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Politik

G20 und Afrika: Gemischte Erwartungen

Daniel Pelz
12. Juni 2017

Mit dem "Compact with Africa" wollen die G20 mehr Privatinvestitionen in Afrika fördern. Das soll Jobs und Wohlstand bringen. Doch was denken die Menschen in Afrika darüber? Wir haben nachgefragt.

Mosambik junge Menschen Handel
Bild: DW/S. Lutxeque

 Sidi Tiemoko Touré hat klare Erwartungen an die G20-Afrikakonferenz kommende Woche in Berlin: "Ich werde sie bitten, uns zu helfen, das Problem der Jugendarbeitslosigkeit anzugehen", sagt der Jugendminister der Elfenbeinküste im DW-Interview. "Unsere Jugend soll nicht länger gezwungen sein, auf der Flucht übers Meer den Tod zu finden." In der Elfenbeinküste lebt fast die Hälfte der Menschen unter der Armutsgrenze. Rund 60 Prozent sind jünger als 24 Jahre. Genug Jobs für sie gibt es nicht.

Die ivorische Regierung hofft, dass das G20-Treffen die Wende bringt. Die Elfenbeinküste ist eines von fünf afrikanischen Ländern, die sich am "Compact with Africa" beteiligen. Kern der G20-Initiative sind Partnerschaften: Die afrikanischen Länder versprechen Reformen, um für Investoren attraktiver zu werden. Das bedeutet für viele eine Menge Arbeit. Die Elfenbeinküste steht beispielsweise auf dem "Doing Business" Index der Weltbank auf Platz 142. Der Index misst, wie gut die Rahmenbedingungen für Unternehmen in verschiedenen Ländern weltweit sind. Internationale Organisationen und G20-Staaten unterstützen die afrikanischen Staaten bei dieser Aufgabe finanziell und technisch. Zudem wollen sie bei der Suche nach Investoren helfen.

Afrika braucht dringend mehr Investitionen in die InfrastrukturBild: DW/M. David

Auch Kole Shettima hält das Afrika-Engagement der G20 für eine gute Idee. "Ob Elektrizität, Straßen, Eisenbahnverbindungen oder die Wasserversorgung: wir haben ein riesiges Infrastrukturproblem auf dem ganzen Kontinent", sagt der nigerianische Entwicklungsexperte im DW-Interview. Allein Nigeria bräuchte dafür pro Jahr zwischen zwölf und 15 Milliarden US-Dollar. Experten wie Shettima hoffen, dass Initiativen wie der Compact die dafür nötigen Investitionen mobilisieren können. "Wenn wir unsere Infrastruktur ausbauen können, wird sich auch die Wirtschaft in diesem Teil der Welt erheblich verbessern."

Experten wollen Reformen beim EU-Afrika-Handel

Nicht nur beim Ausbau der Infrastruktur hat Afrika enormen Nachholbedarf. Bis 2050 wird sich die Bevölkerung des Kontinents verdoppeln. Schon jetzt gibt es nicht genug Arbeitsplätze. Doch Martin Tsonkeu ist nicht überzeugt, dass der Compact die Wende bringen wird. Er könne sicher eine gute Initiative werden, sagt der Entwicklungsexperte aus Kamerun. Es komme aber darauf an, wie sie konkret umgesetzt werde: "Wenn man zum Beispiel sagt: Die Privatinvestitionen werden Arbeitsplätze schaffen, dann frage ich mich: Welche Arbeitsplätze sind das?", so Tsonkeu zur DW. Denn kurzfristige Verträge und niedrige Löhne würden aus Sicht vieler Experten nicht helfen, die Armut in Afrika signifikant zu reduzieren. Investitionen müssten dazu beitragen, dass die Privatwirtschaft in Afrika wächst, sagt Experte Tsonkeu. "Doch das sehe ich durch den Compact nicht."

Durch den Compact sollen mehr Arbeitspläze für junge Afrikaner entstehenBild: picture-alliance/Bildagentur-online/Runkel-MacPhoto

Zudem schließe der Compact wichtige Punkte aus, meint Tsonkeu: "Afrika braucht dringend mehr Handel untereinander. Doch der Compact tut da nichts. Vielleicht glauben sie, dass Investitionen automatisch zu mehr Handel führen. Aber wir brauchen eine Handelspolitik zu Afrikas Vorteil." Doch die fehlt bis jetzt - nicht nur aus Sicht vieler Entwicklungsexperten. "Ich kann der EU Rohkakao verkaufen und sie wird darauf keine Zölle erheben. Wenn ich aber Schokolade nach Europa verkaufen will, muss ich 30 Prozent Importzoll bezahlen", schimpfte der ghanaische Unternehmer Tutu Agyare auf einer Konferenz in Berlin vor wenigen Wochen. "Wenn ich Hühner züchten und eine Geflügelwirtschaft aufbauen will, aber hier vor Ort Hühnchenteile aus Europa verramscht werden, erstickt das mein Vorhaben im Keim." Agyares Fazit: Man brauche ihm keinen Compact aus Deutschland anzubieten, wenn darin Handelsfragen ausgeklammert werden.

Martin Tsonkeu ist zurückhaltend, was das Thema Compact angehtBild: DW/D. Pelz

Profitiert Afrika von den Investitionen?

Auch der Fokus auf Privatinvestoren gefällt nicht jedem. Ikal Angelei leitet die kenianische Umweltschutzorganisation 'Freunde des Turkana-Sees': "Wir haben Mechanismen, um Regierungen oder internationale Organisationen zur Rechenschaft zu ziehen, wenn eines ihrer Projekte bestimmte Kriterien nicht einhält", erzählt er. "Aber wie sollen wir das mit Projekten von Privatinvestoren tun?"

Privatinvestoren werden im Rahmen des Compact-Programms keine Umwelt- oder Sozialstandards vorgeschrieben - außer sie beteiligen sich an Projekten internationaler Organisationen. Ansonsten müssen die afrikanischen Regierungen selbst dafür sorgen, dass beispielsweise Mindestlöhne gezahlt werden. Angelei glaubt nicht, dass das passieren wird. "Viele Regierungen sind korrupt. Einige Firmen zahlen Bestechungsgeld an unsere Regierungen und halten sich nicht an die Regeln."

Viele Experten warten daher gespannt auf den Moment, an dem die genauen Vereinbarungen zwischen den afrikanischen Ländern und den Compact-Partnern bekannt werden. Denn erst dann wird klar werden, ob der Compact tatsächlich einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas leisten kann.

Mitarbeit: Dirke Köpp, Ubale Musa

 

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