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Politik

Hongkong ist leider verloren

Alexander Görlach
26. Mai 2020

Wenn Chinas vertragswidriger Eingriff in die Freiheit der Menschen in Hongkong nicht ohne Folgen bleibt, dann ist auch ein militärischer Angriff auf Taiwan nur noch eine Frage der Zeit, meint Alexander Görlach.

Zitatkarte Alexander Görlach
Bild: DW

China hat die Befürchtungen der Weltgemeinschaft wahr werden lassen: die Ankündigung eines neuen, sogenannten "Sicherheitsgesetzes" bedeutet das Ende der Autonomie Hongkongs. Der Volkskongress der autokratischen chinesischen Führung wird dieses Vorgehen am Gesetzgeber in Hongkong vorbei noch in dieser Woche beschließen. Künftig werden damit Äußerungen für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte als gefährlich für die nationale Einheit Chinas verboten und als Verschwörung oder Separatismus hart bestraft.

Chinas Nomenklatura unter dem Autokraten Xi Jinping verstößt damit ein weiteres Mal gegen die vertraglichen Zusagen, die es Hongkong, Großbritannien und dem Rest der Welt bei der Übergabe der Kronkolonie 1997 gegeben hat.

Eröffnung des Nationalen Volkskongresses in der vergangenen Woche: Xi Jinping betritt die HalleBild: picture-alliance/AP/N. Han Guan

China ist kein Rechtsstaat

Bereits im vergangenen Jahr hatte Peking versucht, mittels eines sogenannten Auslieferungsdekrets ihm unliebsame Personen aus Hongkong in die Volksrepublik ausliefern zu lassen und dort zu verurteilen. Doch China ist kein Rechtsstaat, die Absicht hinter dem Dekret war überdeutlich: jeden potenziellen Gegner in China hinter Gitter bringen zu können.

Zwei Millionen Hongkonger haben friedlich gegen dieses Vorhaben der KP demonstriert. Erst nach Monaten mit zahlreichen Massendemonstrationen zog die von Peking ins Amt der Verwaltungschefin der Stadt gehievte Carrie Lam Ende Oktober 2019 das Auslieferungsdekret zurück. Bei den darauffolgenden Kommunalwahlen im November gewann das Demokratielager haushoch: 17 der 18 Distrikte gingen an die freiheitlichen Kräfte.

Peking schäumte und es ist klar, dass bei den Parlamentswahlen im kommenden September das Bild ähnlich aussehen wird: China und sein autokratisches System würden wiederum von den Hongkongern abgewählt werden. Deshalb soll nun das Parlament umgangen und das "Sicherheitsgesetz" etabliert werden, damit China die Demokraten in Hongkong als "Terroristen" verhaften kann. Bereits Ende April wurden führende Köpfe der Demokratiebewegung zur Abschreckung inhaftiert: Peking wollte seine Macht demonstrieren. Außerdem kann niemand, der von einem Gericht schuldig gesprochen wurde, für ein öffentliches Amt kandidieren. Mit all diesen Maßnahmen soll das demokratische Lager mürbe gemacht werden.

Monatelang zogen Großdemonstrationen durch die Straßen HongkongsBild: picture-alliance/dpa/AP/N. H. Guan

Das nächste Opfer: Taiwan?

Hongkong ist verloren - leider. China muss nun harte Konsequenzen spüren, sonst wird es, von seinem Erfolg berauscht, als nächstes Taiwan angreifen und die Insel annektieren. Taiwan ist ein unabhängiges Land, das aus dem chinesischen Bürgerkrieg hervorgegangen ist. Da die Kommunistische Partei niemanden neben sich duldet, will sie das demokratische Erfolgsmodell vor seiner Küste zerstören. Die Angst in Peking ist groß, dass der demokratische Geist von Taiwan auf das Festland überschwappt.

Die demokratische Weltgemeinschaft muss daher das autokratische China durch Sanktionen zur Einhaltung der von ihm gegebenen Zusagen zwingen. Deutschland sollte sich hier den USA und Großbritannien anschließen, die bereits Schritte in diese Richtung eingeleitet haben. Darüber hinaus sollte das diplomatische Verhältnis zu Taiwan gestärkt und militärische Zusagen für den Fall eines Angriffskrieges gegeben werden.

Xi Jinping in seine Schranken verweisen

In seiner Theorie vom gerechten Krieg schreibt der heilige Augustin, dass es legitim, gut und gerecht sei, einer Nation, die von einer anderen grundlos überrannt wird, zu Hilfe zu eilen. Xi Jinping hat Taiwan mehrfach mit Krieg und Annexion gedroht. Es wird Zeit, dass Xi in seine Schranken gewiesen wird. Die Botschaft muss sein: Mit einem solchen Gebaren hat China keinen Platz in der Weltgemeinschaft!

Die Proteste in Hongkong gingen auch während der Corona-Pandemie weiterBild: Getty Images/A. Kwan

Zuletzt müssen Perspektiven für die Menschen in Hongkong geschaffen werden: Wir sollten möglichst viele von ihnen, vor allem die jungen und gut ausgebildeten, denen nun von China wegen ihrer Teilnahme an den Demonstrationen als "Terroristen" Verurteilung droht, in der freien Welt eine neue Heimat bieten. Diese Maßnahmen müssen der Volksrepublik die Entschlossenheit der freien Welt deutlich vor Augen führen. Es ist Zeit, tätig zu werden und nicht aus Angst vor wirtschaftlichen Konsequenzen vor China zu kuschen.

Alexander Görlach lebt in New York und ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hongkong.

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