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Politik

Bidens Außenpolitik folgt alten Mustern

Alexander Görlach
2. März 2021

Eine erste Zwischenbilanz wenige Woche nach Joe Bidens Amtsantritt ist mehr als ernüchternd: Die Welt ist durch den neuen US-Präsidenten nicht sicherer geworden. Ganz im Gegenteil - meint Alexander Görlach.

Zitattafel Alexander Görlach

Für alle, die sich über den umfassenden Machtwechsel in den Vereinigten Staaten - das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses sind nun in demokratischer Hand - gefreut haben, dürften über die ersten Wochen der Biden-Präsidenschaft enttäuscht sein: mehr Soldaten im Irak und Luftschläge in Syrien, keine Erhöhung des Mindestlohns und kein Schuldenerlass für die, die für ihre College-Ausbildung Kredite aufnehmen mussten. Die beiden letzten Punkte waren Wahlkampfversprechen des Kandidaten Biden, von denen er sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit verabschiedet hat. Entsprechend fiel die Reaktion vor allem der jungen Wähler aus: Entsetzen und Wut in den sozialen Netzwerken!

Bevor er die Berufung in Bidens Kabinett als Verteidigungsminister annahm, war Lloyd Austin Mitarbeiter von Raytheon, einem Rüstungskonzern. Es sieht also so aus, als ob sich die USA unter ihrem neuen Präsidenten wieder, anders als in den Jahren der Trump-Administration, mehr militärisch engagieren werden. Soll das nun die neue außen- und sicherheitspolitische Linie der USA sein, auf die man, auch in Europa, in den vergangenen vier Jahren gewartet hat?

Jede Menge Aspiranten für neue US-Angriffe

Dann erscheint die Frage opportun, was auf die Luftschläge in Syrien folgen mag beziehungsweise an welche Adresse sich die Aussage "wir sind auch militärisch zurück” richten wird? Aspiranten dafür gibt es eine Menge. Der Iran ist auch unter der neuen Administration ein "heißer Kandidat” für eine militärische Operation. Denn der größte Feind einer neuen Friedensarchitektur im Nahen Osten ist die Gottesdiktatur in Teheran. Von dort aus werden Terrormilizen gelenkt, die Schrecken und Tod verbreiten. Washington könnte nun beides wollen: ihnen das Handwerk legen und sich gleichzeitig wieder an internationalen Vertragswerken beteiligen, die den Schurkenstaat vom Bau der Atombombe abhalten sollen.

US-Kampfjets stiegen vergangene Woche erstmals unter dem Befehl von Präsident Biden gegen Ziele in Syrien aufBild: picture-alliance/AP Photo/H. Jamali

Zum Beginn der Biden-Präsidentschaft erschien der eine oder andere Essay, der sich mit der Frage beschäftigte, ob die USA und die Volksrepublik China sich in einen Krieg verstricken werden. Verbündete der USA, die es unter der autokratischen Knute von Machthaber Xi Jinping schwer haben und denen die USA Hilfe anbieten könnten, gibt es genügend: Da ist Indien, das von China im vergangenen Jahr in ein Grenzscharmützel mit Toten auf beiden Seiten gezogen wurde.

Viele Länder, nicht nur in Asien, sind inzwischen über die Road & Belt Initiative an China gebunden, um nicht zu sagen abhängig von dem Land. Sri Lanka kann seine Kredite für den Hafen Hambantota nicht begleichen. Er fällt nun, mit dem Terrain das ihn umgibt, für die kommenden 99 Jahre an Peking. Die Volksrepublik hat somit einen strategischen Ort, den sie militärisch nutzen kann - in unmittelbarer Nähe zu seinem strategischen Rivalen Indien.

Der Hafen von Hambantota auf Sri Lanka. Da die Regierung die Raten nicht mehr zahlen kann, fällt das Territorium an ChinaBild: Liu Hongru/Xinhua/imago images

Gleich mehrere potenzielle Kriegsschauplätze

Indiens Erzfeind Pakistan gibt sich wiederum als Bruder der Volksrepublik. Das Land hat bereits den chinesischen Yuan als Währung neben dem US-Dollar etabliert. Das Bestreben Pekings, den Dollar als die globale Leitwährung abzulösen, mag die USA perspektivisch für einen bewaffneten Konflikt begeistern. Da sind darüber hinaus die Philippinen, die beklagen, dass die Volksrepublik einige ihrer Inseln im Südchinesischen Meer besetzt. Und auch Japan beklagt sich über das Verhalten Chinas in dieser Weltmeer-Gegend. Somit ist auch dieser Ort ein potenzieller Kriegsschauplatz.

Und natürlich ist da Taiwan: Die unabhängige Inseldemokratie wird von China als ihr Territorium betrachtet, was das Eiland de facto nicht ist. Als enger Verbündeter der freien Welt produziert das Land gemeinsam mit Südkorea nahezu alle Chips, die auf der Welt in elektronischen Geräten landen. Der Fall der Insel wäre daher nicht nur für die USA ein herber Verlust.

Xis Traum von der Vorherrschaft der Han-Chinesen

Präsident Xi sieht es als Regierungsziel an, alles, was er als chinesisches Territorium versteht, vollständig unter Vorherrschaft der Han-Chinesen zu bringen. Dazu gehören, Tibet, Xinjiang, die Innere Mongolei und Hongkong. An diesen Orten haben Xi und seine Nomenklatura in den vergangenen Jahren schwere und schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen. Einzig Taiwan entzieht sich Xis Zugriff, da das Land, wie jede souveräne Nation, über ein eigenes Heer verfügt, welches das Land verteidigen kann.

Noch wehren sich die Bürger Myanmars gegen den Militärputsch. Wie lange halten sie durch?Bild: AP/picture alliance

Nun ist mit Myanmar ein weiteres Land in den Blickpunkt geraten: Nach dem Militärputsch ist offen, wie es in dem Land weiter gehen wird. Gerüchte, wonach die Volksrepublik das Militär stützt, sind noch nicht verifiziert. Das klingt plausibel, denn China, das zeigt der Blick auf die Road & Belt Initiative, setzt beim Aufbau seiner Weltvorherrschaft nicht auf das Militär, sondern auf Abhängigkeiten, die es finanziell und ökonomisch herstellt.

Von wegen neue Politik

So erreicht China, was es will: Selbst in Europa tanzen Länder wie Italien, Griechenland, Ungarn und Serbien bereits nach Xi Jinpings Pfeife. Um der globalen Bedrohung zu begegnen, die von einem hegemonialen Unrechtsstaat ausgeht, denken die USA unter Joe Biden, so sieht es zumindest im Moment aus, an Maßnahmen, die sich in der Vergangenheit, von Vietnam bis zum Irak, nie ausgezahlt haben. Sollte das die neue Politik sein, die der Kandidat Biden versprochen hat, ist ist seine Präsidentschaft schon jetzt enttäuschend.

 

Alexander Görlach ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hong Kong.

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