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PolitikAsien

Parallelen zur Ukraine im Taiwan-Konflikt

Alexander Görlach
9. August 2022

Auch im Februar gingen der russischen Invasion in das Nachbarland angebliche Militärmanöver voraus und das Ergebnis ist bekannt. Damit ist klar, was das Gebot der Stunde ist, meint Alexander Görlach.

Ein taiwanesischer Soldat rollt eine unbemannte Drohne auf ein Flugfeld
Taiwan hat inzwischen seinerseits mit Militärmanövern begonnen, bei denen scharf geschossen wirdBild: Annabelle Chih/Getty Images

Es ist genau so gekommen wie vorherzusehen war: Anders als offiziell angekündigt, hat China seine Militärmanöver um Taiwan herum nicht am Montag, den 8. August beendet. Vielmehr deuten Kommentatoren in der Volksrepublik den Verbleib der chinesischen Armee, ihrer Luftwaffe, Marine und U-Boote in der Taiwanstraße als "new normal" - einen neuen Dauerzustand.

Das Vorgehen Pekings erinnert an die Vorbereitungen von Wladimir Putins Aggressionskrieg gegen die Ukraine. Der Kreml-Führer ließ über Wochen Truppen an den Grenzen zum Nachbarland aufmarschieren und tarnte diese Kriegsvorbereitungen ebenfalls als Manöver.

Übermacht garantiert keinen schnellen Sieg

Xis Armee versetzt die Streitkräfte des kleinen Nachbarn in einen permanenten Alarm- und Stresszustand. Chinesische Schiffe haben mehrfach die Linie passiert, die die Gewässer von Taiwan und China voneinander trennen. Diese Linie galt als innoffizielle Grenze zwischen den ehemaligen Bürgerkriegsparteien, die für die beiden heutigen Staaten stehen, und wurde in der Vergangenheit respektiert. Auch die Kampfjets Pekings machen vor dem Luftraum Taiwans keinen Halt mehr. Es steht außer Frage, dass die Volksrepublik weitaus mehr Material, ein Vielfaches an Soldaten und dadurch mehr Ausdauer hat als Taiwan. Gleichwohl hat der Krieg, den Putin vom Zaun gebrochen hat, gezeigt, dass eine vermeintliche Übermacht nicht automatisch einen schnellen Sieg garantiert.

DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Taiwan ist ein entscheidender Baustein in Xi Jinpings imperialistischer Expansionsstrategie. Aber der Machthaber hat es nicht nur auf die Inseldemokratie abgesehen. Gleichzeitig zu den Manövern um Taiwan herum hat das Kriegsministerium in Peking angekündigt, für vier Wochen ähnliche Übungen in der Nähe der Philippinen abzuhalten. Auch dort will Peking Land. Chinesische Söldner halten seit März vergangenen Jahres Teile der Spratly-Inseln besetzt. Peking behauptet, sie seien chinesisches Territorium. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat zwar entschieden, dass diese Behauptung falsch ist. Machthaber Xi ficht das nicht an. Die USA haben schon in Richtung Manila erklärt, ihrem Partner beizustehen, sollte Peking auch gegenüber den Philippinen in Kriegsvorbereitungen treten.

Die KP Chinas legt auch gegenüber Washington nach. Die Absage von Treffen und Zusammenarbeit in den Bereichen Militär und Klimaschutz sollen das signalisieren. Xi, dessen innenpolitische Bilanz schlecht ist, versucht gegenüber seinen Landsleuten, die unter seiner verfehlten COVID-Politik und dem Einbruch der Wirtschaft leiden, mit nationalistischen Tönen zu punkten. Anders als bei der jüngsten Krise in der Taiwanstraße 1995/96 will Peking nicht wieder abziehen und seine Provokationen gegenüber Taiwan einstellen müssen. Die Blockade damals dauerte acht Monate, dann machte die US-Armee dem Spuk ein Ende und sandte einen Flugzeugträger, um Peking seine Verteidigungsbereitschaft für Taiwan zu signalisieren.

Kopie des Drehbuchs aus Moskau

Für Taiwans Wirtschaft wird es eng, sollte Peking die Zufahrt zu den Häfen der Inseldemokratie durch seine Militärmanöver, bei denen scharfe Munition eingesetzt wird, wieder auf Monate hinaus unsicher machen. Schon in den ersten Tagen der Seeblockade warteten Tanker und Frachtschiffe außerhalb der Gefahrenzone darauf, dass die Übungen zu Ende gehen und sie wieder sicher in Taiwan anlegen können.  

Krisenregion Südchinesisches Meer

Peking kopiert derzeit das Drehbuch Moskaus. Es sollte also nicht verwundern, wenn aus der Generalprobe auch hier bitterer Ernst wird und Xi Jinping zum Angriff auf die Insel bläst. Der Machthaber hat ein Interesse daran, dass dies vor dem XX. Parteikongress der KPCh im Oktober passiert. Denn nur so kann er sich als Oberbefehlshaber der Truppen für eine weitere, dritte Amtszeit empfehlen, die ihm das Tor zu lebenslanger Herrschaft öffnen soll. Niemand wünscht sich einen weiteren Krieg, weder in Taiwan noch sonst wo auf der Welt. Aber es wäre unklug, wenn nicht sogar töricht, sich jetzt nicht zumindest auf eine mögliche Invasion Pekings vorzubereiten.

 

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne.

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