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Güllich: "DDR-Strukturen nachgeahmt"

Lutz Kulling13. November 2013

Sportwissenschaftler Arne Güllich beurteilt die deutsche Sportförderung im Interview mit der Deutschen Welle kritisch. Viele Strukturen seien kostenintensiv, wenig effektiv und Versuche, DDR-Strukturen zu imitieren.

Sportwissenschaftler Arne Güllich (Foto: Hendrik Maaßen)
Bild: Hendrik Maaßen

DW: Herr Güllich, warum taugt der Spitzensport in Ihren Augen nicht – oder nicht mehr - als Ausdruck für die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft?

Arne Güllich: Der Kalte Krieg ist seit über 20 Jahren beendet und der Kampf der Systeme entschieden. Und ob tatsächlich spitzensportliche Erfolge einer Nationalmannschaft oder nationalen Olympia-Mannschaft international überhaupt als Ausdruck der Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft oder eines Gesellschafts-Systems wahrgenommen werden, scheint mir unklar und meines Wissens nicht untersucht. Und genauso nach innen: Dass also der Spitzensport als Motor oder Lokomotive für den Breitensport innerhalb eines Landes wirkt, dafür haben wir Anhaltspunkte. Aber so gut gesichert ist das auch nicht.

Sportarten wie Rodeln werden von vergleichsweise wenigen Athleten betrieben, als fleißige Medaillen-Lieferanten aber üppig gefördert. Obsiegt hier die Gier nach Erfolgen oder die Pluralität des Sports?

Nun, eher so etwas wie eine soziale Marktwirtschaft. Das Verteilungsprinzip muss natürlich erfolgsorientiert sein, aber auch die Wahrnehmung von Sportarten miteinbeziehen. Gleichzeitig gibt es eben Sportarten, die aus eigener Kraft nicht viel leisten können - und denen wird von der Gemeinschaft unter die Arme gegriffen.

Warum halten Sie die Spitzensportförderung in der Bundesrepublik in weiten Teilen für ineffektiv?

Wir haben das an verschiedenen Systemen untersucht. Das betraf das Kaderfördersystem, die Eliteschulen des Sports, die Bundeswehr und die Olympia-Stützpunkte. Viele der Strukturen, die in der Bundesrepublik aufgebaut worden sind, sind Versuche, DDR-Strukturen nachzuahmen. Prüft man sie empirisch, dann stellt sich als zentrales Ergebnis heraus, dass sie außerordentlich kostenintensiv sind - aber die Erfolge unter den heutigen Bedingungen einer offenen Gesellschaft nicht gesteigert haben. Also sie haben nur mehr Kosten, aber nicht mehr Erträge erzeugt.

Bei Erfolgen des DDR-Sports fällt unweigerlich das Stichwort "Doping". Was könnte ein Ausbau des dualen Systems, also die parallele Förderung von sportlicher Laufbahn und beruflicher Ausbildung, heute in diesem Kontext bewirken?

Die Neigung, dass sich ein Athlet tatsächlich hinreißen lässt, über die rote Linie springt und Doping einnimmt, ist ja umso größer, je mehr er alles auf eine Karte setzen muss - und irgendwann in eine Situation kommt, dass er erfolgreich sein muss, koste es was es wolle. Diese Situation kann man vermeiden, indem man ihm ein zweites Standbein vermittelt, das auch nachhaltig ist und ihm eine Zukunftsperspektive - mit oder ohne sportlichen Erfolg - aufzeigt.

Arne Güllich arbeit seit 2008 an der Technischen Universität Kaiserslautern mit dem Fachgebiet Sportwissenschaft. Zuvor war er unter anderem fast zwölf Jahre für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) tätig, als Ressortleiter für den Nachwuchsleistungssport und später als Leiter der Stabsstelle Grundsatzfragen und Wissensmanagement.

Die Fragen stellte Lutz Kulling.

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