Mauretanien beim Afrika-Cup: Außenseiter aus der Wüste
13. Januar 2024Als Mauretaniens Nationalmannschaft am Donnerstag in der Elfenbeinküste ankam, war es da: das letzte der 24 Teams, die sich für die Endrunde des 34. Afrika-Cups qualifiziert haben. Stolz kletterten die in traditioneller Landestracht gekleideten Spieler aus der Maschine der Mauretania Airlines, die das Team auf dem kleinen Flughafen an ihrem Spielort Bouaké abgeliefert hatte.
Die Heimat der Spieler aus der Westsahara besteht zum Großteil aus Wüste und hat eine der geringsten Bevölkerungsdichten der Welt. Die knapp fünf Millionen Einwohner Mauretaniens leben vor allem im Süden des Landes - in oder nahe der Hauptstadt Nouakchott.
Dass sich Mauretanien nunmehr zum dritten Mal in Folge für das Endturnier des Afrika-Cups qualifizieren konnte, kommt bereits einer riesigen Überraschung gleich. Und dennoch hat sich das Team aus dem Wüstenstaat für das Turnier in der Elfenbeinküste ehrgeizige Ziele gesetzt.
Große Hoffnung auf den Trainer
"Wir werden versuchen, besser abzuschneiden als in den vorherigen Turnieren", sagte Trainer Amir Abdou nach der Landung seiner Mannschaft. Auf ihn setzen sie beim krassen Turnier-Außenseiter. Abdou stammt von den Komoren. Mit seinem Heimatland schaffte er 2022 nicht nur sensationell die erste Qualifikation für das Endrunden-Turnier. Er besiegte damals mit dem kleinen Inselstaat im Gruppenspiel den mehrfachen WM-Teilnehmer Ghana und zog in die erste K.o.-Runde ein. Dort folgte mit einem 1:2 gegen AFCON-Gastgeber Kamerun dann das Aus.
Den Ruf, aus wenig viel machen zu können, hat der 51-jährige Coach damals aber manifestiert. Das weckte Begehrlichkeiten anderer, vergleichbar kleiner Länder auf - auch in Mauretanien. Das mauretanische Team war für die Endrunden 2019 und 2022 qualifiziert, blieb in der Gruppenphase aber jeweils sieglos und schied früh aus.
Jetzt folgt also der dritte Anlauf - man will es besser machen. Und der Coach, der in Frankreich viele Jahre als Sozialarbeiter gearbeitet hat, ehe er sich auf Fußball konzentrierte, hat gleich das erste Spiel als ein entscheidendes ausgemacht. "Wir werden alles daran setzen, in unserem ersten Gruppenspiel gegen Burkina Faso zu gewinnen. Das wird der Schlüssel sein."
Kleines Land, große Fortschritte
In der Tat scheint die Chance auf ein Weiterkommen für die "Löwen von Chinguetti" (Chinguetti ist ein Handelsposten im Norden des Landes) gar nicht so schlecht. Neben Burkina Faso geht es in der Gruppe gegen Angola und zum Abschluss gegen Algerien. Das algerische Team befindet sich momentan im Umbruch, wird als nicht mehr so stark eingeschätzt, wie noch in den vergangenen Jahren. Und Angola dürfte mit Mauretanien durchaus auf Augenhöhe sein. Da vier der sechs Gruppendritten noch den Einzug in die K.o.-Runde schaffen, könnte es klappen.
"Mauretanien ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass man auch in einem kleinen afrikanischen Land große Fortschritte im Fußball machen kann, wenn man sich geschickt anstellt", sagt Emeka Enyadike der DW. Der Sportchef des südafrikanischen TV-Senders Supersport arbeitet für verschiedene Fußballverbände und gilt als bestens unterrichteter Experte im afrikanischen Fußball.
Enyadike stellt den Verantwortlichen im mauretanischen Fußball ein glänzendes Zeugnis für die letzten fünf Jahre aus. "Sie haben sich sehr schnell sehr stark weiterentwickelt. Das Geld, das sie von der FIFA erhalten haben, wurde sehr intelligent investiert. Sie haben ihr Trainingszentrum und ihr Hauptquartier in einen sehr guten technischen Zustand gebracht und nun erstklassige Arbeitsmöglichkeiten. Das scheint mir der Grund dafür zu sein, dass sie sich für die letzten drei Afrika-Cups qualifizieren konnten."
FIFA-Gelder intelligent investiert
Die Entwicklung ist tatsächlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sich Mauretaniens Nationalmannschaft 2009 am Tiefpunkt befand, als man sich aus den Qualifikationsspielen für den Afrika-Cup 2010 zurückzog. Damals lag der Fußball im Land am Boden. Doch es kam 2011 Ahmed Yahya, der das Amt des Verbandspräsidenten übernahm. "Stagnation in der Entwicklung ist wie eine böse Krankheit", sagte der Unternehmer bei seinem Einstieg. "Man muss es anschauen, die Gründe finden und loslegen, es zu heilen", sagte er.
Mauretanien bekam gut elf Millionen US-Dollar aus dem Entwicklungsfond des Fußball-Weltverbands FIFA und setzte diese geschickt ein. Das Verbands-Hauptquartier wurde neu gebaut, zudem sanierte man das "Sheikh Buyidah Stadium" in Nouakchott, womit man nun ausgezeichnete Trainings- und Spielmöglichkeiten hat.
Zudem arbeitet man in Mauretanien seit einigen Jahren an der gezielten Nachwuchsförderung, auch das mitfinanziert aus einem FIFA-Topf. Seit 2019 ist Mauretanien Akteur im FIFA-Projekt Schulfußball. Man erhält Unterstützung, um auch in den ländlichen Gebieten regelmäßig Schulturniere durchzuführen.
Interessante Stürmer aus Frankreich und Belgien
Dass auch im Spitzenfußball schneller Erfolg erreicht wurde, liegt eher an der Berufung vieler im Ausland lebender Profis, die mauretanische Wurzeln haben. Aus dem aktuellen Kader spielen zwar noch sieben Akteure in der heimischen Liga, die Leistungsträger aber verdienen ihr Geld in Frankreich oder Belgien.
Aboubakar Kamara, der 28-jährige Kapitän der Mannschaft, spielte einst für den FC Fulham in England. Seit seiner Rückkehr nach Afrika, hat der Angreifer auf einigen Stationen viel Erfahrung sammeln können. Neben ihm hat in den letzten Monaten Hemeya Tanjy überzeugt. Der 25-jährige ist ein spielender Stürmertyp, bietet sich immer wieder kurz an, nimmt am Kombinationsspiel teil und verteilt die Bälle als "Wandspieler" sehr gut.
Neben diesen beiden hat Abdou mit Aboubakary Koita einen jüngst aufgegangenen Stern am Fußballhimmel gefunden, der entscheidend für Mauretanien werden könnte. Der 25-Jährige spielt für St. Truiden in der belgischen ersten Liga und rangiert dort mit elf Treffern ganz weit vorn in der Torjägerliste.
Dass er jetzt für Mauretanien antritt, kommt beinahe aus heiterem Himmel. Er hätte auch für drei andere Länder spielen können: Für den Senegal, die Heimat seiner Mutter, wo er selbst geboren wurde. Für Belgien, wo er aufgewachsen ist und für Mali, woher sein Vater stammt, der aber auch mauretanische Wurzeln hat.
Nun stürmt er für die Mauretanier beim Afrika-Cup und will die K.o.-Runde erreichen. Davon träumen sie alle im großen, einsamen Wüstenstaat.