Singapur oder Taiwan als Alternative zu Hongkong?
24. November 2020Die Volksrepublik China setzt ihren Kurs gegen die - eigentlich - unabhängige Stadt Hongkong unbeirrt fort. Am Montag wurden führende Köpfe der demokratischen Partei Demosisto inhaftiert, darunter der auch in Deutschland bekannte Aktivist Joshua Wong. Er und zwei weitere Demokraten, Agnes Chow und Ivan Lam, harren nun ihres Urteiles, das für kommende Woche erwartet wird.
Demosisto hat sich Juli sofort aufgelöst, nachdem China durch ein sogenanntes "Staatssicherheitsgesetz" pro-demokratisches Denken in Hongkong unter Strafe gestellt hat. Das Regime in Peking schreckt auch nicht davor zurück, demokratische Aktivisten zu entführen. Angesichts dieser Entwicklungen kann Hongkong nicht mehr der Finanzplatz sein, der er in der Vergangenheit war.
Singapur in der besseren Situation
Als Alternativen kommen Singapur und Taiwan in Frage. Singapur scheint hier der besseren Situation zu sein, da das kleine Land schon lange die Rolle eines weiteren Finanz-Hubs in Asien inne hat. Allerdings kommen aus dem Land, das auch keine Demokate ist, beunruhigende Nachrichten. Auch in diesem dem de-facto Einparteienstaat müssen Aktivisten, die sich für Menschenrechte einsetzen, fürchten, für Nichtigkeiten inhaftiert zu werden.
So erging es Jolovan Wham, der sich vornehmlich für die Rechte der in Singapore lebenden Gastarbeiter einsetzt. Er hatte sich im Frühjahr für kurze Zeit auf einen Platz gestellt und einen Pappkarton mit einem hufgekritzelten Smiley-Gesicht in die Höhe gehalten. Das reichte für die Behörden, um den 40-Jährigen zu inhaftieren.
Singapur steht vor einer Richtungsentscheidung. Als Partner der freien Welt könnte es den Moment nutzen, der durch die Entwicklungen in Hongkong eingetreten ist: mehr Rechtsstaatlichkeit und mehr Demokratie können Talent und Geld anlocken - eine Verschärfung der ohnehin schon nicht laxen Lage in dem Land mag das Gegenteil bewirken. Singapurs Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Han-Chinesen, von denen viele Beziehungen in die Volksrepublik unterhalten. Das Land ist aber zugleich ein Partner Taiwans und unterhält zum Beispiel Militärübungen mit der Inseldemokratie, welcher der chinesische Machthaber Xi Jinping mehrfach mit militärischer Gewalt und Annexion gedroht hat.
Taiwan als Partner von Singapur
Taiwan selbst scheint im Moment noch der Ehrgeiz und die Dynamik zu fehlen, um zu einem adäquaten Ersatz für Hongkong zu werden. Die Kriegsdrohungen aus Peking machen zudem Investoren kaum Mut, von Singapur nach Taipeh zu wechseln. Es wäre daher zum Gewinn aller, sollte sich Singapur Schritt für Schritt auf die Liga der freiheitlich-demokratischen Länder zubewegen.
Für das Land macht es keinen Sinn, so restriktiv zu sein wie die Volksrepublik, wohl aber könnte eine schrittweise Demokratisierung, die man ursprünglich durch Hongkong für die Volksrepublik erhofft hat, das Land nach vorne katapultieren. Hier kann dann wieder Taiwan ein guter Partner sein. Das Land war vor 1990 ebenfalls eine Diktatur, das sich dann friedlich in eine Demokratie gewandelt hat.
Alexander Görlach ist Senior Fellow des Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Senior Research Associate an der Universität Cambridge am Institut für Religion und Internationale Studien. Der promovierte Linguist und Theologe war zudem in den Jahren 2014-2017 Fellow und Visiting Scholar an der Harvard Universität, sowie 2017-2018 als Gastscholar an der National Taiwan University und der City University of Hong Kong.