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Politik

Trump ist kein Betriebsunfall

Alexander Görlach
26. November 2019

"Populist" wird der amtierende US-Präsidenten gemeinhin genannt. Doch stimmt das eigentlich? Alexander Görlach sieht es anders: Donald Trump ist die Reaktion auf den Populisten, der zuvor im Weißen Haus regierte.

DW Zitattafel Alexander Görlach

In den USA wird in knapp einem Jahr gewählt und so wird bereits die Frage diskutiert, wie das Land wohl aussehen werde, wenn der Populist Donald Trump nicht mehr an der Macht sei. Das ist das generelle Problem im Kontext mit Populisten: Da sie in der Regel nichts Substanzielles abliefern, ist die Frustration über das politische System und die Demokratie, nachdem sie von der Bildfläche verschwunden sind, größer als vorher.

Mit Blick auf die aktuelle Lage in den USA ist diese Perspektive allerdings nicht korrekt: Donald Trump ist nicht der Populist, für den ihn viele halten. Vielmehr war Barack Obama der Populist, der nicht geliefert hat. Und Donald Trump ist die Reaktion auf ihn. Diese Nachricht mag für viele so schockierend klingen, wie für den Autoren dieser Zeilen selbst: Es gibt nämlich durchaus auch "gute" Populisten. Solche, die nicht auf Abgrenzung setzen, sondern den Geist der Gemeinschaft beschwören. Mit den "bösen" Populisten eint sie, dass sie die Wirklichkeit bis zu einem Grad vereinfachen, von dem aus keine sachliche Politik mehr möglich ist.

Was wollte Obama eigentlich können?

"Yes, we can" war im Wahlkampf 2008 eine Gebetsformel - der fromme und auch gut gemeinte Wunsch, Amerika nach den bleiernen Bush-Jahren positiv zu verwandeln. Was aber konkret gekonnt werden sollte, wurde nie klar. Das Land sollte sich erneuern - aber wie? Dann kam die Finanzkrise und die Möglichkeit, auf den Trümmern von Lehman Brothers etwas Neues zu errichten. Doch Barack Obama hat sich nur aus dem Setzkasten gelernter Politik bedient: Er hat die Banken gerettet, aber hunderttausende Hausbesitzer, die obdachlos wurden, eben nicht. Kein einziger der Banker, die das Chaos angerichtet hatten, ist dafür im Gefängnis gelandet. Das Buch und der Kinofilm "The Big Short" erzählen diese Geschichte detailreich nach.

Donald Trump und Barack Obama bei der Amtsübergabe am 20. Januar 2017Bild: Reuters/C. Barria

Viele Amerikaner haben das alles als zutiefst unfair empfunden. Und wenn man, wie viele von ihnen, bei seinen Schwiegereltern oder Geschwistern im Keller in ein kleines Zimmer ziehen musste, um nicht auf der Straße zu landen, dann ist die Rede von der Nation als einer Familie, die für Fairness sorgt, anziehend. Und das ist die Botschaft von Donald Trump: "America first" heißt zuerst einmal "Fairness für uns Amerikaner". Eine kosmopolitische Agenda funktioniert nur dann, wenn in der heimatlichen Arena ebenfalls Fairness herrscht.

Barack Obama hat hier nur den letzten Nagel in den Sarg einer handlungsunfähigen Politik geschlagen, weil er den alten Paradigmen des Politischen verhaftet blieb. Die USA waren einmal das Land mit der höchsten Mobilität. Für einen neuen Job sind Menschen von Alaska nach Florida gezogen. Das ist heute vorbei. Die Krise 2008 hat das verstärkt, was schon länger im Land schwelte: steigende Ungleichheit. Heute sind die USA das am wenigsten mobile Land der freien Welt - unbegrenzte Möglichkeiten, das war einmal.

Fairness für Amerika! - Die Zahlen stimmen

Für die Zukunft der Demokratie in den USA ist es wichtig, die jüngere Vergangenheit richtig einzuordnen: Donald Trump ist kein Betriebsunfall, sondern einer, den seine Wählerinnen und Wähler für genau jenen halten, der Fairness zurückbringen kann ins Land. Für den Moment geben die Zahlen Trump recht: die Beschäftigung steigt, die Wirtschaft brummt. Und auch in den internationalen Beziehungen, vor allem zu China, sehen seine Anhänger, dass er Fairness zurückbringt.

Die kosmopolitischen Liberalen, zu denen auch der Autor dieser Zeilen gehört, müssen das erst einmal verdauen.

Alexander Görlach ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hongkong.

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