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Warum die Fußball-Bundesliga nur noch Durchschnitt ist

Stefan Nestler
15. August 2025

Florian Wirtz, Thomas Müller, Kingsley Coman - die Stars kehren der Bundesliga den Rücken. Neue schillernde Spielerpersönlichkeiten fehlen weitgehend zum Start der neuen Saison. Hat die Liga ein Problem?

Florian Wirtz am Ball im Spiel des FC Liverpool gegen Crystal Palace
Florian Wirtz spielt nicht mehr in der Bundesliga, sondern in der Premier LeagueBild: Action Foto Sport/NurPhoto/IMAGO

Es ist ein richtiger Aderlass an Stars, den die Fußball-Bundesliga in der anstehenden Saison 2025/26 verkraften muss. Der derzeit aufregendste deutsche Spieler, Florian Wirtz, wechselte von Bayer 04 Leverkusen nach England zum FC Liverpool. Thomas Müller, Legende des FC Bayern und Sympathieträger im ganzen Land, lässt seine Karriere bei den Vancouver Whitecaps in Kanada ausklingen.

Und Kingsley Coman, der den Bayern 2020 mit seinem Siegtor gegen Paris St. Germain den bis dato letzten Champions-League-Titel bescherte, verabschiedet sich nach zehn Jahren aus München und verdient künftig sein Geld bei Al-Nassr. Das ist der Verein aus Saudi-Arabien, für den auch Portugals Superstar Cristiano Ronaldo spielt.

Nimmt man jeden Wechsel für sich, gibt es gute Gründe dafür. Wirtz (22 Jahre alt) will in Liverpool den nächsten Schritt zu einer auch international glorreichen Karriere machen. Müller (35) wurde bei Bayern aussortiert und entschied sich für Vancouver, eine Stadt, die regelmäßig zu einer der lebenswertesten weltweit gekürt wird. Zudem dürfte auch die sportliche Herausforderung in der Major League Soccer seinem Alter entsprechend sein. Coman (29) schließlich kann seinen ohnehin schon üppigen Jahresverdienst von bisher angeblich 17 Millionen Euro auf jetzt rund 20 Millionen Euro steigern - netto. 

Thomas Müller (r.) und Kingsley Coman (l.) jubeln künftig nicht mehr in der BundesligaBild: Christian Kolbert/kolbert-press/IMAGO

Das sind gute Argumente für jeden der drei Stars. Für die Bundesliga sind die Transfers zusammengenommen jedoch ein harter Brocken. Denn im Gegenzug stößt aus dem Ausland bisher eigentlich nur ein Spieler mit Star-Potential dazu, wenn auch einem deutlich kleineren als dem der Abgewanderten: der kolumbianische Stürmer Luis Diaz, der von Liverpool zu den Bayern wechselte.

Eberl: "Bayern bekommt jeden Spieler"

Zuvor hatten sich die Münchener einige Absagen eingehandelt: erst von Wirtz, dann auch vom spanischen Jungstar Nico Williams, der es vorzog, bei Athletic Bilbao in Spanien zu verlängern statt zum deutschen Meister in die Bundesliga zu wechseln. Bayern-Sportvorstand Max Eberl will darin kein System sehen.

"Wer behauptet, der FC Bayern hätte international an Strahlkraft für Topstars verloren, der kennt den Markt nicht", sagte Eberl, der im Verein für die Transfers zuständig ist, im Interview mit der Zeitung "Sport Bild" fast schon trotzig: "Der FC Bayern bekommt jeden Spieler, wenn er dafür bereit ist, die aufgerufenen Summen zu zahlen."

Kahn: Vermeintliche Attraktivität der Liga ist "trügerisch"

Für Oliver Kahn läuten dagegen die Alarmglocken. Die Bundesliga habe längst an Ansehen und Strahlkraft eingebüßt, die vermeintliche Attraktivität sei "trügerisch", sagte der frühere Bayern-Vorstandschef im Interview mit dem Magazin "Kicker". "Die Premier League [in England - Anm. d. Red.] und La Liga [in Spanien] heben sich deutlich ab. Jeder kennt die Stars und Mannschaften", so Kahn.

Auch dass sich Florian Wirtz gegen die Bayern und für Liverpool entschieden habe, müsse zu denken geben, sagte der ehemalige Nationaltorwart. "Das zeigt, dass sich die Premier League nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich eine Ausnahmestellung erarbeitet hat. Sie ist die spannendste Adresse, wenn ich mich auf höchstem Niveau messen will, sportlich, finanziell, medial."

Kein großer Titel mehr seit 2022

Im sportlichen Vergleich hat die Bundesliga den Anschluss in Europa verloren. In den vergangenen zehn Jahren konnten deutsche Vereine nur zwei große internationale Titel gewinnen: 2020 die Bayern in der Champions League, 2022 Eintracht Frankfurt in der Europa League.

In der Fünfjahreswertung des europäischen Fußball-Dachverbands UEFA, die das Abschneiden der Vereinsmannschaften widerspiegelt, belegt die Bundesliga aktuell (Stand: 15. August 2025) nur Rang vier hinter der englischen Premier League, der italienischen Serie A und La Liga aus Spanien.

Premier League in allen Kategorien vorn

Finanziell sieht es etwas besser aus. In der Saison 2023/34 verzeichnete die Bundesliga nach Angaben der zuständigen Deutschen Fußball Liga (DFL) einen Rekordumsatz von 4,8 Milliarden Euro. Das bedeutete in Europa Rang zwei hinter der Premier League, die 7,4 Milliarden Euro umsetzte und damit noch einen deutlichen Vorsprung vor der deutschen Liga hat.

Auch bei den Einnahmen aus den Fernsehrechten ist die englische Liga enteilt. In der Saison 2025/26 kassiert die Premier League mit ihren 20 Vereinen rund 1,95 Milliarden Euro. In der Bundesliga verteilen sich die TV-Gelder in Höhe von insgesamt 1,12 Milliarden Euro auf die 36 Verein der Bundesliga und der 2. Liga.

Jahrelang konnte sich die Bundesliga mit den europaweit höchsten Zuschauerzahlen rühmen. Doch auch hier ist die Premier League an der deutschen Liga vorbeigezogen. In der vergangenen Saison lag der Zuschauerschnitt in der höchsten englischen Liga bei 40.474, im deutschen Fußball-Oberhaus bei 38.662. Der Besuch in den Bundesliga-Stadien ist insgesamt rückläufig. Die Gesamtzahl der Zuschauenden sank von 13,1 Millionen in der Saison 2022/23 über 12,1 Millionen 2023/24 auf 11,8 Millionen in der abgelaufenen Spielzeit 2024/25.

Durchschnitt nicht als Weltklasse verkaufen

Auch auf den Zahlen kann sich die Bundesliga also nicht ausruhen. Zu den Mahnern gehört der frühere Nationalspieler Matthias Sammer, der 1996 mit dem DFB-Team Europameister und in jenem Jahr zu "Europas Fußballer des Jahres" gekürt wurde.

"Bewusst provokativ stelle ich mir, wenn ich den deutschen Fußball gerade sehe, die Frage: Wofür steht der deutsche Fußball heute eigentlich?", sagte Sammer im "Kicker"-Interview: "Ich kann es nicht erkennen." Der deutsche Fußball müsse "wieder lernen, Durchschnitt nicht als Weltklasse zu verkaufen." Das gilt auch für die Bundesliga. Sonst laufen ihr noch mehr Stars davon.