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Politik

G20-Gipfel: Speeddating mit Trump

28. Juni 2019

Bilaterale Gespräche des US-Präsidenten zu seinen zahlreichen Handelskonflikten waren beim G20-Gipfel viel wichtiger als die Beratungen im Plenum. Auch die Bundeskanzlerin war voll im Einsatz. Von Bernd Riegert, Osaka.

Japan G20 Gipfel Osaka
Die Raute steht: Angela Merkel wird nach ihrem Zittern genau beobachtet in OsakaBild: Reuters/K. Lamarque

Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß, dass sie nach ihrem erneuten Zitteranfall in Berlin am Donnerstag unter Beobachtung steht. Auch die internationalen Medien und die übrigen Teilnehmer des G20-Gipfels in Osaka in Japan interessieren sich mittlerweile für die Gesundheit der Kanzlerin.

Die absolviert völlig ungerührt das volle Programm des ersten Gipfeltages mit zwei Arbeitssitzungen, mehreren bilateralen Treffen, Kulturprogramm und Abendessen beim japanischen Minsterpräsidenten Shinzo Abe. Zwischendurch zeigt sich Angela Merkel kurz der Presse, gibt am Stehpult ein kurzes Statement ab. Fragen sind nicht zugelassen.

Sie wirkt wie immer, kein Zittern, keine sichtbare Anspannung. "Das war bisher ein ausgefüllter Tag", sagt sie lächelnd. "Und er ist ja noch nicht zu Ende." Aus ihrer Umgebung heißt es immer wieder, sie sei gesund. Das zweite Zittern sei eine mentale Reaktion auf die Erinnerung an den ersten stärkeren Zitteranfall vorige Woche gewesen, also eine Art Angst-Störung, eine Reaktion auf Stress?

Trump schmeichelt und droht

Um sieben Uhr am Morgen war die Kanzlerin nach elf Stunden Flug in Osaka gelandet. Der erste schwierige Termin stand kurz danach an: Bilaterales Treffen mit dem sprunghaften US-Präsidenten Donald Trump. Geduldig erträgt die Bundeskanzlerin die Trumpschen Superlative von der fantastischen Frau, der guten Freundin, die sie für ihn darstelle.

Tags zuvor hatte Trump allerdings wieder einmal per Interview mehr Verteidigungsausgaben in Deutschland angemahnt und die Erdgaspipeline aus Russland, Nordstream2, kritisiert. Im direkten Gespräch in Japan spricht der Präsident diese Dauerbrenner aber nicht an, sondern erzählt vom Wahlkampf in den USA und seinem Handelsstreit mit China.

Diplomatisches Schaulaufen: Trump und die "fantastische Frau" MerkelBild: Reuters/K. Lamarque

Angela Merkel betont in diesem Wechselbad der Gefühle, wie wichtig offene Märkte und freier Handel seien. Die Situation in Libyen und in der Sahel-Zone wird noch kurz gestreift. Die Spannungen mit dem Iran sind ein Thema. Donald Trump versichert, er habe es nicht eilig. Also vielleicht doch noch eine Verhandlungslösung, die dafür sorgt, dass der Iran das Atomabkommen weiter einhält? Von militärischen Optionen spricht der US-Präsident offenbar nicht.

Handelsstreit zwischen USA und China ungelöst

Später am Tag trifft die Kanzlerin auch den größten Kontrahenten der USA im Handelsstreit, den chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Der wirft den USA vor, sie hätten China unrechtmäßig mit Zöllen überzogen. Am zweiten Gipfeltag wollen sich Donald Trump und Xi Jinping zu einem formellen Gipfelgespräch treffen.

"Ein toller Deal ist möglich. Sie wollen ihn", meinte der US-Präsident zuvor. "Falls nicht, bin ich aber auch mit dem jetzigen Zustand zufrieden." Trump droht den Chinesen mit weiteren Zöllen auf Waren im Wert von 300 Milliarden Dollar. Im Moment gibt es keine Anzeichen, dass eine der beiden Seiten einlenkt.

Längliche Debatten in der Plenarrunde: Die Staatenlenker treffen sich vor der Tür zu ZwiegesprächenBild: President Secretary/Laily Rachev

Der erste Gipfeltag der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer hat ein wenig mit Speeddating gemein. Während im Plenarsaal über Regeln für den Handel, eine Reform der Welthandelsorganisation, besseren Austausch vor Daten und nachhaltige Investitionen debattiert wird, laufen in kleineren Nebenräumen jede Menge bilaterale Gespräche.

US-Präsident Trump traf unter anderem auch noch die Präsidenten Wladimir Putin aus Russland und Jair Bolsonaro aus Brasilien. Bei dem Treffen lud Putin Trump für Mai nächsten Jahres nach Russland ein, um den 75. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland zu feiern. Trump reagierte "sehr positiv", sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow.

Dem indischen Premier Narendra Modi und Japans Ministerpräsidenten Shinzo Abe versprach Trump "tolle Abkommen", drohte gleichzeitig aber auch mit neuen Strafzöllen. Die EU-Staaten trafen sich untereinander, mit Kanada und mit Staaten aus Südamerika, mit denen gerade das neuste Handelsabkommen ausgehandelt wird.

Noch kein Entwurf für eine Abschlusserklärung

Die "Sherpas", die Unterhändler der Staats- und Regierungschefs, verhandeln die ganze Nacht hindurch die jährliche Gipfelerklärung der G20. Umstritten sind nach Angaben von Diplomaten besonders die Themen Handel, Klimaschutz und Migration.

Auf der Suche nach Verbündeten gegen Trump: Chinas Machthaber Xi Jinping (li.) spricht mit Shinzo Abe (Japan)Bild: Reuters/K. Mayama

Beim Handel wollen die USA möglichst wenig konkrete Regeln und kein Bekenntnis zu internationalen Organisationen zu lassen. Auch eine Reform der als dysfunktional empfundenen Welthandelsorganisation (WTO) sieht man in Washington kritisch.

Onlinehandel soll reguliert werden

Gemeinsamkeiten gibt es bei der Regulierung des Onlinehandels. Nach Angaben von Kanzlerin Angela Merkel haben sich die G20 in der Digitalwirtschaft zu einem regulierten Handel über das Internet bekannt. "Das ist also ein wichtiges Signal, dass wir internationale Regelungen bei der Digitalisierung brauchen", sagte Merkel. Die G20-Staaten verabschiedeten die entsprechende Erklärung nicht in einer Arbeitssitzung, sondern in einem besonderen Format im Rahmen des Gipfels. Das Bekenntnis solle aus ihrer Sicht über die Welthandelsorganisation WTO umgesetzt werden, sagte Merkel.

Bei den Beratungen zum Thema Digitalisierung habe sie deutlich gemacht, dass man mit der Regulierung im Grunde den Entwicklungen immer hinterher sei. Die Kanzlerin hob hervor, dass die G20-Finanzminister in diesem Zusammenhang bei der Besteuerung digitaler Wirtschaft wichtige Schritte gegangen seien. In der Digitalwirtschaft wollen sich die G20 nach den Worten Merkels für einen digitalen Datenverkehr aussprechen, dem man vertrauen könne. Es gehe um eine ähnliche Regelung, wie es sie in Europa im Zusammenhang mit der Datenschutzgrundverordnung gebe.

Beim Kampf gegen die Erderwärmung haben sich die USA schon vor zwei Jahren verabschiedet. Jetzt könnten auch andere Staaten wie Saudi-Arabien, Australien oder Brasilien auf amerikanischen Druck hin von der Fahne gehen und das Pariser Klimaabkommen der UN nicht mehr ausdrücklich unterstützen.

Knackpunkt Klima

Sollte das geschehen, will Frankreich das ganze Gipfeldokument nicht unterschreiben, kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron an. Die Europäische Union steht wohl geschlossen an der Seite der Franzosen. Jede positive Äußerung zur Migration oder zur Behandlung von Migranten lehnen die USA im Entwurf der Gipfelerklärung ab, heißt es diplomatischen Quellen. Mexiko, Spanien, Italien und auch Deutschland drängen jedoch darauf zumindest den Standard der bisherigen Erklärungen der G20 zur Migration nicht zu senken.

Gastgeber Shinzo Abe rief alle Gipfelteilnehmer zu Kompromissen auf. "Wir sollten nach Gemeinsamkeiten suchen, statt Differenzen hervorzuheben", so der Appell des japanischen Ministerpräsidenten. In der Nacht werden die Sherpas weiter verhandeln. "So schwierig wie in diesem Jahr war es noch nie", meint einer der beteiligten Diplomaten, der schon einge G20-Gipfel mitgemacht hat.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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