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Politik

Große Erwartungen - kleine Ergebnisse

Barbara Wesel
31. Oktober 2021

Die Regierungschefs der G20-Länder versprechen Klimaneutralität bis zur Jahrhundertmitte und die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Konkrete Maßnahmen und Verpflichtungen, um diese Ziele zu erreichen, fehlen.

Italien Rom | G20 Gipfel | Münzwurf am Trevi Brunnen
Münzwurf am Trevi-Brunnen in RomBild: Oliver Welken/dpa/picture alliance

Eigentlich sollte der große Wurf von Rom eine gemeinsame Verpflichtung zur Klimapolitik bringen und das Jahr 2050 für "Netto-Nullemissionen von Treibhausgasen oder CO2-Neutralität" der G20 Staaten festlegen. Sie sind für fast 80 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Aber diese klare Verpflichtung wurde verhindert - am Ende ist in der gemeinsamen Abschlusserklärung etwas schwammig von der "Mitte des Jahrhunderts" die Rede. Trotzdem bewerten Gastgeber Mario Draghi und unter anderem die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel das Treffen als konstruktiv und "Erfolg".

Zeit zu Handeln - im Prinzip

"Es ist Zeit zu handeln - gemeinsam zu handeln", hatte der Papst am Sonntagmorgen in Rom die Weltgemeinschaft aufgefordert. Aber sie tut das einmal mehr auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Dennoch lobt Draghi das Ergebnis, denn immerhin gibt es eine gemeinsame Abschlusserklärung.

Er sieht sie zumindest als eine Art Wiederauferstehung des Multilateralismus. "Es war eine gute Überraschung, weil wir sahen, wie Länder sich am Ende bewegten, die dazu bis vor ein paar Tagen noch nicht bereit waren." Ohne Zusammenarbeit komme man international nirgendwo hin, weder beim Klima, noch bei Armut oder Gesundheit. 

Der italienische Ministerpräsident und Gastgeber Draghi (li.) freut sich über das Gipfelergebnis (hier mit US-Präsident Biden)Bild: Kevin Lamarque/AFP/Getty Images

Als Erfolg bezeichnet der italienische Premier auch das grundsätzliche Ziel, die Nutzung von Kohle hinter sich zu lassen sowie das Ziel wenigstens in Reichweite zu halten, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Aber, so fügte er hinzu: "Unsere Glaubwürdigkeit als Individuen und als Gruppe beruht auf konkreten Handlungen", die G20-Länder müssten sich jetzt auf die Implementierung konzentrieren. "Wir werden nach dem beurteilt werden, was wir tun, nicht was wir sagen", fügte Draghi hinzu, was man fast als Seitenhieb auf die Klimabremser bei den G20 verstehen könnte.

Biden: China und Russland verantwortlich für mageres Klimaergebnis

US-Präsident Joe Biden lobte die Rückkehr zum Multilateralismus der USA auf der internationalen Bühne beim G20-Gipfel. Er habe eine Menge Einzeltreffen mit verschiedenen Regierungschefs gehabt, und damit komme man zu Ergebnissen. Er nannte als Beispiel die Gespräche mit der EU, durch die der Handelsstreit um die von seinem Vorgänger Donald Trump verhängten Stahl- und Aluminiumzölle provisorisch beigelegt wurde. In einem neuen Abkommen solle nun zum ersten Mal ein Zusammenhang zwischen der jeweiligen Produktion und dem Ausstoß von Klimagasen hergestellt werden. 

US-Präsident Biden beim G20-Gipfel in Rom: Annäherung - aber nicht in allen FragenBild: Evan Vucci/AP/picture alliance

Diplomatie sei immer der beste Weg, betonte Biden, auch wenn es um den Versuch gehe, das Iran-Atomabkommen wieder zu beleben. Er habe mit den ursprünglichen Partnern des JCPOA-Vertrages gesprochen und hoffe, sie blieben an der Seite der USA. Ein Erfolg hänge jetzt vom Verhalten des Iran ab. 

Zum Thema Klima beschwor der US-Präsident, sein milliardenschweres Infrastrukturprogramm wie auch sein "Build Back Better"-Plan würden in den nächsten Tagen im Kongress verabschiedet. Sie waren durch Streit innerhalb seiner eigenen Partei aufgehalten worden. Beide zusammen stellten die größten Investitionen in Maßnahmen zum Klimaschutz weltweit dar. Biden leugnete zugleich, dass seine Aufforderung, etwa an Saudi Arabien, mehr Öl zu fördern, dazu im Gegensatz stehe: "Wir können Öl nicht plötzlich teurer machen, die Leute müssen zur Arbeit fahren, es ist nicht realistisch, in diesem oder nächsten Jahr aus dem Öl auszusteigen."

Rasche Abkehr der USA vom Öl? "Nicht realistisch", sagt Präsident BidenBild: picture-alliance/Photononstop/P. Turpin

Auf die Frage aber nach den mageren Klimaergebnissen des G20-Treffens wies der US-Präsident mit dem Finger auf China und Russland. "Die Enttäuschung bezieht sich auf die Tatsache, dass beide zum Thema Klimawandel nicht (nach Rom) gekommen sind. Ich finde das enttäuschend."

Merkel sieht positives Signal für Glasgow

Die Bundeskanzlerin zeigte sich generell zufrieden: "Wir haben ein gutes Signal für Glasgow erreicht." Nach ihrem wohl letzten Auftritt in dieser Funktion bei einem großen internationalen Treffen wertet Angela Merkel es als positiv, dass sich zum ersten Mal seit 2016 in Rom alle G20-Länder zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens bekannt hätten. 

Die scheidende Bundeskanzlerin wies auch darauf hin, dass sich in den letzten Jahren die Prognosen der UN-Klimaexperten immer mehr verschärft hätten. Der Klimawandel sei jetzt das drängendste Problem weltweit, die Staaten müssten sehr viel entschiedener reagieren und die Transformation zu anderen Energiequellen anstelle von Kohle müsse schneller vorangehen. Dabei werde Erdgas eine entscheidende Rolle spielen.

Merkel lobte dabei den Ausstieg aus der internationalen Kohlefinanzierung als wichtigen Schritt, der gerade für Afrika Bedeutung habe. Sie sieht die Glaubwürdigkeit der G20-Länder auch dadurch gestärkt, dass sie - wenn auch mit Verspätung - bis 2023 die angepeilten 100 Milliarden US-Doller für Klimamaßnahmen in den Entwicklungsländern aufbringen - wobei eine Lücke in der Finanzierung bleibt. 

Sieg der Bremser

Gegenüber der positiven Bewertung der gemeinsamen Schlusserklärung von Rom steht allerdings ein faktischer Sieg der Gruppe der Klimabremser. In ihr versammeln sich die größten Kohleverbraucher und -produzenten: China, Indien, Russland und Australien. Sie haben verhindert, dass es zu konkreteren Zielen für den Ausstieg aus der Kohle kam. Die ursprünglich härtere Sprache des Kommuniqués war über Nacht bei den Verhandlungen der Diplomaten aufgeweicht worden. 

Der einzige greifbare Erfolg ist hier ein Ausstieg aus der Finanzierung internationaler Kohlekraftwerke oder Anlagen. Aber sogar dabei gibt es ein Schlupfloch: Es geht nur um öffentlich finanzierte Projekte, private Banken zum Beispiel könnten weiter Geld für die Kohleverstromung geben.

Kohlekraftwerke sollen künftig nicht mehr finanziell gefördert werden Bild: Kacper Pempel/REUTERS

Unter den westlichen Staaten ist Australien größter Hardliner beim Kampf für den Erhalt des Kohleverbrauchs. "Wir arbeiten nicht mit dieser Art von Mandaten und Verboten", erklärte Premier Scott Morrison nach einem Treffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Internationale Abkommen sollten sich mehr auf den Prozess des Wandels konzentrieren statt die Abschaffung (der Kohle) zu verfolgen.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow, der in Rom Präsident Wladimir Putin vertrat, verteidigte, dass auch sein Land die Klimaneutralität erst 2060 erreichen wolle. "Das ist unsere berechnete Verpflichtung und daran halten wir uns."  Niemand habe Russland bewiesen, dass unbedingt das Zieljahr 2050 unterschrieben werden müsse. In dem Zusammenhang hat sich Indien überhaupt noch nicht auf ein Klimaziel festgelegt. 

Klimaschützer enttäuscht

"Die G20 haben eine Verantwortung, aber sie sind ihr nicht gerecht geworden", kritisiert Friederike Röder von der NGO "Global Citizen". Es fehlten alle konkreten Maßnahmen, um die vereinbarte Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts auch zu erreichen. So gebe es keine Frist zur Beendigung von Kohlesubventionen, und ohne klare Fristen werde nichts geschehen. Auch enthalte die Erklärung von Rom nichts zum Ausstieg aus der Kohleverstromung. Der ursprünglich von Italien präsentierte Entwurf sei viel besser gewesen, so die NGO-Vertreterin, so aber ende der G20-Gipfel im "Versagen".

Die Entwicklungsorganisation "World Vision" nannte das G20-Treffen den "Gipfel der verpassten Chancen", die Staaten hätten vor harten Entscheidungen gekniffen. Und Greenpeace kritisiert das Ergebnis scharf: "Das Kommuniqué ist schwach, ohne Ehrgeiz und Vision".  Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigt sich enttäuscht: "Ich verlasse Rom mit unerfüllten Hoffnungen, aber zumindest sind sie nicht begraben", schrieb er auf Twitter. Er setzt darauf, dass einige Länder während der anschließenden Weltklimakonferenz in Glasgow ihre Klimaziele noch nachbessern könnten.

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