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Politik

Der Mut von Taiwans Präsidentin

Alexander Görlach
21. Januar 2020

In Taiwan wurde die liberale Präsidentin Tsai Ing-wen im Amt bestätigt. Damit bestätigt die Insel erneut ihren demokratischen Charakter und ihre Verschiedenheit von China. Peking sieht die Insel als abtrünnige Provinz.

Zitattafel Alexander Görlach

Chinas Präsident Xi Jinping ist die Eigenständigkeit der Insel ein Dorn im Auge. Denn er propagiert, dass sein Land nicht für eine Demokratie nach westlichem Vorbild gemacht sei, sondern vielmehr, auf seiner langen Geschichte gründend, einen Kommunismus mit chinesischen Charakteristika anstrebe. Da passen 23 Millionen Han-Chinesen auf der Insel Taiwan nicht ins Bild, die sich selbst demokratisch selbst regieren. Präsident Xi hat denn auch bereits mehrfach gedroht, Taiwan wenn nötig mit Waffengewalt einnehmen zu wollen. 

"Ein Land, zwei Systeme"

Präsidentin Tsai hat die Wahl für sich entscheiden können, weil sie diese Drohungen Xis immer wieder mutig zurückweist. Dabei kam ihr zupass, dass die Taiwanesen mit Sorge seit vergangenem Sommer die Entwicklungen in Hongkong betrachten. Dort ist das Versprechen der kommunistischen Partei "Ein Land, zwei Systeme", das den Hongkongern bei der Rückgabe der Kolonie 1997 gegeben wurde, mehrfach gebrochen worden. Unter dieser griffigen Formel wurde rechtlich verbindlich festgehalten, dass Hongkong seine Eigenständigkeit, will meinen seine Demokratie und unabhängige Gerichtsbarkeit, bis zum Jahr 2047 behalten darf. "Ein Land, zwei Systeme" war ursprünglich einmal von Deng Xiaoping als versöhnende Formel für Taiwan erfunden worden: nach der Machtübernahme der Maoisten zogen sich die unterlegenen republikanischen Kräfte 1949 auf die Insel Taiwan zurück, mit dem Ziel, irgendwann einmal das Festland zurück erobern zu wollen. Daraus wurde bekanntlich nichts. 

Tsai Ing-wen gewinnt die Wahl mit mehr als 57 Prozent der StimmenBild: imago images/ZUMA Press/C. L. Hei

Neue Charmeoffensive aus China nötig

"Ein Land, zwei Systeme" ist nunmehr sowohl in Hongkong als auch in Taiwan vom Tisch und die chinesische Führung muss sich etwas Neues ausdenken, um die Menschen in Greater China für sich gewinnen zu können. Präsidentin Tsai hat unterdessen politischen Flüchtlingen aus Hongkong Asyl gegeben. In ihrem entschiedenen Kampf für die liberale Demokratie der Insel konnte sie ihren Gegner, den Kandidaten der China-freundlichen Kuomintang Partei, Han Kuo-yu, weit hinter sich lassen. Die Volksrepublik hatte sich zu seinen Gunsten in den Wahlkampf eingemischt und versucht, online die Entscheidung zu beeinflussen. 

Wahlen entscheiden

Die Kuomintang ist jene unterlegene Bürgerkriegspartei, die 1949 auf die Insel fliehen musste. Sie steckt nun in der Krise, da ihr Hauptziel, eine immer nähere Anbindung an China, von der Mehrheit der Taiwanesen, besonders der jungen Generation, rund herum abgelehnt wird. Der kleine Flecken im Westpazifik erscheint auf den ersten Blick unwichtig, er ist aber der Schauplatz auf dem sich entscheidet, ob Xis autoritäre Herrschaft in der Tat dem entspricht, was er als "chinesische Charakteristika" ausgibt. Für den Moment bleibt zu konstatieren, dass überall dort, wo die Menschen die Wahl haben, zwischen seinem Modell und der liberalen Demokratie, sie sich für die Demokratie entscheiden. In Hongkong wird im September gewählt. Bereits im vergangenen Herbst erlitten die Kandidaten Pekings bei lokalen Wahlen herbe Niederlagen. Es steht zu erwarten, dass sich Präsident XI nicht kampflos geschlagen geben wird, weder in Hongkong noch in Taiwan. 2020 mag ein Jahr der Entscheidung werden.

Alexander Görlach ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hongkong.

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