Rückkehr nach Syrien? Fußballer am Scheideweg
14. März 2025
Wenn Basel Hawwa das Wort ergreift, hören alle in der Kabine genau zu. Er versprüht eine natürliche Autorität: "Lasst uns rausgehen und Spaß haben - und all die syrischen Fans glücklich machen", sagt er auf Arabisch. Lauter Beifall der Mitspieler. Hawwa ist der Einpeitscher, bevor es rausgeht auf den Platz.
Es ist das erste Spiel der "Freien Syrischen Nationalmannschaft" nach dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad in der Heimat. Seit Jahren kommen geflüchtete Syrer, verstreut über ganz Deutschland, zusammen, um so gemeinsam auf dem Fußballplatz ein Zeichen zu setzen.
Nach dem Spiel wird trotz der Niederlage der syrischen Auswahl gegen einen Amateurverein im Berliner Poststadion gefeiert. Hundert Zuschauer sind mit dabei, sie schwenken syrische Flaggen, trinken Tee und strahlen. Der Sturz von Assad vor einigen Wochen schweißt sie alle zusammen.
Angebote aus der ersten syrischen Liga
Für Basel Hawwa war es vermutlich das letzte Spiel. Ob es das Team so noch geben wird? Hawwa jedenfalls schleppt die "schwierigste Entscheidung" seines Lebens mit sich herum. Gehen oder bleiben? Soll er zurückkehren in seine kriegsgeschundene Heimat, in seine zerbombte Heimatstadt Aleppo? "Unser Land braucht unsere Hilfe, um wieder aufzustehen", sagt er.
Zudem locken ihn Angebote aus der ersten syrischen Liga. Vor dem Krieg in Syrien spielte Hawwa für die U19-Auswahl des Landes. Sein Vater, Abdulfattah Hawwa, war sogar in den 1980ern Kapitän der syrischen Nationalmannschaft. In Deutschland konnte Hawwa jedoch im Profifußball keinen Fuß fassen.
Stattdessen hat er sich in der fünften und sechsten Liga in Berlin und Brandenburg einen Namen gemacht. Seine Videoschnipsel in den Sozialen Medien haben offenbar Interesse in der Heimat geweckt. Laut eines Kontaktmanns im reformierten syrischen Fußballverband wollen ihn die Klubs Al-Hurriya und Al-Ittihad verpflichten.
"Sie wollen viele Spieler aus Europa zurückholen, die vor Assad geflohen waren, um den Fußball wieder voranzubringen", sagt Hawwa. Eine Wohnung und ordentliches Gehalt werde ihm versprochen, doch die Lage ist unübersichtlich. Die erste Liga sei dennoch für ihn ein Traum. "Ich weiß, was ich kann. Ich weiß, dass ich gut genug bin."
Gelungenes Beispiel für Integration
Dabei hat Hawwa sich in Deutschland etwas aufgebaut. Schnell hat er die deutsche Sprache gelernt, sein erstes Geld als Kurier für Essensbestellungen verdient. Mittlerweile arbeitet er nach einer Weiterbildung als Sportlehrer an einer Grundschule am Rande von Berlin. In der U-Bahn hat er seine Frau kennengelernt, sie ist auch aus Syrien, nun leben sie gemeinsam in einer Wohnung mit zwei Kindern. Ein Musterbeispiel für Integration.
Hawwas Söhne gehen in den deutschen Kindergarten, zu Hause wird Arabisch gesprochen. Doch wegen ihres Aufenthaltsstatus ist eine Reise mit seiner Familie nur schwer möglich. Würde ihn Deutschland wieder einreisen lassen in der angeheizten Diskussion um Grenzschließungen, wenn es doch nichts wird mit dem Profivertrag in Syrien? Hawwa hat Bedenken, denn noch besitzt er keinen deutschen Pass.
Umziehen mit der ganzen Familie und in Aleppo nochmal ganz von vorne anfangen? Dafür ist es noch zu unsicher. In einigen Teilen des Landes werde noch gekämpft, berichtet Hawwa. "Bekannte, die dort sind, erzählen uns, es gibt keinen Strom, nicht genug Wasser. Manchmal fliegen auch Bomben."
"Mein Herz sagt Syrien."
Die neue Führung des Landes brauche sicherlich noch Zeit, sagt er. Zeit, die Hawwa nicht hat. Er ist bereits 33 Jahre alt, der Mittelfeldstratege hat nicht mehr viele Jahre als Fußballer vor sich. Seine besten Jahre, die Mittzwanziger, haben ihm Assad und der Krieg geraubt. Als 19-Jähriger wollte Hawwa gerade in der ersten Liga durchstarten, doch dann kam die Einberufung zum Militärdienst. Als Hawwa sich weigerte auf seine Landsleute zu schießen, saß er wochenlang im Gefängnis. Über die Türkei gelang ihm schließlich die Flucht nach Europa.
Im Schlepperboot auf dem offenen Meer klammerte sich seine Mutter voller Angst an ihn, sie kann bis heute nicht schwimmen und ist gebrechlich. In Deutschland kümmert er sich um sie. Sie wünscht sich, er würde bleiben. Genau wie viele Lehrer-Kollegen und -Kolleginnen an seiner Schule, mit denen er nach dem Sturz Assads gesprochen hat.
Hawwa ist hin- und hergerissen, doch im Sommer plant er eine Reise, um sich vor Ort selbst ein Bild zu machen. "Mein Kopf sagt Deutschland, doch mein Herz sagt Syrien."