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Politik

G20: Erst Kaffeerunde, dann Handelskonflikte

30. November 2018

Die Gipfelteilnehmer sind sich nicht einig: Handel, Klima, Sicherheitspolitik, Entwicklung sind die Streitthemen. Ob es zu einer gemeinsamen Gipfelerklärung reicht, ist unklar. Aus Buenos Aires Bernd Riegert.

Argentinien G20 Gipfel - Gruppenfoto
Freundlich winken fürs Familienfoto beim G20-Gipfel: Eine fehlt. Kanzlerin Merkel ist noch in der LuftBild: picture-alliance/AA/Turkish Presidency/M. Cetinmuhurdar

Bevor das Gipfeltreffen der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie der Europäischen Union mit der ersten Arbeitssitzung so richtig losging, hatten die Staats- und Regierungschefs bei einer lockeren Kaffeerunde die Gelegenheit zu plaudern oder auch ernsthaft über die mannigfaltigen Konflikte in der Welt zu sprechen. Kameras und Mikrofone sind bei diesem hochrangigen Networking nicht zugelassen. Der Sprecher von Russlands Präsident Wladimir Putin sagte jedoch, dass sein Chef die Gelegenheit nutzen würde, ein paar Wort mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump zu wechseln - obwohl Trump gestern vor seinem Abflug zum Gipfelort Buenos Aires ein lange anvisiertes Treffen mit dem Kreml-Herrscher abgesagt hatte. Wegen der russischen Aggression gegen die Ukraine im Asowschen Meer sei ein offizieller bilateraler Gipfel nicht angezeigt, hatte Trump gesagt.

Trump trifft als Letzter ein

Eigentlich wollten die beiden Präsidenten über Trumps Drohung sprechen, aus dem Rüstungskontrollabkommen INF auszusteigen, das die Bewaffnung mit atomaren Mittelstreckenraketen verbietet. Trump wirft Russland vor, das Abkommen zu verletzen, was Putin vehement bestreitet. Viel Zeit für die informellen Gespräche am Rande des Gipfeltreffens hatte Donald Trump nicht eingeplant. Er erschien als allerletzter der G20-Größen. Gemeinsam mit dem scheidenden mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto und dem kanadischen Premier Justin Trudeau setzte er dann seine Unterschrift unter das neue Handelsabkommen USMCA.

NAFTA-Ersatz: Enrique Pena Nieto, Donald Trump und Justin Trudeau (v.l.n.r.) unterschreibenBild: Reuters/K. Lamarque

Networken auf höchster Ebene

Die Spitzen der Europäischen Union, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk wollten die zwanglose Runde zum Auftakt ebenfalls nutzen, um mit Trump oder Putin oder am besten mit beiden zu sprechen. EU-Kommissionpräsident Juncker sagte Journalisten vor Beginn des G20-Treffens, dass er "nicht glücklich, aber zufrieden sei", dass das vorläufige Abkommen zum Handel mit den USA noch hält. "Da hat sich seit Juli nichts verändert", sagte Juncker. Damals hatten Juncker und Trump in Washington vereinbart, dass vorerst keine weiteren Strafzölle gegen europäische Importwaren verhängt werden. Donald Trump droht mit Strafzöllen gegen europäische Autohersteller, vor allem deutsche Marken werden genannt.

"Nicht glücklich, aber zufrieden": EU-Kommissionspräsident Jean-Claude JunckerBild: DW/B. Riegert

EU-Kommissionspräsident Juncker hob in Buenos Aires noch einmal hervor, wie wichtig internationaler Handel in einer unsicheren Welt sei. "Zum Multilateralismus gibt es keine Alternative. Die G20 wurden ja gerade als Forum für Mulitlateralismus erfunden."

Wichtiges Treffen: Trump und Xi

Zu einem formellen Gipfel zum Thema Handel wollen sich US-Präsident Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping am Samstag treffen. Trump droht mit weiteren Strafzöllen von 250 Milliarden US-Dollar gegen chinesische Waren. China brandmarkt das amerikanische Vorgehen als Handelskrieg und hat mit Gegenzöllen geantwortet. Donald Trump ließ vor dem G20-Gipfel offen, wie er agieren wird: "Mir gefällt die Situation eigentlich, wie sie ist, denn wir nehmen viele Milliarden Dollar an Zöllen ein. Geld fließt nach Amerika." Dass diese Zölle von den amerikanischen Endkunden bezahlt werden und nur zum Teil von den chinesischen Herstellern übernommen werden, erwähnte der US-Präsident nicht

Keine Einigkeit beim Klimaschutz

Hinter den Kulissen des Gipfels in der argentinischen Hauptstadt arbeiten die Verhandlungsführer der Chefs, die sogenannten Sherpas, weiter am Text der Gipfelerklärung. Bislang herrscht trotz Dutzender von vorbereitenden Sitzungen keine Einigkeit in Kernpunkten. Die USA sperren sich gegen eine Absage an nationale einseitige Handelspolitik. Auch andere Staatenlenker, wie der neue künftige brasilianische Präsident, Jair Bolsonaro, oder der neue gewählte mexikanische Präsident Lopez Obrador könnten an populistischer Abkehr vom Multilateralismus Gefallen finden. Die EU versucht, in Buenos Aires einigermaßen geschlossen aufzutreten.

"Wenn Merkel kommt, bin ich draußen": Proteststicker in Buenos AiresBild: DW/B. Riegert

Merkel erst zum Abendessen dabei 

Bundeskanzlerin Angela Merkel verpasste den Gipfel-Auftakt im spanischen Linienflugzeug über dem Atlantik, weil ihr Regierungsflugzeug am Donnerstagabend wegen eines technischen Defekts ausfiel. Sie versäumte somit nicht nur die Begrüßung durch Argentinies Präsident Mauricio Macri, sondern auch ein Vorbereitungstreffen der europäischen Gipfelteilnehmer, das Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron einberufen hatte. In den ersten Arbeitssitzungen vertrat Merkels Wirtschaftsberater und Chefunterhändler Lars-Hendrik Röller die Kanzlerin im Kreis der Staats- und Regierungschefs. Merkel wurde erst zum Abendessen erwartet. Das geplante Vier-Augen-Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten Trump soll voraussichtlich am Samstag nachgeholt werden, wie mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Regierungskreise berichteten.

Demonstranten gegen die G20-Gipfel marschieren durch die Innenstadt - soweit friedlichBild: Reuters/C. Garcia

Das Konterfei von Angela Merkel war trotz ihrer verspäteten Ankunft bereits in den Straßen von Buenos Aires zu sehen. Ein gezeichnetes Porträt der Kanzlerin schmückt einen Demonstrationsaufruf gegen den G20-Gipfel. "Wenn Merkel kommt, dann gehe ich raus!" ist unter der Zeichnung zu lesen. Am Nachmittag setzte sich ein Demonstrationszug aus mehreren Tausend Aktivisten hauptsächlich aus linken Arbeiterorganisationen in der Innenstadt in Bewegung. Bis zum späten Nachmittag Ortszeit gab es keine Zwischenfälle. Bis zu 25 000 Polizisten stehen bereit, um den Protest zu bewachen. Die Einsatzleitung rechnet mit gewaltbereiten Demonstranten. Chaotische Szenen und Straßenschlachten wie beim letzten G20-Gipfel in Hamburg will die argentinische Sicherheitsministerin Patricia Bullrich unbedingt verhindern und hat "Null Toleranz" gegen Gewalttäter angekündigt. Lokale Radiosender berichten, dass bereits Fahrzeuge mit Molotow-Cocktails und Brandsätzen gefunden wurden.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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