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Politik

Frieden in Nahost bleibt weiter ein Traum

Alexander Görlach
25. Mai 2021

Die Zwei-Staaten-Lösung bleibt weiter das Ziel. Das mit der aktuellen Politik jedoch immer unwahrscheinlicher wird. Trotzdem ist es richtig, dass Deutschland an der Seite Israels steht, meint Alexander Görlach.

DW Zitattafel, Quotecard l Prof. Dr. Alexander Görlach

Als Michael J. Fox und Christopher Lloyd alias Marty McFly und Doc Brown, die beiden Helden aus "Zurück in die Zukunft", aus Anlass des 30. Erscheinungstages des Kino-Klassikers die Talk-Show des US-Moderators Jimmy Kimmel besuchten, fragten sie unter anderem in die Runde, ob denn während ihrer Abwesenheit Frieden im Nahen Osten erzielt worden sei. "Oh, no, no, no" gab Kimmel zurück, begleitet von gesetzten Lachern des Publikums. Das war im Oktober 2015. Knapp sechs Jahre später hat sich nicht nur nichts am Zustand im Heiligen Land geändert - die Uhren sind vielmehr zurück gedreht worden.

Die jüngste Waffengang zwischen der Hamas und Israel hat den Nahen Osten zurück gebombt in die Zeit vor den Osloer Abkommen, die 1993 und 1995 den Pfad der beiden Parteien hin zu einer Zweistaaten-Lösung weisen sollten. Der Konflikt ist eskaliert. Zum einen, weil die israelische Führung sich unter Benjamin Nethanjahu radikalisiert hat. Zum anderen, weil die Hamas ihren Platz als die Anwältin der palästinensischen Sache behaupten will und deshalb an einer Entspannung der Lage kein Interesse hat. Dass einige arabische Länder in der jüngeren Vergangenheit ihr Verhältnis zu Israel normalisiert haben - im vergangenen Jahr unterzeichneten Bahrain, Marokko, der Sudan und die Vereinigten Arabischen Emirate Abkommen mit Israel - passt der Hamas überhaupt nicht.

Klare Botschaft der Hamas

Das an Gaza grenzende Ägypten wiederum hat die der Hamas nahestehende Muslimbruderschaft geächtet. Zu deren Kernideologie gehören der Antisemitismus und der Wunsch, den Staat Israel auszulöschen. Die Eskalation auf dem Tempelberg vor wenigen Wochen, die von der Hamas als Reaktion auf die Vertreibung von Palästinensern aus Häusern in Ost-Jerusalem deklariert worden war, kann in diesem Sinne auch als Lebenszeichen der Terrororganisation gewertet werden. Sie soll klar machen, dass mit ihr weiterhin zu rechnen ist und an ihr kein Weg vorbei führt - und das nicht zuletzt an die Adresse Kairos, in der auch die Arabische Liga ihren Sitz hat.

Wohin aber soll ein Weg mit der Hamas führen? Zu einem Frieden mit Israel? Das darf bezweifelt werden. Die radikale und international kritisierte Siedlungspolitik Israels der jüngeren Vergangenheit trifft auf radikale Islamisten, die die Juden allesamt "ins Meer treiben" wollen. Nichts davon dient der palästinensischen Sache. Die Palästinenser haben das Recht auf ihren eigenen Staat - daran besteht kein Zweifel. Sie brauchen allerdings Partner, die ihnen dabei helfen, dieses Ziel zu verwirklichen, das auch das erklärte Ziel der internationalen Gemeinschaft ist.

Die Türkei als Partner im Friedensprozess?

Wer könnte dieser Partner sein? Die Türkei hat sich angeboten, ihr Außenminister ist mit seinem pakistanischen Kollegen zusammengetroffen und beide haben versichert, dass sie sich der Sache der Palästinenser annehmen wollen. Allerdings ist Recep Tayyip Erdogan seit mehr als einer Dekade ein Akteur im Nahostfriedensprozess, der nur durch verbale Ausfälle gegenüber Israel aufgefallen ist - und nicht etwa durch konstruktive Vorschläge, die man vom politischen Führer eines NATO-Mitgliedsstaates eigentlich erwarten dürfte. Zudem steht der türkische Präsident dem Gedankengut der Muslimbrüder nahe, für die ein guter Naher Osten nur einer ohne Israel ist. Ob diese neue Initiative mehr bringen wird als Absichtserklärungen, bleibt daher abzuwarten.

Der Tempelberg ist heilig für alle: Muslime beim letzten Freitagsgebet im Fastenmonat RamadanBild: AMMAR AWAD/REUTERS

Die jüngste Eskalation, die ihren Ursprung im Stadtteil Scheich Dscharrah in Jerusalem hat, hat Auswirkungen nicht nur auf die gesamte Region, sondern die ganze Welt. Katar hat den israelischen Botschafter ausgewiesen. Das Land stand kurz davor, ein Abkommen mit Israel zu unterzeichnen. Der Iran, ein großer Unterstützer des Hamas-Terrors, hat die Raketenangriffe auf Israel beklatscht. Die USA stehen vor der schwierigen Aufgabe, das Erbe von Donald Trump zu ordnen und sich wieder als Gesprächspartner zu etablieren. Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch Präsident Trump im Jahr 2017 hat Jahrzehnte von US-Politik in der Region konterkariert.

Ein Staat Palästina als Ziel

Dass Deutschland sich erneut eindeutig auf die Seite Israels gestellt hat, ist richtig. Gleichzeitig muss es aus Berlin genauso wie aus Washington Initiativen geben, die vor Ort auch etwas zum Wohl der Palästinenser bewirken. Doch da Benjamin Nethanjahu die Stimmen der radikalen Parteien brauchen wird, um eine neue Regierung zu formen, stehen die Chancen schlecht, dass die Partner Israels jetzt etwas bewirken können.

Die Klagemauer am Jerusalemer Tempelberg ist Heiligtum der JudenBild: Z. Koren

Vielleicht kann es auf diplomatischen Pfaden gelingen, die Normalisierung zwischen Ländern der islamischen Hemisphäre und Israel (neben Katar sollten auch Niger, Oman und Saudi Arabien in diesem Jahr Abkommen mit Israel unterzeichnen) fortzusetzen in der Hoffnung, dass die Verantwortlichen in diesen Ländern sehen, dass mit der Hamas kein palästinensischer Staat zu machen ist.

Dieser freie und unabhängige Staat Palästina aber muss das erklärte Ziel sein, damit sich das Leben der Menschen in den besetzen Gebieten endlich normalisieren und zu einem Besseren wenden kann. Wer ein Abkommen mit Israel unterzeichnet, stimmt damit ja nicht automatisch der Politik zu, die die aktuelle israelische Regierung betreibt. Wohl aber erkennt er das Existenzrecht Israels an, was die Mindestvoraussetzung dafür ist, dass es endlich Frieden im Nahen Osten geben wird - und das bitte, bitte vor dem nächsten runden Geburtstag von "Zurück in die Zukunft".

Alexander Görlach ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hong Kong.

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