunst, als (...) Aneinanderreihung von bewegenden Impressionen eines anderen Künstlers" porträtiert worden.
Filmgeschichte mit vielen missratenen Künstlerfilmen
Zweifellos hat Julian Schnabel (und der fulminante Auftritt seines Hauptdarstellers) dem Filmgenre "Künstlerfilm" ein weiteres Highlight hinzugefügt. Spielfilme über Künstler gibt es viele, ein paar gelungene, viele misslungen. In den vergangenen Jahren haben vor allem viele Dokumentaristen dem Genre Künstlerfilm einiges hinzugefügt: Künstlerporträts, die den Sprung ins Kino geschafft haben, sind gleich dutzendfach erschienen.
1955 drehte Vincent Minnelli in Hollywood den wohl heute noch bekanntesten Vincent-van-Gogh-Spielfilm, mit einem gut aufgelegten Kirk Douglas in der Rolle des unglücklichen Malers. Wie so viele Filme aus Hollywood, die sich einen Giganten der Kunstgeschichte als Filmcharakter ausgewählt haben, erscheint auch "Lust for Life" heute in seiner pathetischen Art eher etwas angestaubt. Robert Altman setzte 1990 dann das Bruderdrama "Vincent and Theo" etwas nüchternder und wohl auch realistischer in Szene.
Der Franzose Clouzot zeigte Picasso beim Akt des Malens
Einen ganz anderen Weg wählte 1955 der Franzose Henri-Georges Clouzot, der einen genialen Trick für sein Picasso-Porträt nutzte. Clouzots Film "Le mystère de Picasso" zeigte das Jahrhundertgenie beim Akt des Malens - ganz unverstellt. Selten konnte man einem Künstler beim Malen so direkt über die Schulter schauen wie bei Clouzot: Picasso trug seine Pinselstriche auch auf Glas auf, die Kamera verfolgte das von der gegenüberliegenden Seite.
Julian Schnabel hat für seinen van-Gogh-Film den klassischen Weg des Spielfilms gewählt. Van Gogh habe "eine tiefe Beziehung zu Gott, das hat er selbst immer betont", sagte Schnabel in Venedig gegenüber dem ARD-Kulturmagazin "Titel, Thesen, Temperamente": "Er suchte einen Weg, um seine Kunst und die Natur mit einer höheren Kraft in Verbindung zu bringen. Es war wie eine Religion, aber ohne Kirche."