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PolitikChina

Ist Chinas Null-COVID-Strategie gescheitert?

Alexander Görlach - Carnegie Council for Ethics in International Affairs
Alexander Görlach
5. Juli 2022

Shanghai ist noch nicht lange aus seinem Lockdown befreit und schon droht die nächste Corona-Welle Teile der Volksrepublik lahm zu legen und die zarte Erholung der Wirtschaft zu torpedieren, schreibt Alexander Görlach.

In der östlich gelegenen Provinz Anhui im Si County wurden über das Wochenende tausend Corona-Fälle registriert. Si County liegt mit dem Auto etwa fünf Stunden westlich von Shanghai; wer von der Hafenmetropole nach Anhui fahren möchte, kommt dabei durch die Provinz Jiangsu. Auch dort steigen die Fallzahlen langsam, aber deutlich. Die Behörden sind alarmiert: am Samstag verordneten die Behörden 760 000 Einwohnern von Si County einen lockdown. Im südlich von Shanghai gelegenen Yiwu wiederum, dem größten Christbaum-Exporteur der Volksrepublik, wurden vorsorglich Flüge nach Peking gestrichen, nachdem neue COVID-19-Fälle bekannt wurden. 

Europäern sagen die Namen Anhui, Jiangsu und Yiwu wenig. Diese Städte sind aber für den Welthandel überlebenswichtig: so werden über 35 Prozent der weltweit verwendeten Solarpanels in Jiangsu produziert. Des Weiteren werden wichtige Chipkomponenten und Solarzellen dort hergestellt. Insgesamt ist diese Region, das Yangtze Flussdelta so etwas wie die Herzkammer der chinesischen Wirtschaft, die sich nur langsam von den Corona-Strapazen erholt. Diese werden den Menschen vor allem durch die Null-COVID-Strategie Xi Jinpings abverlangt.

Die umstrittene COVID-Politik

Der chinesische Führer hatte erst jüngst bekräftigt, an seiner, auch in der kommunistischen Partei nicht unumstrittenen, Politik festhalten zu wollen. Demnach werden in der Volksrepublik Wohnblocks, Straßen und Stadtviertel je nach der Anzahl neuer Corona-Fälle gesperrt, die Bewohnerinnen müssen sich täglich testen lassen, Infizierte werden von ihren Familien getrennt. 

Shanghai ist gerade erst raus aus dem lockdownBild: Jacqueline Wong/REUTERS

Xi Jinping hält an diesen Maßnahmen fest, da es bislang in China keinen wirksamen Impfstoff gegen Corona gibt. Die Kommunistische Führung lehnt es ab, wirksame Impfstoffe aus dem Ausland einzukaufen, da sie selbst das Gerücht in die Welt gesetzt hat, die Amerikaner hätten die Pandemie nach China gebracht. Nun amerikanische Impfstoffe kaufen zu müssen, käme für Xi einem großen Gesichtsverlust gleich. Offiziell ist der Biontech/Pfizer-Impfstoff immer noch im Prüfungsverfahren. Das Magazin "Nature" veröffentlichte Ende Juni einen Artikel wonach ein mRNA-Impfstoff womöglich in der Volksrepublik vor dem Durchbruch stehen könne. Das würde dem von der Null-COVID-Strategie ausgezehrten Land etwas Luft verschaffen, sollte es halten, was es jetzt zu versprechen scheint. Zeit würde es, auch aus einem anderen Grund: Alleine in Shanghai sind aufgrund des täglichen Testens hunderttausender Menschen im Juni nach Angaben des Magazins SPIEGEL 68 500 Tonnen medizinische Abfälle angefallen.  

Xi wird seiner Verantwortung nicht gerecht

Für Machthaber Xi sind das alles keine guten Nachrichten. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 18,4 Prozent auf einem Hoch wie schon lange nicht mehr, die Weltbank korrigiert Chinas eigene Wachstumsprognose aufgrund der Pandemie auf 4,4 Prozent nach unten. Im Herbst wird der XX. Parteikongress tagen, auf dem sich Xi zum unumschränkten Herrscher ausrufen lassen möchte. Seit den Verheerungen, die Mao in China angerichtet hat, durften Präsidenten nur noch zwei Perioden, maximal zehn Jahre, im Amt bleiben. Xi möchte das ändern, um China, womöglich bis zu seinem Tode, totalitär zu lenken. Er wird sich dabei vor allem auf die Notwendigkeit berufen, der Pandemie weiter die Stirne bieten zu müssen. Niemand erwartet eine Palastrevolution, auch nicht angesichts der steigenden Unzufriedenheit im Land, das Kritiker im Internet aufgrund von Xis Politikstil und Gleichschaltungswahn nur noch "Westkorea" nennen. 

Es könnte aber geschehen, dass in die anderen Ämter, beispielsweise jenes des Premierministers, eine Person berufen wird, die Xi nicht unbedingt nahe steht. So sollen der Bevölkerung und der Welt signalisiert werden, dass nicht alle und jede in China nach Xis Pfeife tanzen. Bis in den Herbst ist es noch eine lange Zeit. Sollten von China ausgehend die globalen Lieferketten wiederum in Mitleidenschaft gezogen werden, könnte das Auswirkungen auf die gesamte Welt haben

In dem Land, von dem die Pandemie ausging, muss sich die politische Nomenklatura deshalb jetzt der Verantwortung stellen, die sie für das Wohl und Leben ihrer Bevölkerung und die Handelspartner rund um den Globus haben und Impfstoffe aus der freien Welt importieren.

Lockdown legt Shanghai lahm

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