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G20: Russland-Krise könnte Konjunktur abschwächen

18. Februar 2022

Die Krise um Russland und die Ukraine sowie der schleppende Impf-Fortschritt gegen COVID-19 gefährden eine schnelle Erholung der Weltwirtschaft. Die G20 berieten in Jakarta über Abhilfe. Bernd Riegert berichet.

Indonesien Jakarta G20 Finanzminister Treffen
Indonesiens Präsident Widodo spricht per Videoschalte zu den halbleeren Rängen der G20-Runde. Viele Finanzminister blieben zuhause. Bild: Hafidz Mubarak A/REUTERS

Auch 14.000 Kilometer von der Ukraine entfernt bereitet die Krise um russische Truppenaufmärsche an der ukrainischen Grenze große Sorgen. Die meisten Finanzminister der wichtigsten 20 Industriestaaten und Schwellenländer (G20), zu denen auch Russland gehört, warnten in Jakarta bei ihrer ersten Sitzung unter indonesischer Präsidentschaft vor drastischen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, sollte Russland die Ukraine erneut angreifen und die westliche Welt dann zu harten Wirtschaftssanktionen greifen müssen. Die Börsenkurse würden einbrechen, der Finanzverkehr mit Russland und der Energieexport könnten empfindlich getroffen werden.

Steigende Ölpreise weltweit mit negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum wären wohl die Folge, orakelten etliche der Minister und auch der Präsident des Gastgeberlandes Indonesien, Joko Widodo (Artikelbild). "Dies ist nicht die Zeit für Rivalitäten und neue Spannungen, die die wirtschaftliche Erholung bedrohen, ganz zu schweigen von der Sicherheit in der Welt, wie wir das jetzt in der Ukraine sehen", sagte der indonesische Staatschef im Konferenzzentrum von Jakarta. "Alle Parteien müssen ihre Feindseligkeiten einstellen." In der Abschlusserklärung der Tagung wird die Ukraine nicht erwähnt. Das hatten Russland und China nach Angaben von Diplomaten verhindert. Es findet sich nur eine allgemeine Warnung vor geopolitischen Risiken.

Vorsitzende der G20: Indonesiens Finanzministerin Sri Mulyani Indrawati befürwortet neuen GesundheitsfondsBild: Hafidz Mubarak A/ANTARA

Lindner will Inflation senken

Die Finanzministerinnen und -minister sowie die Chefinnen und Chefs der Notenbanken aus der Gruppe der 20 suchten Wege zur schnellen Erholung nach der Corona-Pandemie, die noch keineswegs vorüber sei, wie mehrere Minister in ihren Redebeiträgen sagten. Nur die Hälfte der Delegationen war tatsächlich nach Jakarta gereist. Der Rest ließ sich wegen der Seuche aus dem heimischen Büro zuschalten. Auch der  neuen deutschen Finanzminister Christian Lindner (FDP) nahm nur von Ferne aus Berlin teil. Ihm kam es darauf an, vor den Risiken für die Weltwirtschaft durch die hohe Inflation und die sicherheitspolitische Krise in Europa zu warnen. "Das globale Umfeld ist herausfordernd. Wir leben unter den Bedingungen der Unsicherheit.", sagte Lindner nach Ende der G20-Beratungen. "Uns machen die Unterbrechungen in den Lieferketten Sorge", so Lindner. Die Erholung von der Pandemie sei in der Welt sehr unterschiedlich verteilt. "Die Unterschiede in den fiskalpolitischen Reaktionen machen eine internationale Koordination wichtiger denn je."

Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (FED) könnte im Laufe des Jahres die Leitzinsen anheben, um die hohe Inflation in den USA zu bekämpfen. Dieser Schritt würde die Refinanzierungkosten der Kredite, die in ärmeren Ländern in Dollar gehalten werden, verteuern, warnen die G20. Gerade die Schwellenländer seien "verwundbar" gegenüber Zinserhöhungen in den USA, meinte Bundesfinanzminister Lindner. 

Finanzminister Lindner: Internationale Koordination notwendiger denn je. (Archiv)Bild: Felix Zahn/photothek/imago images

Neuer Fonds für globale Corona-Hilfen

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, warnte die Ministerrunde in Jakarta, dass das Wachstum der Weltwirtschaft nach der Pandemie an Schwung verloren habe. Die US-amerikanische Finanzministerin Janet Yellen sagte, zugeschaltet aus Washington, gerade die Schwellenländer bräuchten mehr finanzielle Hilfen, um ihr Gesundheitswesen flott zu machen und auf weitere Seuchen vorbereitet zu sein. Yellen schlug deshalb, wie die indonesische Präsidentschaft, einen neuen "Gesundheitsfonds" in Höhe von etwa 75 Milliarden US-Dollar vor, der bei der Weltbank angesiedelt werden sollte. Die amerikanische Finanzministerin mahnte, jetzt nicht zu handeln, würde "verheerende Folgen" haben.

"Während das menschliche und wirtschaftliche Trauma der Pandemie noch frisch in unserem Gedächtnis ist, haben wir ein politisches Zeitfenster, um zu handeln, um die Defizite unserer globalen Gesundheitssystem anzugehen", sagte Yellen. "Die Kosten des Nicht-Handelns könnten ein Desaster sein." Unklar ist auch nach den zweitägigen Beratungen in Jakarta, welche der G20 Länder das Geld für einen solchen Corona-Fonds aufbringen können und wollen. Der indische Finanzminister Nirmala Sitharaman unterstützte den Vorschlag der USA. Ob das Schwellenland Indien eher zu den Empfängern oder zu den Gebern in einem solchen Fonds zählen würde, ließ er offen. Die Gruppe der 20 beschloss zumindest, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die die verschiedenen Finanzierungsmodelle und Fonds zur Bekämpfung von Pandemien überprüfen und effizienter machen soll.  

Zusammen erholen, stärker erholen: Das Motto der diesjährigen G20-PräsidentschaftBild: BAY ISMOYO/AFP/g20.org

Impfkampagne in ärmeren Ländern verstärken

Mehr Geld verlangten auch 165 ehemalige Regierungschefs und Wissenschaftler in einem offenen Brief an die G20-Minister. Die Impfquoten gegen COVID-19 in den ärmsten Ländern müssten dringend erhöht werden, um die Bevölkerung dort zu schützen, aber auch um die Entstehung neuer gefährlicher Mutationen des Virus zu verhindern. Die globalen Institutionen, die die Impfungen organisieren und bezahlen sollen, hätten dramatische Finanzlücken, rechnet Gordon Brown vor. Der ehemalige britische Premierminister ist Mitverfasser des Briefes.

Etwa 16 Milliarden US-Dollar würden benötigt, um Menschen in armen Ländern zu impfen. Die Finanzminister der G20 wiederholten Zusagen für eine Finanzierung der Impfkampagne Covax der Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Bislang hat Covax nach eigenen Angaben 1,8 Milliarden Impfdosen in 144 Länder geliefert. Das reicht bei Weitem nicht aus, die in den reicheren Industriestaaten üblichen Impfquoten zu erreichen. Seth Berkley, der Chef von Covax, sagte bereits Ende Januar, seine Organisation habe "praktisch kein Geld mehr." Neue Impfdosen könnten nicht gekauft oder gespendete Dosen nicht  ausgeliefert werden.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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