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Politik

Die freie Welt geht auf Distanz zu China

Alexander Görlach
6. Juli 2021

Eigentlich wird die Abhängigkeit immer größer: Zunehmend mehr Waren kommen aus China und mehr Produkte aus dem Westen werden dorthin verkauft. Und dennoch wachsen aus gutem Grund die Vorbehalte, meint Alexander Görlach.

Zitattafel | Alexander Görlach | China
Bild: DW

Während sich die Kommunistische Partei Chinas anlässlich ihres 100. Geburtstages hochleben lässt, sitzen eine Million Menschen aufgrund ihrer Herkunft und Religion in Xinjiang in Konzentrationslagern ein. Die Hongkonger fürchten täglich, grundlos eingesperrt zu werden. Und Nationen im Westpazifik wie Taiwan und die Philippinen bibbern, dass Peking einen Krieg mit ihnen vom Zaun bricht. Dass eine solche Volksrepublik eine Gefahr für die Welt darstellt, sehen immer mehr Menschen: In einer neuen Untersuchung, die das in Washington ansässige PEW-Insititute in 17 Ländern, von denen 16 Demokratien sind, vorgenommen hat, zeigen überwältigend große Mehrheiten, dass sie diesem China ablehnend gegenüber stehen.

China stand in den Augen der Welt noch nie so schlecht da: 88 Prozent der Südkoreaner haben eine negative Sicht auf China, in Australien sind es 78 Prozent. In Kanada sind es 73, in Deutschland 71 Prozent. Verglichen mit den Werten, die solche Umfragen vor rund 15 Jahren aufwiesen, zeigt sich, dass ein gravierender Meinungswechsel stattgefunden hat: 2005 waren nur 27 Prozent der Kanadier Peking gegenüber negativ eingestellt, in Japan waren es 42 Prozent. Im Vereinigten Königreich waren es 2006 nur 14 Prozent, die Peking kritisch sahen, in Deutschland 33.

Politische und ökonomische Freiheit gehören zusammen

Diese negative Sicht, die sich über die Jahre, seit Präsident Xi im Amt ist, verfestigt hat, hat auch Konsequenzen, die die Volksrepublik treffen können: Immer mehr Menschen in den befragten Ländern wünschen sich größere ökonomische Anbindung an die Vereinigten Staaten. Darin zeigt sich die grundlegende Überzeugung, dass politische und ökonomische Freiheiten zusammengehören.

Es bleibt nun abzuwarten, ob die Abkoppelung der eigenen Wirtschaft von der der Volksrepublik, wie sie Japan beispielsweise schon begonnen hat, weiter fortgesetzt wird. China hat sich zum bestimmenden ökonomischen Faktor und Investor auf der Welt entwickelt, der durch sein Engagement in der Initiative "Neue Seidenstraße" bereits Einfluss auf die Politik in den Ländern nimmt, die bei ihm in der Kreide stehen.

Machtgebärden gegenüber erfolgreichen Konzernen

Denn in der Tat beschneidet die Volksrepublik innerhalb ihrer Grenzen nicht nur die politischen, sondern auch die ökonomischen Freiheiten. Gerade jüngst hat Peking die App des Fahrdienstleiters Didi, das chinesische Äquivalent zu Uber, aus dem App Store entfernen lassen. Offiziell schiebt Peking Datenschutzgründe vor, Analysten sehen im Einschreiten der Kommunistischen Partei eher eine Machtgebärde, die zeigen soll, wer im Land das sagen hat.

Der Fahrdienstleister Didi experimentiert in China bereits mit autonom fahrenden WagenBild: HECTOR RETAMAL/AFP/Getty Images

Ein ähnliches Exempel hat die 100-jährige autokratische Kraft bereits an Alibaba, Chinas mächtigem Pendant zum Versand-Riesen Amazon statuiert. Gründer Jack Ma war über Wochen von der Bildfläche verschwunden, der Konzern wurde zu hohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe verurteilt. Zu einem solchen Mittel greife Autokraten gern: Auch der türkische Machthaber Erdogan überzog seine Widersacher in den Medien mit Steuerprozessen, die diese zur Geschäftsaufgabe zwingen sollten.

Singapur - ein Staat am Scheideweg

Das einzige Land in der Umfrage, das eine eher positive Sicht auf China hat, ist das semi-autokratische Singapur. Dort gibt es keine Demokratie, die Rechte der Bevölkerung auf freie Meinungsäußerung sind ebenfalls eingeschränkt. So wurde der Aktivist Jolovan Wham zu Gefängnis verurteilt, weil er ein Pappschild in die Luft hielt, auf dem nichts anderes als ein Smiley zu sehen war. Die Mehrheit der Einwohner Singapurs sind ethnische Chinesen, was ihre positive Sicht auf Peking erklären mag.

Das moderne Singapur - betörend schön. Aber der Stadtstaat muss sich entscheidenBild: Suhaimi Abdullah/NurPhoto/imago images

Die anderen Bevölkerungsgruppen Singapurs hingegen teilen die mehrheitlich negative Sicht der Menschen in der demokratischen Welt. Singapur steht daher am Scheideweg: das Land möchte keine Freiheiten gewähren, wie sie für eine prosperierende Wirtschaft unabdingbar sind, gleichzeitig aber vom Ende Hongkongs als freiem Handelsplatz profitieren. Singapur unterhält ein freundschaftliches Verhältnis zum demokratischen Taiwan, das Chinas Präsident Xi lieber heute als morgen annektieren will. Will Singapur zur guten Welt von Morgen gehören, muss es eine Entscheidung treffen. 

Der Grundkonsens der freien Welt

Die erfreuliche Nachricht dieser Umfrage ist, dass die demokratischen Länder sich in Werthaltung und Überzeugung einig sind: Demokratie, Freiheit, Menschenrechte. Eine Welt, in der China den Ton angäbe, wäre von sie daher nicht wünschenswert. Dieser Bogen der Menschenrechte spannt sich von Neuseeland über Japan, Korea und Taiwan nach Europa und nach Nordamerika und ist gemeinsam weit mächtiger als die autokratische Volksrepublik, die in der Krise steckt. Die Idee einer Liga der Demokratien, wie sie nicht nur von US-Präsident Joe Biden ins Spiel gebracht wurde, kann auf der Basis der gemeinsamen Überzeugung der Menschen in diesen 16 Ländern also vorangebracht werden und Gestalt annehmen.

Alexander Görlach ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hong Kong.

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