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Kunst

Future Food: Das Essen von morgen

13. Juni 2020

Gemüse aus Turmgewächshäusern, Insektenburger oder Fleisch aus dem Reagenzglas: Zukunftsmusik oder längst Realität? Eine Ausstellung in Dresden stellt die Frage nach dem "Future Food".

Insekten auf dem Salatteller
Bild: Georgios Angelou

In früheren Jahrhunderten waren viele Menschen froh, wenn sie überhaupt genug auf dem Teller hatten. Sie jagten Tiere und bauten auf dem Feld regionale Produkte an. Und heute? Im Supermarkt liegen chinesische Glasnudeln neben australischem Rindfleisch und Avocados aus Peru. Noch nie war die Auswahl so groß, die Globalisierung macht's möglich. 

Schon im 18. Jahrhundert schrieb der Franzose Jean Anthelme Brillat-Savarin, der Begründer der Gastrosophie (Wissenschaft vom guten Essen, Anm. d. Red.) in seinem Lehrbuch der Tafelfreuden: "Sage mir, was du isst, und ich sage dir, was du bist."

Essen als Lifestyle

Doch jede Kultur und jede Generation versteht unter gutem Essen etwas anderes. War Fleisch vor 20 Jahren noch nahezu unverzichtbarer Bestandteil jeder deutschen Mahlzeit und ein Zeichen des Wohlstands, bekennen sich heute immer mehr Menschen zur fleischlosen Kost - aus Protest gegen die Massentierhaltung oder aus gesundheitlichen Gründen. Die Currywurst als Kantinen-Einheitsgericht ist selten geworden. Selbst Discounter verkaufen Biomüsli und Mandelmilch. Kaum eine größere Tischrunde, bei der sich nicht mindestens ein Gast vegetarisch, vegan, gluten- oder laktosefrei ernährt.

Gesundes Essen steht hoch im Kurs - und Kochshows haben hohe Einschaltquoten Bild: picture-alliance

Essgewohnheiten sind zum Ausdruck des individuellen Lifestyles geworden - zumindest in den wohlhabenden Industrienationen. Doch kann und wird das so bleiben?

Konsum als globale Verantwortung

Sieben Milliarden Menschen leben derzeit auf der Erde, schon jetzt hungern 900 Millionen von ihnen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2050 etwa zehn Milliarden Menschen den Planeten bevölkern. Um sie alle zu ernähren, müsste man die Erträge in der Landwirtschaft um mindestens 50 Prozent steigern.

Doch brauchbare Ackerflächen sind knapp, hinzu kommt der Klimawandel: Gerade in den ärmeren Regionen der Erde sorgen Dürren und Heuschreckenplagen für immer dramatischere Ernteausfälle.

Die UN fordert schon lange mehr globale Verantwortung von den reichen Industrienationen, denn der Konsum dort wirkt sich auf den Rest der Welt aus. 

Beispiel 1: Die globale Fleischproduktion hat sich in den letzten 50 Jahren mehr als verdreifacht. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen geht davon aus, dass sie bis 2050 noch einmal um 85 Prozent wachsen wird. Doch übermäßiger Fleischkonsum ist nicht nur schädlich für die Gesundheit, sondern auch für das Klima. Ein Kilo Rindfleisch verursacht laut Umweltbundesamt zwischen sieben und 28 Kilo Treibhausgasemissionen, Obst oder Gemüse liegen bei weniger als einem Kilo. 

Vegetarier sind auf dem Vormarsch, aber die Mehrheit der Deutschen isst immer noch Fleisch Bild: picture-alliance

Beispiel 2: Soja. Wer sich vegetarisch ernährt, setzt oft auf Tofu-Produkte. Doch da in den Industrieländern nicht genug Sojabohnen wachsen, werden andernorts Regenwälder abgeholzt, um die Pflanzen dort zu kultivieren - mit verheerenden Folgen für die Umwelt. Zumal der Großteil der Ernte nicht auf den Tellern landet, sondern in der Tiermast verwendet wird. Nicht nur Biologen und Ernährungswissenschaftlern ist klar, dass sich dringend etwas an den Essgewohnheiten muss, auch viele Konsumenten denken mittlerweile um. Regionale Bio-Produkte sind im Trend. 

Vom vertikalen Farming zum "Retorten-Fleisch"

Seit Jahrzehnten arbeiten Forscher daran, die Ernährung der Menschheit langfristig zu sichern. So versucht man, Saatgut zu entwickeln, das klimatischen Veränderungen und Schädlingen trotzt. Um mangelnde Anbauflächen zu kompensieren, wurde das "Vertical Farming" entwickelt. Dabei wachsen die Pflanzen nicht nebeneinander, sondern zum Beispiel in einem Turm übereinander.

Vorläufer des "Vertical Farming": Auf der Internationalen Gartenschau 1964 in Wien sorgte dieses Turmgewächshaus für AufsehenBild: Gartenbauschule Langenlois

Um Massentierhaltung und der damit einhergehenden schlechten CO2-Bilanz etwas entgegenzusetzen, arbeiten Biotechnologie-Firmen mit Hochdruck an Fleischprodukten aus dem Reagenzglas. Wobei das aus Stammzellen gewonnene "Retorten-Fleisch" bei Kritikern der Gentechnik nicht allzu hoch im Kurs stehen dürfte.

Das große Krabbeln 

Als Alternative zum Fleisch setzt man auf Insekten. Die Krabbeltiere, die lange nur in Asien und Afrika auf dem Speiseplan standen, findet man seit 2018 auch in einigen deutschen Supermärkten. Sie sind leicht zu züchten und erzeugen fast keine Treibhausgase. Außerdem sind Mehlwürmer, Heuschrecken, Raupen und Co. wahre Powerriegel: Laut Lebensmitteltechnologen enthalten sie nicht nur viele gesunde Proteine, sondern sie sind auch in unterschiedlichsten Geschmacksnoten verfügbar.Auch denkbar ist eine mit allen wichtigen Nährstoffen angereicherte Astronautennahrung in Pulverform als Shake oder als Paste aus der Tube. Was in der Zukunft dann wirklich auf den Tellern landen wird, lässt sich nur erahnen.

Sind Insektenburger der Snack der Zukunft?Bild: Imago Images/photothek

Ernährungsgeschichte im Museum  

Einen Überblick über die spannende Geschichte der Ernährung samt Ausblick in die Zukunft gibt derzeit die in Ausstellung "Future Food. Essen für die Welt von morgen" im Deutschen Hygiene-Museum Dresden.

Vielleicht hilft es auf die mahnenden Worte des französischen Gastronomen Jean Anthelme Brillat-Savarin zu hören: "Das Schicksal der Nation hängt von der Art ihrer Ernährung ab." Das gilt wohl auch für die ganze Welt.

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