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Politik

Saudi-Arabiens Spagat zwischen China und den USA

Alexander Görlach
7. Dezember 2022

Saudi-Arabien hofiert China mit einem Gipfel in Riad. Doch die strategische Beziehung zu den USA bleibt davon unberührt. Denn es geht nicht nur um Öl, sondern auch um den Iran, meint Alexander Görlach.

China I Kronprinz Mohammed bin Salman in Peking
Wiedersehen im Wüstenstaat: Sechs Jahre nach ihrem Treffen 2016 in Peking kommen Prinz Mohammed bin Salman (l) und Xi Jinping nun in Riad zusammen Bild: Bandar Algaloud/AA/picture alliance

In einer Zeit, in der sich die Weltordnung neu sortiert, will auch der saudische Kronprinz für seine Steinzeit-Monarchie mehr Macht auf dem internationalen Parkett. Muhammad bin Salman wird diese Woche Chinas Machthaber Xi Jinping als Staatsgast begrüßen und am 9. Dezember einen chinesisch-arabischen Gipfel in Riad ausrichten, zu dem mindestens 14 Staatschefs erscheinen sollen.

Der Besuch aus China soll Washington signalisieren, dass man sich im Königreich Saudi-Arabien nach neuen Allianzen umschaut. Das traute Stelldichein der Potentaten und Diktatoren in unmittelbarer Nähe zu den heiligen Stätten des Islam zeigt einmal mehr, wie sehr sich das Bündnis totalitärer Staaten verfestigt.

Der Gastgeber ist den USA "unerwünscht"

Bin Salman war aufgrund des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul in den USA zu einer persona non grata geworden. Der Journalist, der damals bereits in den Vereinigten Staaten lebte, kritisierte das Königshaus, unter anderem in seinen Kolumnen für die Washington Post. 

Während des Wahlkampfs hatte Präsidentschaftskandidat Biden angekündigt, im Falle eines Sieges eine härtere Linie gegenüber Saudi-Arabien zu fahren. Die Menschenrechte stünden fortan im Mittelpunkt des Verhältnisses zwischen beiden Ländern. Ein Anfang des Jahres vom Weißen Haus veröffentlichter Bericht der US-Sicherheitsbehörden wiesen MBS, wie der Kronprinz auch genannt wird, als Verantwortlichen für den Mord aus.

Auf der Liste der wegen des Mordes an Khashoggi sanktionierten Personen ist der Name Muhammad bin Salman allerdings nicht zu finden. Die Biden-Administration hatte ferner ursprünglich angekündigt, den Krieg, den das Königshaus im Jemen führt, nicht weiter mit Waffenverkäufen unterstützen zu wollen. Auch dieses Versprechen ist vergessen, wenngleich die USA betonen, bei den Verkaufen an die Öl-Monarchie handele es sich nur um Defensivwaffen.

DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: Hong Kiu Cheng

Putin sorgt für Wiederannäherung

Die Wahrheit ist, dass die USA Saudi-Arabien nicht zuletzt wegen des Energiekrieges, den Kreml-Diktator Putin gegen die freie Welt angestrengt hat, brauchen. Jeder Partner, der dem Westen mit Öl- und Gaslieferungen durch den kalten Winter helfen kann, ist da recht.

Allerdings ist Saudi-Arabiens größter Rohöl-Abnehmer die Volksrepublik China. Und allein durch das Hofieren eines anderen Abnehmers soll den Vereinigten Staaten klar gemacht werden, dass das Land auch andere Möglichkeiten hat, sich Partner zu suchen.

MBS tritt hier selbstbewusst auf. Man könne, so wird der Herrscher in einem Interview mit dem US-Magazin The Atlantic zitiert, die Investitionen in den USA zurückfahren oder, was ein Wunsch Pekings ist, Teile des Ölhandels künftig in der chinesischen Währung durchführen. Die Volksrepublik möchte den Dollar als globale Leitwährung ablösen, um politisch Druck ausüben zu können und gleichzeitig nicht mehr von Sanktionen der USA getroffen werden zu können. 

China, Russland, Iran: Wie weit kann die Kooperation Saudi-Arabiens mit den Verbündeten seines Erzfeindes Iran gehen?Bild: irdiplomacy

Gemeinsamer Feind Iran

Trotz der Hofierung Pekings bleibt allerdings die Tatsache bestehen, dass Riad und Washington einen gemeinsamen Feind haben: das Mullah-Regime in Teheran. Spätestens da wird es im Konzert der Potentaten und Diktatoren dissonant: Die Volksrepublik unterstützt Russland, und Russland und der Iran unterstützen sich gegenseitig.

Machthaber Putin besuchte im Sommer Teheran. Auch Chinas Xi Jinping traf den iranischen Präsidenten, während des Treffens der Shanghai Cooperation Organisation im September. 

Derzeit dürften es einzig die US-amerikanischen Sicherheitsgarantien sein, die Riad davon abhalten, völlig mit dem Partner USA zu brechen. Die Volksrepublik bietet sich bereits überall auf der Welt Diktatoren als alternativer "Sicherheitspartner” an. Von den Solomon-Inseln bis nach Zimbabwe positioniert sich Peking und exportiert sogar seine Überwachungstechnologien, die es zuerst an der eigenen Bevölkerung ausprobiert hat. 

Abstand zu China

Der Aufstieg Chinas, das Kritiker in der Volksrepublik mittlerweile aufgrund der extremen Überwachung in Anspielung auf Kim Jong-uns finsteres Reich Nordkorea nur noch "Westkorea” nennen, führt nicht zu einer irgendwie balancierten, neutralen neuen Arithmetik auf dem Globus, zu einer Art fairer Machtverteilung.

Das exakte Gegenteil ist der Fall. Unter der Führung Chinas arbeiten totalitäre Staaten miteinander daran, ihre Bevölkerungen weiter zu unterdrücken und sich die demokratische Welt mit ihrem Versprechen von Freiheit und Menschenrechten mit allerlei Drohungen auf Abstand zu halten. 

Es ist daher völlig richtig, China wo es nur geht daran zu hindern, seine Ambitionen umzusetzen. Die Sanktionen der USA gegen die Halbleiter-Industrie der Volksrepublik sind vor diesem Hintergrund kohärent. Gleichzeitig sollten die USA sich so schnell es geht von Schurkenstaaten wie Saudi-Arabien entkoppeln. In der neuen Weltordnung ist kein Platz mehr für strategische Ambiguität. 

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne.