Trump setzt nicht auf G20
8. Juli 2017Ganz am Ende des G20-Gipfels in Hamburg hatte Gastgeberin Angela Merkel noch einen besonderen Termin. Sie dankte am Rand einer der Messehallen den Vertretern der Polizei, die in den letzten Tagen den Kopf hingehalten hatten, um die Sicherheit der Staats- und Regierungschefs und ihrer Delegationen in der Hansestadt zu garantieren. Die gewalttätigen Ausschreitungen von militanten Globalisierungsgegnern in den letzten beiden Nächten verurteilte die Bundeskanzlerin aufs Schärfste. "Wer so handelt, dem geht es nicht um politische Kritik. Wer so handelt, der stellt sich außerhalb des demokratischen Gemeinwesens." Den Opfern der Gewalttaten sagte Merkel schnelle Unterstützung zu.
Nicht ganz so zufrieden mit der Leistung der Sicherheitskräfte waren die Anwohner in den Stadtteilen Schanzenviertel und Altona, wo von Randalierern Geschäfte geplündert, Brandstiftungen verübt und Autos demoliert wurden. Ein Plakat mit der Aufschrift "Olaf, das war eine Scheiß-Idee", hatte ein frustrierter Anwohner an seinem Balkon befestigt. Mit Olaf war der Regierende Bürgermeister Olaf Scholz gemeint. Er hatte den G20-Gipfel mit nach Hamburg geholt und vor der Veranstaltung noch versprochen, die Sicherheit sei garantiert.
Keine Einigkeit beim Klimaschutz
In die Gipfelfestung der 19 größten Industriestaaten und Schwellenländer sowie der Europäischen Union konnte kein Demonstrant vordringen. Bis zu 20.000 Polizeikräfte aus Deutschland und europäischen Nachbarstaaten verhinderten das. Drinnen in den Messehallen wurde dann ein Abschlusspapier produziert, dass in vielen Teilen vage bleibt. Einig waren sich alle 20, dass die Regulierung der Finanzmärkte fortgesetzt und die Finanzierung von Terrorismus und Steuerflucht bekämpft werden muss. Das ist das eigentliche Kerngeschäft, für das diese "Weltregierung" mitten nach der Finanzkrise 2008 gegründet wurde.
Bei der Bekämpfung der Erderwärmung hörte die Einstimmigkeit, die bei der G20 Tradition hat, dann aber auf. Hier steht es 19 zu eins, weil die USA das Klimaabkommen der Vereinten Nationen von Paris aufgekündigt haben. US-Präsident Donald Trump wollte sich auch in Hamburg nicht zur Reduktion von Emissionen nach dem Pariser Abkommen bekennen. "Da, wo es keinen Konsens gibt, muss auch der Dissens erscheinen", sagte Bundeskanzlerin Merkel. Sie bedauerte, dass die USA den Konsens aufkündigen. "Ich bin dankbar, dass alle anderen Staats- und Regierungschefs das Pariser Abkommen als unumkehrbar betrachten." Das Abkommen müsse jetzt schnell umgesetzt werden. Präsident Trump ließ in das Abschlusskommuniqué hineinschreiben, dass die USA anderen Ländern helfen wollen, fossile Brennstoffe sauber zu verbrennen. Das Pariser Abkommen sieht einen langfristigen Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Gas und Öl vor.
Trump macht bei Putin guten Eindruck
US-Präsident Donald Trump stört diese internationale Isolation aber nicht weiter. Er bedankte sich überschwänglich bei der Bundeskanzlerin für ihre starke Führung, die einfach "großartig" sei. Trump nutzte die Hamburger Bühne vor allem für bilaterale Treffen. Das Konzept der internationalen Zusammenarbeit, die der G20 eigentlich zu Grunde liegt, ist ihm nach eigenem Bekunden fremd. Aus amerikanischer und russischer Sicht war das erste Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Russlands Präsident Putin der Höhepunkt der Hamburger Veranstaltung. Es wurde ein teilweiser Waffenstillstand für Syrien vereinbart. Aus Sicht der neuen US-Administration ein diplomatischer Erfolg für Trump. Die Einmischung Russlands per Hackerangriff in den US-Wahlkampf will Trump zwar angesprochen haben, Putin weist aber alle Anschuldigungen zurück. Wladimir Putin sagte in seiner abschließen Pressekonferenz, man habe eine Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit gelegt. Sein Eindruck sei, "der Fernseh-Trump unterscheidet sich sehr vom realen Menschen."
Zugeständnisse der USA beim Handel
Beim Thema Handel mussten die Unterhändler der G20 tagelang gegen amerikanischen Widerstand um den kleinsten gemeinsamen Nenner ringen. Jetzt bekennt sich der Gipfel zu fairem Handel und will gleichzeitig die Instrumente stärken, die eingesetzt werden können, wenn der Handel gestört wird. Schiedsrichter soll weiter die Welthandelsorganisation blieben. Freier Marktzugang wird erwähnt. Das ist vor allem auch eine Kritik an China, das versucht, seine Unternehmen vor Konkurrenz im eigenen Land durch ausländische Investoren zu schützen. Donald Trump hatte sich gegen multinationale Handelsabkommen ausgesprochen, weil die "unfair" gegenüber den USA seien. Er setzt auf bilaterale Vereinbarungen, zum Beispiel mit Großbritannien, das in zwei Jahren aus der EU ausscheiden wird. Protektionismus, also die Abschottung der eigenen Wirtschaft, lehnt Donald Trump jetzt, anders als im Wahlkampf, ab. Das immerhin hat der G20-Gipfel erreicht. "Durch gemeinsames Handeln können wir mehr erreichen als alleine", sagte Bundeskanzlerin Merkel. Diese Sicht werde von allen geteilt.
Neue Partnerschaft mit Afrika angestrebt
Bundeskanzlerin Merkel setzte einen Herzenswunsch durch. Die G20 treiben neue Investitionsabkommen mit Afrika voran. Durch direkte Investitionen von Unternehmen soll die afrikanische Wirtschaft angekurbelt werden. Die G20-Staaten wollen den afrikanischen Ländern helfen, mit einer Art Anschubfinanzierung Investitionen möglich zu machen und anzuwerben. Durch diese neue wirtschaftliche Perspektive sollen möglichst viele Menschen in Afrika davon abgehalten werden, nach Europa auszuwandern. Der "Compact with Africa" ist so Teil der Anti-Migrations-Strategie der EU. Da gibt es noch viel Nachholbedarf. Deutsche Investitionen in Afrika machen im Moment nur rund ein Prozent der gesamten Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft aus. Führend sind bei direkten Investitionen chinesische Staatsunternehmen, die sich nicht lange mit Fragen zu guter Regierungsführung in Afrika aufhalten.
Oxfam vermisst soziale Komponente
Die G20 einigte sich darauf, Seuchen stärker zu bekämpfen, und die Förderung von Frauen zu einem ihrer Schwerpunkte zu machen. Frauen und Bildung seien der Schlüssel zu Wohlstand und Entwicklung, heißt es in den Entschließungen der "Weltregierung". Beim Gipfel waren auch zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen vertreten. Viele üben Kritik an den Beschlüssen. "Es wird immer deutlicher, dass die G20 keine homogene Gruppe sind, dass die Interessen der unterschiedlichen Länder auseinander driften", meinte Jörn Kalinski von Oxfam, einer Organisation für Entwicklungshilfe. "Wir sind mit der Forderung nach Hamburg gekommen, dass die G20 das Thema 'soziale Ungleichheit' auf die Tagesordnung setzen. Das ist nicht geschehen. Aber diese Ungleichheit zersprengt den Zusammenhalt der Gesellschaften. Menschen, die sich abgehängt fühlen, die unzufrieden sind, laufen Rechtspopulisten hinterher. Und das ist eine Gefahr für die Demokratie", meinte Kalinski im Gespräch mit der DW.
Donald Trump, der US-amerikanische Präsident, ließ sich am zweiten Gipfeltag bei einer Sitzung von seiner Tochter Ivanka vertreten. Ein neuer Stil. "Das liegt im Rahmen des Möglichen", bemerkte dazu die Präsidentin der G20, Angela Merkel, ohne eine Mine zu verziehen. Im kommenden Jahr wird Argentinien den G20-Gipfel ausrichten.