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Görlach Global: Janet Yellen, China und die Globalisierung

Alexander Görlach
9. April 2024

US-Finanzministerin Janet Yellen war vier Tage lang in China. Ihr Besuch sollte das Verhältnis der wirtschaftlichen Konkurrenten entspannen. Aber die Geschäftsgrundlage stimmt nicht, meint Alexander Görlach.

US-Finanzministerin Janet Yellen gibt Chinas Vize-Premier He Lifeng die Hand
Schwierige Beziehung: US-Finanzministerin Janet Yellen bei Chinas Vize-Premier He Lifeng Bild: Pedro Pardo/AFP

Der Besuch der US-amerikanischen Finanzministerin Janet Yellen in der Volksrepublik China hat vor allem eines offengelegt: Die Ära der wirtschaftlichen Globalisierung ist zu Ende. Die Politikerin forderte ihre chinesischen Gesprächspartner nachdrücklich auf, den Weltmarkt nicht weiter mit ihren Produkten zu überschwemmen.

China flutet die Welt mit konkurrenzlos günstigen Batterien, Solarpanels und Elektroautos. Machthaber Xi Jinping will damit die lahmende Wirtschaft seines Landes wieder ankurbeln. Das bedeutet eine wirtschaftspolitische Kehrtwende, denn eigentlich sollte der chinesische Markt eine so große eigene Kaufkraft entwickeln, dass China nicht mehr vom Rest der Welt abhängig wäre. 

Doch daraus wurde nichts. Die Pandemie und die in der Folge verhängten verheerenden Einschränkungen, mit denen Xi und seine Nomenklatura die Bevölkerung gängelten, haben die Bevölkerung in China nachhaltig verunsichert. Dazu kommt das Platzen der Immobilienblase. Die Menschen glauben nicht mehr an das Wohlstandsversprechen der Kommunistischen Partei. Das Geld, das ihnen geblieben ist, halten sie zusammen - Konsum als vaterländische Pflicht kommt den Wenigsten derzeit in den Sinn. Xi Jinping wiederum hält finanzielle Anreize, Steuererleichterungen oder Geldgeschenke für gebeutelte Haushalte für Teufelszeug. Stattdessen möchte er den Erfolg wiederholen, den China vor einem Vierteljahrhundert hatte: Das Reich der Mitte soll einmal mehr zur Werkbank der Welt werden. 

USA und Europa müssen ihre Märkte schützen

Doch hier ziehen die USA nicht mit, denn damit haben sie schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht. Zu Beginn des Jahrhunderts unterstützte Washington die Aufnahme der Volksrepublik in die Welthandelsorganisation. Dafür willigten die Vereinigten Staaten in einen Deal ein: Billige Produkte aus China kosten zwar heimische Arbeitsplätze - aber gleichzeitig erquicken sich die US-amerikanischen Konsumenten an den preiswerten Erzeugnissen aus der Volksrepublik. Doch bei ihrem Besuch stellte Finanzministerin Yellen jetzt klar: Noch einmal werden die USA den Verlust von Arbeitsplätzen nicht hinnehmen. Damals gingen geschätzt zwei Millionen Jobs verloren.

DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: privat

Washington wirft Peking zu Recht vor, durch günstige Grundstücksvergabe und Staatskredite den Wettbewerb zu verzerren. Gleichzeitig haben die USA und die Europäische Union selbst Programme aufgelegt, die massiv in grüne Technologie und Künstliche Intelligenz investieren. Um diese Investitionen zu schützen, werden Europa und Amerika nicht umhinkommen, China mit neuen Zöllen für ihre stark verbilligten Produkte zu drohen. Davon möchte Janet Yellen zwar im Moment nicht sprechen. Aber in diese Richtung wird gedacht - und das ist meilenweit entfernt vom Optimismus des Globalisierungszeitalters, dass die unsichtbare Hand des Marktes alle Interessen auf wundersame Weise ausgleichen werde.

WTO entscheidet über Chinas Subventionen

Die Volksrepublik hat mittlerweile Produktionskapazitäten aufgebaut, die es an Know-how und Effizienz mit der globalen Konkurrenz aufnehmen können. China ist zu einem echten Wettbewerber und einer Herausforderung herangewachsen, dem sich beispielsweise das Auto- und Maschinenbauerland Deutschland stellen muss. Aber: Die Kommunistische Partei lässt nicht mehr nach marktwirtschaftlichen, sondern nach staatskapitalistischen Regeln produzieren: Staatliche Banken vergeben Kredite an (teils)staatliche Unternehmen. Die Hälfte der produzierten Waren wird auf den globalen Markt gestoßen. Hier liegt der Unterschied zu den Subventionen und Investitionen, die US-Präsident Joe Biden im Inflation Reduction Act für die USA festgeschrieben hat. Sie dienen der Konsolidierung der US-amerikanischen Wirtschaft und haben das Ziel, vor allem die USA selbst zu bedienen. Eine Schwemme des Weltmarktes mit US-amerikanischen Produkten ist dabei nicht vorgesehen. 

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Sowohl die USA und die Europäische Union als auch Brasilien und Mexiko wollen bei der Welthandelsorganisation WTO Beschwerde gegen Chinas Subventionspraktiken einlegen. Allerdings hat die EU auch die Sorge geäußert, dass die Subventionen in den USA Arbeitsplätze in Europa kosten werden. Das ist den entsprechenden Stellen in Peking nicht entgangen - sie haben daher ihrerseits Beschwerde gegen Washington eingelegt. 

Janet Yellen wurde Medienberichten zufolge in China freundlich empfangen. Die Beteiligten haben vereinbart, im Gespräch zu bleiben. Zumindest wollen die Biden-Administration und die Xi-Führung für den Moment die Situation nicht eskalieren. Gelöst haben sie die kniffligen Fragen jedoch nicht, denn ihre Geschäftsgrundlage stimmt nicht mehr überein: die Weltanschauung einer globalisierten Wirtschaft, deren Regeln die WTO kontrolliert und sanktioniert. Sie wird nicht mehr mitgetragen von einer Politik, die an vielen Ecken der Welt zunehmend nationalistisch und isolationistisch agiert.

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.

Hinweis: In der ursprünglichen Fassung war von der WHO statt der WTO die Rede. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen. 

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