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KonflikteVietnam

Vietnams Spagat zwischen USA und Russland

Alexander Görlach
12. September 2023

Bei seinem Besuch in Hanoi ist US-Präsident Biden freudig begrüßt worden. Ein möglicher Kauf russischer Waffensysteme könnte das Vertrauen der USA in Vietnam jedoch gefährden, meint Alexander Görlach.

US-Präsident Joe Biden besucht Vietnam
US-Präsident Joe Biden in Vietnam: Bleibt das Vertrauen bestehen? Bild: Luong Thai Linh/AP/picture alliance

Vietnam soll der nächste Baustein einer US-geführten Koalition gegen ein zunehmend aggressives und kriegsbereites China sein. Hanoi fürchtet den Anspruch, den Peking auf das Südchinesische Meer erhebt. Dort lässt Peking künstliche Inseln aufschütten und militarisieren, die Militärausgaben der Volksrepublik liegen auf Rekordhoch. Ein Krieg könnte jederzeit ausbrechen, chinesische Milizen halten Teile der zu den Philippinen gehörenden Spratley-Inseln seit Jahren besetzt. 

Der Besuch von US-Präsident Joe Biden sollte die Allianz der beiden ehemaligen Kriegsgegner auf eine neue Stufe heben. Denn ohne das Engagement Washingtons in Asien wäre die von Xi Jinping geführte Streitmacht nicht aufzuhalten. Hanois Außenpolitik verschrieb sich bis dato einer gewissen Form der Neutralität: im Konflikt zwischen China und Russland wollte Vietnam keine Position einnehmen, das Land selbst sich aus bewaffneten Konflikten heraushalten.

Wird das Vertrauen der USA auf die Probe gestellt ? 

Doch kurz vor dem Biden-Besuch schreibt die New York Times, dass Hanoi Waffensysteme aus Russland kaufen möchte, um im möglichen Konflikt mit der Volksrepublik besser ausgerüstet zu sein. Um diesen Waffenkauf durchzuziehen, müsste die vietnamesische Regierung allerdings die von den USA und ihren Verbündeten aufgelegten Sanktionen gegen den kriegstreibenden Kreml umgehen. Laut New York Times soll dies über ein Pipeline-Projekt in Sibirien geschehen. 

Sollte Vietnam nun, nachdem das Vorhaben durchgestochen wurde, weiter an dem Kauf festhalten, riskiert die politische Führung des autokratischen Landes, das frisch erworbene Vertrauen zu den USA zu gefährden. Gleichzeitig würde der Kauf bedeuten, dass Hanoi bereit ist, seine neutrale Haltung zwischen China und Russland aufzugeben - unabhängig davon, ob es nun am Ende auch wirklich dazu kommen wird. Das wird Peking sicherlich verärgern.

Mit neuer Weltordnung Zugang zu Militärtechnik ?

Der Zorn Xi Jinpings wird sich allerdings nicht nur gegen Hanoi, sondern auch gegen den Kreml entladen. Xi hat Putin eine Männerfreundschaft unter Diktatoren angetragen und das Band zwischen den beiden bei einem Besuch in Moskau in diesem März gefestigt. Laut Xi ist nun die Zeit gekommen, gemeinsam eine neue Weltordnung zu bauen, in denen China und Russland dominieren und die USA abgeschlagen sind.

DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: privat

Peking erhoffte sich aus diesem neuen Bündnis auch Zugang zu Militärtechnologien, die Russland den chinesischen Kommunisten bislang vorenthalten hatte. Dass Moskau nun erwägt, solche Technologien an ein Land zu verkaufen, das Peking zu dominieren trachtet, und das in einem Moment, in dem Hanoi eine größere Nähe zu Amerika sucht, kann Xi nicht anders als Verrat an seiner Freundschaft zu Putin auffassen.

Drei-Mächte-Konflikt wird wahrscheinlicher 

Insgesamt streben derzeit alle Länder Asiens eine größere sicherheitspolitische und militärische Nähe zu den Vereinigten Staaten von Amerika an. Dass dies auch für ehemals verfeindete Nationen wie die USA und Vietnam gilt, zeigt, wie realistisch die Gefahr eines chinesischen Angriffskriegs in der Region ist. Orte, an denen ein Krieg ausbrechen könnte, gibt es einige, vom Himalaya, wo es zwischen Neu Delhi und Peking brodelt, bis zur demokratischen Inselrepublik Taiwan, die Peking erobern und seinem Staatsgebiet einverleiben will. 

Flagge in Taipeh: Die Sorge Taiwans vor China ist groß Bild: Ritchie B. Tongo/EPA/dpa/picture alliance

Washington kann Hanoi einen Waffendeal mit Russland nicht durchgehen lassen. Peking, aus anderen Gründen, ebenso wenig. Diese neue Gemengelage macht einen Drei-Mächte-Konflikt zwischen Amerika, Russland und China über Vietnam wahrscheinlicher. Auf die Möglichkeit, Vietnam nun als einen weiteren potentiellen Kriegsschauplatz einstufen zu müssen, war Joe Biden vor seinem Besuch sicher nicht eingestimmt. 

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.

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