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PolitikAsien

In Xinjiang zeigt China seinen wahren Charakter

Alexander Görlach
25. Mai 2022

Die neuen Dokumente über den Umgang mit den muslimische Uiguren können niemand mehr im Unklaren lassen. Die Volksrepublik China ist ein Terrorregime und das macht Konsequenzen notwendig, meint Alexander Görlach.

Ein besetzter Wachturm und hohe Mauern umschließen ein Lager in der Provinz Xinjiang
Von wegen "freies Kommen und Gehen" - die sogenannten Erziehungslager sind gesichert wie GefängnisseBild: Ng Han Guan/AP/picture alliance

Die "Xinjiang Police Files", belegen einmal mehr, zu was die Volksrepublik China unter ihrem Anführer Xi Jinping geworden ist: zu einem Terrorregime. Tausende geleakte Fotos und Dokumente wurden von zwölf Medien aus unterschiedlichen Ländern ausgewertet und auf Echtheit überprüft. Sie zeigen, wie die Menschen in Xis Lagern geknechtet, erniedrigt und gefoltert werden.

China behauptet bis heute, dass die Lager, die auf Satellitenbildern deutlich zu erkennen sind, "Bildungszentren" seien, in die die Menschen ein- und ausgehen könnten, wie es ihnen beliebe. Schon im Jahr 2018 kam, unter anderem durch die Arbeit der BBC, heraus, was sich in den Camps wirklich abspielt.

Eine ganze Provinz als Gefängnis

Xi Jinping und seine Nomenklatura haben die gesamte Provinz zu einem Gefängnis gemacht: Die Menschen werden auf Schritt und Tritt von Kameras verfolgt, ihnen werden genetische Proben entnommen, ihre Stimmen werden aufgezeichnet und Gesichtserkennungs-Software ist gegen sie im Einsatz. Peking geht sogar mittlerweile so weit, dass die hier erprobte grauenvolle Überwachungstechnologie an andere Regime wie zum Beispiel das in Zimbabwe weiter verkauft wird. Von Mitleid für die Uiguren keine Spur. Das ist genau im Sinne Xi Jinpings, der bereits 2019 gesagte hatte "Zeigt absolut kein Erbarmen" mit den Uiguren.

DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Alles fing an im Jahr 2013. Damals behauptete die chinesische Führung, dass radikale Muslime 21 Chinesen in Xinjiang ermordet hätten. Xinjiang, was auf chinesisch "neue Grenze" bedeutet, gehört nicht zum chinesischen Kernland. Vielmehr wurde die Provinz für Peking aufgrund der Bodenschätze interessant (wie auch Pekings Griff nach Tibet etwas mit den Trinkwasservorräten des schmelzenden Himalaya zu tun hat).

Die Führung der KP siedelte Han-Chinesen aus dem Westen des Landes in der von Uiguren bewohnten Provinz an, um diese Region wirtschaftlich auszubeuten. Das führte unweigerlich zu Konflikten mit der einheimischen Bevölkerung. Inwieweit die tödliche Auseinandersetzung damals wirklich einen islamistischen Hintergrund hatte, bleibt daher offen.

Ausradieren des kulturellen Erbes

In Xi Jinpings Vorstellung sind die ethnischen Minderheiten in der Volksrepublik (es sind insgesamt 55) weniger wert, als die überlegene Han-Ethnie, zu der 95 Prozent der Chinesinnen und Chinesen gehören. Die Uiguren sollen nach dem Willen Pekings daher "sinisiert" werden, also die Lebensweise und Kultur der Han erlernen. Das geschieht in den Lagern, in denen die Menschen eingesperrt und gefoltert werden. Ihnen wird ihre Religion, Sprache und Kultur verboten.

Außerhalb der Lager treiben die Soldaten Pekings ihr Unwesen mit den Frauen der inhaftierten Uiguren. Diese werden unter anderem zu Sterilisation und Abtreibungen gezwungen, da Peking verhindern will, dass die Muslime eine Zukunft haben (Pakistan und Afghanistan übrigens unterstützen Peking bei der Verfolgung ihrer Glaubensgeschwister).

Ferner zeigen Satellitenbilder, dass Peking in Xinjiang, genauso wie in Tibet, Kulturgüter zerstören lässt, um so das Erbe der zu unterjochenden Menschen auszuradieren. Der Kongress der USA, das kanadische und das niederländische Parlament nennen das, was Peking im Namen aller Chinesen den Menschen in Xinjiang antut, einen Völkermord.

Deutsche Industrie-Giganten in Xinjiang

Die Bundesrepublik hält sich, wieder einmal, vornehm zurück. Die deutsche Wirtschaft verdankt es China, dass sie im Zuge der Finanzkrise 2008 nicht völlig eingebrochen ist. Deutsche Unternehmen sind nach wie vor in der Region aktiv, allen voran Volkswagen mit einem Werk. Das Unternehmen, das 1998 die Menschen, die unter dem NS-Terror in seinen Werken Zwangsarbeit leisten mussten, mit 20 Millionen Mark entschädigt hat, hat nichts aus seiner Vergangenheit gelernt und noch im Jahr 2021 trotzig an seinem Werk in Xinjiang festgehalten. Für den Verbleib in Xinjiang zählte ausschließlich die "wirtschaftliche Sicht"  auf die Dinge. Der Konzern mit NS-Geschichte und Abgasskandal ist einmal mehr auf moralischem Irrweg unterwegs. Auch nach den aktuellen Enthüllungen bleibt VW bei seiner kaltblütigen Einschätzung der Lage. 

Beim Chemie-Riesen BASF, der ebenfalls ein Werk in Xinjiang unterhält, spricht man von der Möglichkeit, das Geschäft in China zu beenden als "ultima ratio", die man sich aber offenhalte. Laut eines australischen Think Tanks befinden sich Konzentrationslager für Uiguren in der Nähe zu den Werken von VW und BASF.  Beide Unternehmen sagen aber, dass bei ihnen keine Zwangsarbeiter beschäftigt seien.

Kein normales Verhältnis zur Volksrepublik China

Peking weist alles als Propaganda des Westens zurück. Vielmehr veröffentlicht ein staatliches Medium einen Artikel mit der Überschrift "Xinjiang: Die größte Menschenrechtsgeschichte, die Menschen je geschrieben haben". Gegenüber der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, die sich gerade in der Volksrepublik aufhält, nannten Offizielle die Enthüllungen zu Xinjiang eine "politische Manipulation".

Die UN-Kommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet (li.) ist ausgerechnet in diesen Tagen in China zu GastBild: Deng Hua/Xinhua/AP/picture alliance

Das Gegenteil ist wahr: Die Enthüllungen belegen, dass Xi Jinping ein Unrechtsregime anführt, mit dem die zivilisierte Welt nicht verkehren sollte. Solange die Lager in Xinjiang nicht aufgelöst und die Verantwortlichen, allen voran Xi Jinping und sein Außenminister Wang Yi, nicht wegen ihrer Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung gezogen werden, können demokratische Länder kein normales Verhältnis zur Volksrepublik China unterhalten.

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne.

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