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Görlach Global: Chinas abgehängte Jugend

Alexander Görlach - Carnegie Council for Ethics in International Affairs
Alexander Görlach
24. September 2024

Die Jugendarbeitslosigkeit gehört zu den größten wirtschaftlichen Problemen Chinas. Wer einen Job sucht, braucht Beziehungen statt guter Noten. Und Besserung ist nicht in Sicht, meint Alexander Görlach.

Arbeitssuche mit wenig Aussicht auf Erfolg: Junge Menschen bei einer Jobmesse in ChinaBild: Tang Dehong/Avalon/Photoshot/picture alliance

Für Chinas junge Generation reißen die schlechten Nachrichten nicht ab: Auch im Monat August stieg die Jugendarbeitslosigkeit erneut an, von 17,1 Prozent im Juli auf nunmehr 18,8 Prozent. Dieser neue Wert ist noch nicht einmal der höchste aus den vergangenen Jahren. Im vergangenen Sommer lag die Erwerbslosigkeit von Chinas Jugend sogar bei 21 Prozent.

Verantwortlich für dieses Desaster ist die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik von Chinas Machthaber Xi Jinping. Seit dem Ende der drakonischen Anti-COVID-Maßnahmen kam Chinas Wirtschaft nicht mehr richtig in Schwung. Das lag nicht nur an der Pandemie. Xi hat seinen Fokus auch verschoben - hin zu Kontrolle und Loyalität und weg von der Modernisierung und Leistungsbereitschaft, auf die die Kommunistische Partei seit dem Tode Maos gesetzt hatte.

Die Chinesen glauben Xis Versprechen nicht mehr

Mittlerweile benötigen Universitätsabsolventen, seien es Bachelor oder Master, nicht zwingend gute Noten, um einen der wenigen Jobs zu ergattern, sondern vor allem gute Kontakte in die Partei und in die Unternehmen. Wer im Ausland studiert, versucht dort so lange wie möglich zu bleiben, da die Aussichten auf dem heimischen chinesischen Arbeitsmarkt trübe sind. Die KP hat den Chinesinnen und Chinesen als Gegenleistung für ihren politischen Gehorsam einst wirtschaftlichen Wohlstand und sozialen Aufstieg versprochen - aber daran glaubt die Bevölkerung nicht mehr, und Xi Jinping weiß das.

DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: privat

Zwar hat Xi die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit im Mai zu einer Art Chefsache erklärt. Dennoch ist die gegenwärtige Misere in seinem Sinne, denn er hält der chinesischen Jugend vor, verweichlicht zu sein. So hat er angeregt, dass die jungen Leute - so wie er vor ihnen - in der Landwirtschaft oder den Bergwerken malochen. Doch wer Zeit und materielle Ressourcen in eine gute Ausbildung gesteckt hat, hat keine Lust auf Rezepte aus der Mao-Zeit.

Xi Jinping hat noch einen obendrauf gesetzt und mit einem Handstreich die Nachhilfe- und Englischschulen im Land schließen lassen, um - wie er es sagt - zu verhindern, dass materielle Ungleichheiten die Zukunftschancen beeinflussten. Überhaupt gilt es unter Xi heute als unschicklich, an einer der großen US-amerikanischen oder britischen Universitäten wie Harvard oder Oxford studiert zu haben. Die junge Generation sieht in all dem den Versuch, ihre Möglichkeiten einzuschränken, im Ausland zu arbeiten.

Enttäuschte Jugendliche nennen China "Westkorea"

Xis ideologische Grätsche in die wirtschaftliche Entwicklung des Landes hat mittlerweile allerdings ein Ausmaß erreicht, dass die Kommunistische Partei nicht länger ignorieren kann.

Darum stimmt sie die Bevölkerung und Investoren aus aller Welt vorsichtig darauf ein, dass das Wachstum der chinesischen Wirtschaft in diesem Jahr nicht so hoch ausfallen wird, wie prognostiziert. Ein Grund dafür dürfte auch sein, dass Xi Jinping mittlerweile lieber mit international geächteten Ländern wie dem Iran, Nordkorea und Russland zusammenarbeitet als mit den reichen, demokratischen Ländern, die nach wie vor für einen erheblichen Teil der Investitionen in und Importe aus China verantwortlich sind.

Studierende in China: Gute Abschlüsse garantieren keine guten JobsBild: IMAGO/NurPhoto/CFOTO

So steht für den Moment nicht zu erwarten, dass sich die Situation für junge Chinesinnen und Chinesen merklich bessern wird. Etliche von ihnen nennen ihre Heimat aufgrund der Totalüberwachung durch Xis Nomenklatura nur noch verzagt "Westkorea". Die Stimmung ist nicht gut bei Chinas Jugend.

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.

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