Der organisierte Sport scheint unfähig, aus den immer gleichen Fehlern zu lernen. Das gilt für die Olympischen Winterspiele in Peking genauso wie für die Fußball-WM in Katar, meint Alexander Görlach.
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Am 4. Februar beginnen die Olympischen Winterspiele in China. Wird die Welt dann wirklich zu Gast bei Freunden sein? So sollen alle für die Spiele Registrierten ihre Gesundheitsdaten in einer App auf ihrem Smartphone dokumentieren, die der autokratischen Führung der Volksrepublik allerlei Möglichkeiten bietet, ihre Gäste auszuspionieren. Im Zuge der Corona-Pandemie hat die Führung der Kommunistischen Partei die Überwachung der eigenen Bevölkerung bereits verfeinert und es steht zu erwarten, dass es die Spielräume der Menschen in China, ungeachtet von berechtigten Interessen einer Seuchen-Bekämpfung, weiter einschränkt.
Frieden und Harmonie, die Ideale der Olympischen Spiele, interessieren Xi Jinping, Chinas Machthaber auf Lebenszeit, nicht. Von daher stellt sich die Frage, ob die Wahl des Austragungsortes nicht von vorne herein verfehlt war. Bereits 2008 standen die Sommerspiele in der Volksrepublik unter besonderer Beobachtung. Gleichwohl war China damals auf dem Weg einer Öffnung. Xi Jinping hat aber, seit er 2011 das Ruder übernommen hat, das Land in eine gleichgeschaltete Diktatur verwandelt, die es zuletzt unter Mao Zedong gewesen ist. Mao ist nicht ohne Grund Xis großes Vorbild.
Die Vereinigten Staaten haben bereits vor Wochen beschlossen, keine Diplomaten in die Volksrepublik zu entsenden, um dem Sportereignis nicht den Glanz normaler Spiele zu verleihen. Diesem Vorgehen schließen sich auch Großbritannien, Australien, Neuseeland und Litauen an. Der kleine baltische Staat wird vom großen China für sein Eintreten für Würde und Menschlichkeit mit Füßen getreten. Doch kein großer europäischer Nachbar springt dem Freund bei.
Die Bundesrepublik, deren neue Außenministerin Annalena Baerbock noch vor Amtsantritt erklärt hatte, China künftig härter anzufassen, versucht sich nach wie vor im Leisetreten. Genauso wie bei der Richtungsentscheidung gegen Installationen des chinesischen Telekommunikationsriesen Huawei in der freien Welt, bei der Frankreich, Großbritannien und die USA an einem Strang zogen, Deutschland sich aber vornehm heraushielt, hofft Berlin nun wieder, durch Nichtstun die Wächter des mächtigsten Absatzmarktes der Welt zu umgarnen.
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Gewisse Dinge schließen einander aus
Dieses Verhalten ist jenem im Bezug auf die Fußball-WM in Katar in diesem Jahr nicht unverwandt. Die Sportwelt hat noch nicht den Erkenntnisschritt vollzogen, dass gewisse Dinge einander ausschließen: Ein Sportfest des Friedens und der Harmonie, das die Gleichheit aller in der Menschheitsfamilie feiert, kann nicht an einem Ort ausgetragen werden, wo Millionen Menschen ihrer Rechte beraubt sind, so wie in China und in Katar.
Die deutsche Wirtschaft in Gestalt des Bundesverbands der Deutschen Industrie ist hier seit ein paar Jahren klüger: Die Veränderungen in China vor Augen machte der Verband die Bundesregierung darauf aufmerksam, dass der freien Wirtschaft in China ein Gegner erwachsen ist, der weder fair noch nach Recht und Gesetz spielen mag. Der organisierte Sport aber, ein weltweites Milliardengeschäft, fürchtet um die Einnahmen aus Werbe- und TV-Verträgen. Immer wieder betonen seine Vertreter deshalb, dass Politik und Sport nichts miteinander zu tun hätten. Im antiken Griechenland allerdings griffen Politik und Spiele sehr wohl ineinander: Olympia war ein Zeitpunkt für Amnestie, Vertrags- oder Friedensschluss.
Selbstverständlich, so kann man einwenden, ist der Effekt eines solchen diplomatischen Boykotts überschaubar - gerade in der Pandemie. Zumal die chinesische Führung bereits angekündigt hat, dass es Pandemie-bedingt ohnehin keine Zuschauenden bei den Spielen geben wird. Doch künftig sollten Olympische Spiele oder Weltmeisterschaften - alle jene Sportveranstaltungen, die sich der Gleichheit und Fairness verschreiben - künftig nur noch in Demokratien stattfinden. In Ländern also, die die Ideale des Sports auch tatsächlich verkörpern.
Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs, Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford und Honorarprofessor für Ethik und Theologie an der Leuphana Universität. Der promovierte Linguist und Theologe arbeitet zu Narrativen der Identität, der Zukunft der Demokratie und den Grundlagen einer säkularen Gesellschaft. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne. Von 2009 bis 2015 gab er als Chefredakteur das von ihm gegründete Magazin "The European" heraus.
Große Sportereignisse im Jahr 2022
Olympische Winterspiele, Fußball-Weltmeisterschaft, Leichtathletik-WM und Weltreiterspiele - das Sportjahr 2022 ist reich an Höhepunkten. Los geht es schon kurz nach dem Jahreswechsel.
Bild: Daniel Beloumou Olomo/AFP
Afrika-Cup
Jubeln beim Turnier im eigenen Land am Ende die "unzähmbaren Löwen" aus Kamerun oder setzt sich eine andere Mannschaft durch? Die Kameruner um Bayerns Eric Maxim Choupo-Moting (r.) haben den Cup zuletzt 2017 gewonnen und sind zum zweiten Mal nach 1972 Gastgeber. 24 Teams sind ab dem 9. Januar beim Turnier dabei, Titelverteidiger ist Algerien.
Bild: Daniel Beloumou Olomo/AFP
Handball-EM der Männer
Mit Titelverteidiger Spanien und Weltmeister Dänemark muss man die Favoriten für die Handball-EM, die ab 13. Januar in Ungarn und der Slowakei stattfindet, nicht lange suchen. Auch Co-Gastgeber Ungarn dürfte sich etwas ausrechnen. Deutschland dagegen - 2020 EM-Fünfter und bei der WM 2021 vor der K.o.-Runde ausgeschieden - will unter Trainer Alfred Gislason zurück zu alter Stärke finden.
Bild: Swen Pförtner/dpa/picture alliance
Olympische Winterspiele
Die Winterspiele in Peking sind ein Politikum, seitdem Chinas Hauptstadt den Zuschlag bekam. Seit Dezember sorgt der angekündigte diplomatische Boykott einiger Länder für Streit. China reagiert empört, das IOC gibt sich neutral und will "keine Politisierung des Sports". Die Wettbewerbe werden ab 4. Februar trotzdem stattfinden - mit negativem Beigeschmack und unter strengen Corona-Bedingungen.
Bild: Lintao Zhang/Getty Images
Superbowl
Das Finale der American-Football-Liga NFL ist eines der größten Einzelsportereignisse der Welt. Millionen Fans rund um den Globus genießen neben dem Sport immer auch die opulente Halbzeitshow. Diesmal treten Ikonen des Rap und RnB auf: Am 13. Februar werden in Inglewood in Kalifornien neben Dr. Dre auch Mary J. Blige, Kendrick Lamar sowie Eminem und Snoop Dogg auf der Bühne stehen.
Bild: Ralph Freso/AP/picture alliance
Formel 1
Am 20.März startet mit dem Grand Prix von Bahrain die neue Saison - mit neuen Regeln und technischen Veränderungen, die dafür sorgen sollen, dass der Abstand zwischen Spitze und schwächeren Teams kleiner wird. Spannend war die WM allerdings auch 2021 schon. Kommt es erneut zu einem engen Titelkampf zwischen Max Verstappen (l.) und Lewis Hamilton (r.)? Oder kann ein Dritter in das Duell eingreifen?
Bild: Giuseppe Cacace/AFP
Ironman-WM
Wegen der Corona-Pandemie findet die Ironman-WM erstmals seit 1978 nicht im Oktober auf Hawaii statt, sondern bereits am 7. Mai in St. George im US-Bundesstaat Utah. Auch in der Wüste des Mormonenstaats dürften die 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen anstrengend werden. Und im Oktober - dann ohne WM-Status - soll es auch auf Hawaii wieder losgehen.
Bild: Marco Garcia/AP Images/picture alliance
Tour de France
Das bedeutendste Radrennen der Welt wird 2022 zum 109. Mal ausgetragen. Startort ist diesmal Kopenhagen, wo am 1. Juli der Prolog steigt. Auch die ersten beiden Etappen führen durch Dänemark. Insgesamt sind 3328 Kilometer zu bewältigen. 2021 dominierte Tadej Pogacar die Konkurrenz nach Belieben. Ob der Slowene das Gelbe Trikot auch im Sommer 2022 wieder nach Paris trägt?
Bild: Stephane Mahe/REUTERS
Fußball-EM der Frauen
Football's coming home! Zum zweiten Mal nach 2005 ist England ab 6. Juli Gastgeber der Fußball-EM der Frauen. Anders als vor 16 Jahren gehört das Heimteam, die "Lionesses", diesmal zum Favoritenkreis. Dorthin möchte auch die deutsche Elf zurück. Bei der EM 2017 und der WM 2019 war jeweils schon im Viertelfinale Endstation. Ob es im Mutterland des Fußballs wieder besser läuft?
Bild: Mirko Kappes/foto2press/picture alliance
Leichtathletik-WM
Ab dem 15. Juli wird in Eugene im US-Bundesstaat Oregon um WM-Medaillen gelaufen, gesprungen und geworfen. Anders als bei der WM 2019 in Doha darf mit begeistertem Publikum und erträglicher Hitze gerechnet werden. In der Kritik steht allerdings die WM-Vergabe an die Stadt, in der auch Sportartikelhersteller Nike seinen Firmensitz hat - und das ohne Bewerbungsverfahren mit mehreren Kandidaten.
Bild: Oliver Weiken/dpa/picture alliance
Reit-Weltmeisterschaften
Springen, Dressur, Para-Dressur und Voltigieren - in diesen vier Disziplinen geht es im dänischen Herning ab 6. August um WM-Gold. Die deutsche Dressur-Equipe um Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl hat traditionell die Favoritenrolle inne. Ob Springreit-Weltmeisterin Simone Blum (Bild) ihren Titel verteidigen kann, ist wegen der langwierigen Verletzung von Stute Alice dagegen fraglich.
Bild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance
Basketball-EM
Nach dem erfolgreichen Einzug ins Viertelfinale bei den Olympischen Spielen möchten Deutschlands Basketballer auch bei der EM im eigenen Land gut abschneiden. Gespielt wird ab 1. September in Köln und Berlin. Die Favoriten sind neben Frankreich und Spanien die Titelverteidiger aus Slowenien um Superstar Luka Doncic (r.), auf die die Deutschen in der Vorrunde treffen.
Bild: Swen Pförtner/dpa/picture alliance
Rugby Sevens WM
Ursprünglich spielt man Rugby mit 15er-Teams, doch auch die "kleinere" Siebener-Variante, die auch olympisch ist, erfreut sich wachsender Beliebtheit. Ab dem 9. September werden in Südafrikas Metropole Kapstadt die neuen Weltmeisterinnen und Weltmeister ermittelt. Denn - und das ist ungewöhnlich im Sport - Frauen- und Männer-WM finden zeitgleich am selben Ort statt.
Bild: Kyodo/picture alliance
Fußball-WM
Die Organisation in Katar wird wohl perfekt werden, Stadien und Infrastruktur genauso. Doch kommt auch echte Fußball-Stimmung auf? Als Schatten hängen über der Weltmeisterschaft nach wie vor die Menschenrechtslage im Emirat, die Toten auf den WM-Baustellen und der ungewöhnliche Wintertermin ab 21. November. Das WM-Finale steigt am 18. Dezember.