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Gütesiegel ohne Folgen?

Michael Brückner9. September 2003

Stralsund, Wismar und das Mittelrheintal stehen seit einem Jahr auf der Weltkulturerbe-Liste der Unesco. Die einen klagen bereits über Folgenlosigkeit, die anderen freuen sich immer noch.

Schon länger auf der Liste: Bamberg in OberfrankenBild: Illuscope

Die Aufnahme in die Unesco-Liste des Weltkulturerbes gilt immer noch als eine Art Ritterschlag für historische Gemäuer, Kunstwerke oder neuerdings gleich ganze Landschaften. Das Gefühl, zusammen mit den Pyramiden von Gizeh oder der Chinesischen Mauer zum wertvollsten zu gehören, was die Menschheit hervorgebracht hat, stärkt das Selbstbewusstsein, lässt Denkmalpfleger auf mehr Mittel hoffen und bringt Tourismus-Manager in Hochstimmung.

Der Backsteingiebel des Stralsunder Rathauses und die Türme der Nikolaikirche bestimmen die Kulisse des Marktes der Hansestadt am Dienstag, 19. Februar 2002. Die Prachtbauten an der Ostseeküste gehen auf die Blütezeit der Hanse im 13. Jahrhundert zurück. (AP Photo/ Thomas Haentzschel)Bild: AP

Als den beiden ostdeutschen Hansestädten Wismar und Stralsund vor kurzem die offiziellen Urkunden überreicht wurden, mit denen ihre historischen Altstädte zum Kulturerbe der Menschheit erklärt werden, herrschte Volksfest-Stimmung an der Ostsee, obwohl die Ernennung bereits 2002 verkündet worden war. Voller Begeisterung bezeichnete der Stralsunder Oberbürgermeisters Harald Lastovka die Unesco-Urkunde der Vereinten Nationen als eines der drei wichtigsten Dokumente in der Geschichte seiner Stadt – neben der Stadtgründungsurkunde von 1234 und dem Friedensvertrag von Stralsund aus dem Jahr 1370. Wismar will seine Urkunde als eine Art "goldene Hausnummer" im Rathaus aufhängen.

Katerstimmung am Rhein

Der Osten Deutschlands freut sich noch über solche Auszeichnungen, im "alten" Westen herrscht dagegen leichte Katerstimmung. Wie beim Weltkulturerbe Mittelrhein. Im Sommer 2002 war die vielbesungene burgenreiche Landschaft zwischen Bingen und Koblenz ebenfalls zum Weltkulturerbe erhoben worden, am 20.9.03 wurde die Welterbe-Urkunde der UNESCO offiziell überreicht. Die strukturschwache Region erhoffte sich eigentlich eine Trendwende im seit Jahren zurückgehenden Fremdenverkehrsgeschäft. Stattdessen ist die Zahl der Touristen am Mittelrhein sogar noch stärker gesunken als in den Jahren zuvor. Im Vergleich zu 2001 ging die Zahl der Übernachtungen in der Region um 5,6 Pozent auf 1,87 Millionen zurück.

Rhein mit Loreley in St. GoarshausenBild: Illuscope

"In erster Linie ging es bei der Bewerbung um die Weltkulturerbe-Anerkennung um mehr Schutz für das Rheintal", sagt Anton Neugebauer, Referent für Denkmalschutz im rheinland-pfälzischen Kulturministerium. Das von der Unesco verliehene "Gütesiegel" sei vor allem "ein Hebel, um mehr zu erreichen". Aber verändern und verbessern müsse man sich eben selbst.

Innenwirkung schafft Außenwerbung

Neugebauer sieht vor allem einen nicht zu unterschätzenden psychologischen Effekt nach innen, der sich natürlich nicht sofort in Touristenzahlen ausdrücken könne. Wenn man aber mit geschärftem Bewusstsein für das eigene kulturelle Erbe daran gehe, Fehlentwicklungen zu korrigieren, Ortsbilder ansprechender und individueller weiterentwickele, dann würden langfristig auch mehr Gäste kommen.

Innerhalb desselben Bundeslandes hat das die Pfalz in den vergangenen Jahren ihren berühmten Nachbarn am Mittelrhein sogar vorgemacht. "Früher ist man doch gleich weiter ins Elsass gefahren", so Neugebauer gegenüber DW-WORLD. "Heute finden Sie im Herbst entlang der Pfälzer Weinstraße keine freie Unterkunft mehr". Mit "langem Atem" habe man dort die Weinorte saniert, alte Bausubstanz wieder freigelegt und vor allem das Niveau der Gastronomie deutlich angehoben.

Selbst ist die Stadt

Auf allzu große Hilfe vom Staat sollte man nicht hoffen, nur weil man in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen worden ist, weiß Bambergs Oberbürgermeister Herbert Lauer: "Vor allem der Bund hat seitdem kaum etwas für Bamberg getan, im Gegenteil sogar Zuschüsse abgebaut und Behörden abgezogen", sagt er gegenüber DW-WORLD. Am 11. Dezember 2003 kann seine Stadt bereits zehn Jahre "Weltkulturerbe-Status" feiern. Aus diesem Anlass will man eine "Weltkulturerbe-Stiftung" gründen, damit zum Beispiel private Altbau-Sanierungen auch in Zukunft gefördert werden können.

Allerdings wurde Bamberg schon lange großzügig vom Freistaat Bayern bei der Pflege seines großartigen städtebaulichen Erbes unterstützt. Herbert Lauer sieht auch eher einen atmosphärischen Gewinn durch das Unesco-Prädikat. Es sei eine große Verpflichtung, aus der man aber selbst erst das Beste machen müsse.

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