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Politik

New York - Die geplagte Stadt der Gegensätze

Alexander Görlach
9. Juni 2020

Langsam beginnt sich das Leben in der Mega-City wieder zu normalisieren. Doch nirgendwo war der Zusammenhang zwischen Ungleichheit, Armut, Rassismus und der Corona-Pandemie sichtbarer als hier, meint Alexander Görlach.

Zitattafel Alexander Görlach Donald Trump
Bild: DW

New York City kommt nicht zur Ruhe: Nach drei Monaten Quarantäne, in der Corona-bedingt nicht an ein normales Leben zu denken war, wurde in der vergangenen Woche über die Metropole auch noch eine Ausgangssperre verhängt. Im Zuge der meist friedlichen Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt war es zu Plünderungen und Ausschreitungen gekommen, was Gouverneur Andrew Cuomo zu diesem Schritt veranlasste.

Für die New Yorker war das ein herber Schlag. Denn selbst in den härtesten Corona-Wochen war es ihnen erlaubt nach draußen zu gehen, wann immer ihnen danach war. Auch wenn die Ausgangssperre immer erst um 20 Uhr begann, wurden bereits ab 18 Uhr die Geschäfte geschlossen und der Fahrrad-Verleih City Bike, den viele in diesen Frühlingstagen nutzen, stellte den Betrieb ein. Als am Montag Gouverneur Cuomo dann Phase 1 der Lockerungen des Corona-Lockdowns einläutete, wurde auch die Ausgangssperre wieder aufgehoben. Der erste Tag in einem teilweise wiedereröffneten New York sollte schließlich nicht schon wieder bereits um 18 Uhr enden.

Der Times Square in Manhattan voller Demonstranten, die gegen den gewaltsamen Tod von George Floyd protestierenBild: Reuters/M. Segar

COVID-19-Opfer waren vor allem die Armen

Nirgendwo in den USA ist der Zusammenhang zwischen COVID-19 und den Demonstrationen gegen Rassismus und für Gleichheit deutlicher sichtbar als in New York City. In der Stadt starben sehr viele Menschen, die ethnischen Minderheiten angehören: Schwarze und Latinos. Während Manhattan sich leerte und zahlreiche gutgestellte weiße Amerikaner in ihre Häuser auf Long Island flohen, standen die Armen Schlange vor den Krankenhäusern der Stadt. Dort starben auf dem Höhepunkt der Pandemie jeden Tag rund 1000 Menschen. Eine klinische Corona-Behandlung schlägt im Durchschnitt für diejenigen, die sie brauchen, mit 15.000 Dollar zu Buche. Das ist für amerikanische Verhältnisse noch nicht einmal viel. Aber in den USA gibt es viele Menschen, die finanziell bereits am Ende sind, wenn sie eine Arztrechnung von rund 500 Dollar bezahlen müssen.

Die beste Nachricht der vergangenen Woche: Sonntag war der erste Tag, an dem in New York niemand an COVID-19 gestorben ist. Zudem ist im Moment die Chance sehr gering, neu zu erkranken. Entwarnung kann dennoch nicht gegeben werden: Sobald eine zweite Welle die Stadt erreicht, wird sich alles wieder umkehren.

Denn in der Zwischenzeit ist nichts getan worden, um die Gesundheitsvorsorge der Amerikaner zu verbessern. Im Gegenteil: Der US-Präsident hat sich in einen erneuten Kampf mit den Gouverneuren begeben, mit denen er schon beim Corona-Management heftig aneinander geriet. Um das Weiße Haus ist ein Sicherheitsring gezogen worden, der Präsident hat 10.000 Heeres-Soldaten angefordert, um ihn zu beschützen. Die Bürgermeisterin von Washington DC hat darauf hin auf der Straße zum Weißen Haus in übergroßen gelben Lettern den Schriftzug "Black Lives Matter" anbringen lassen.

"Black Lives Matter" ließ Washingtons Bürgermeisterin Muriel Bowser nahe des Weißen Hauses auf die Straße malenBild: picture-alliance/dpa/AP/Executive Office of the Mayor/K. Naji-Allah

Alles zielt nur auf den 3. November

Donald Trump interessiert sich allerdings keinen Deut für das Land und seine Menschen. Seine Auftritte sind allein darauf abgestimmt, die Wähler der Republikaner am 3. November an die Wahlurne zu bekommen. Manche sagen, dass genau so die Wahlen gewonnen werden: nicht durch die Überzeugung von Wechselwählern oder Erstwählern, sondern einzig dadurch, die eigene Basis zu mobilisieren und davon abzuhalten, am Wahltag einfach zu Hause zu bleiben.

Joe Biden, Trumps Herausforderer, hat bereits Unterstützung prominenter Republikaner erhalten, die lieber ihn als nächsten Präsidenten sähen als ihren Parteifreund Donald Trump. Das Land ist durch COVID-19, Rassismus und Polizeigewalt so gespalten wie lange nicht. Die verheerende ökonomische Lage vieler Amerikaner macht es nicht besser. Vielleicht ist Optimismus angebracht und es gibt Hoffnung, dass die Bewegung gegen Rassismus und für Gleichheit das Land verändert und Donald Trump, den Spalter und Hobby-Autokraten, aus dem Weißen Haus katapultiert.

 

Alexander Görlach lebt in New York und ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hongkong.

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